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als auch ein prototypisches transitives Satzmuster N>N (= S>O) existiert.

      Strukturelle sprachliche Schemata (wie das Pluralschema im Deutschen oder das Satzschema N>N) haben stets eine semantische Funktion und kodieren teils abstrakte semantische Konzepte. Die Ausbildung dieser semantischen Konzepte im Zuge der kognitiven Entwicklung von Kindern wird als sprachliche Vorläuferfertigkeit verstanden und mit dem bereits erwähnten Terminus der functional readiness erfasst (Bates/MacWhinney 1987b, MacWhinney 1987b, 1988). Langacker (1998: 3) zufolge ist der Prozess der semantischen Konzeptualisierung als „embracing any kind of mental experience“ zu verstehen. Kinder sind grundsätzlich in der Lage, ihre Umgebung auf unterschiedliche Art und Weise wahrzunehmen, indem sie mit den ihnen gegeben Sinnen mit der Umwelt interagieren. Um die Informations- und schließlich auch die Sprachverarbeitung maximal ökonomisch zu gestalten, werden Eindrücke und Erfahrungen zu abstrakten Kategorien beziehungsweise image schemas (Oakley 2007) zusammengefasst. Sprecher analysieren und abstrahieren dabei rekurrierende usage events, die als „an actual instance of language use“ (Langacker 2000a: 9) definiert werden können. Eine kanonische Handlung ist ein Beispiel für solch ein usage event. Functional readiness heißt deshalb, dass die Ausbildung des non-sprachlichen usage events dem Auffinden passender sprachlicher Realisierungsformen (sprich dem Satzschema N>N) vorangeht.

      Die Konzeptformation verläuft Mandler (1992: 589) zufolge im Kindesalter mittels der sogenannten „perceptual analysis“. Sie definiert diesen Begriff als

      a process in which a given perceptual array is attentively analyzed, and a new kind of information is abstracted. The information is new in the sense that a piece of perceptual information is recoded into a nonperceptual form that represents a meaning (ebd. 1992: 589).

      Dass der Mensch überhaupt zur Perzeption fähig ist, führt Mandler (2012: 422) auf die Verfügbarkeit einer Fähigkeit zurück, die sie als „perceptual meaning analysis“ (PMA) definiert. Mit PMA ist ein domänenübergreifender „single mechanism that uses a small set of path, motion, and spatial relation primitives to interpret spatiotemporal information“ gemeint, mit dem image schemas auf der Basis der räumlichen Perzeption aufgebaut werden (ebd.). Dieser Prozess basiert zunächst auf sensomotorischen Erfahrungen, die die Wahrnehmung und Kategorisierung der das Kind umgebenden Umwelt determinieren. Am Ende dieses Prozesses verortet Mandler (1992) die concept formation.

      Mandler differenziert drei Konzepte, die zentral für die kognitive Entwicklung des Kindes sind: das Belebtheits-, das Agentivitäts- und das Transitivitätskonzept. Kinder lernen zunächst, dass belebte Wesen in der Lage sind, sich eigenständig zu bewegen, wobei ihre Bewegungsrichtung non-linear verlaufen kann. Zudem sind belebte Wesen zur Interaktion mit anderen Objekten fähig, was Mandler als ‚Kontingenz ohne direkten physischen Kontakt‘ bezeichnet. Unbelebte Objekte tragen hingegen das Charakteristikum „caused motion“ (Mandler 2012: 434); eigenständige Bewegung ist ihnen nicht möglich, stattdessen müssen sie bewegt werden. Der Bewegungsverlauf ist dabei im Gegensatz zu belebten Wesen linear.5 Sobald diese einzelnen Konzepte ausgebildet sind, können sie in eine kausale Beziehung gesetzt werden. Dies ist der Grundstein zur Ausbildung eines Konzepts von Transitivität.

      Sobald Kinder verstanden haben, dass ihre Umwelt grob in belebte und unbelebte Objekte eingeteilt werden kann, setzen sie diese oppositionellen Konzepte zueinander in Beziehung, wodurch das Konzept der dichotomen Relation zwischen Agentivität und Nicht-Agentivität ausgebildet wird. Ausgehend von diesem auf Kausalität beruhenden Agentivitätsprinzip kann das abstraktere Konzept von Transitivität gefestigt und letztlich mit einer entsprechenden sprachlichen Form verknüpft werden. Kinder bilden somit prototypische transitive Handlungsmuster aus und verknüpfen diese dann mit passenden sprachlichen Mustern, vorwiegend mit prototypischen kanonischen Satzschemata. Form-function mapping heißt in diesem Zusammenhang, dass semantische Prototypen mit passenden formal-sprachlichen Prototypen verknüpft werden. Langacker (2000b: 25) zufolge ist diese Verknüpfung zwischen dem Handlungs- und dem Satzschema als „natural correlation“ zu verstehen.

      Die primäre Annahme für die sprachliche Entwicklung erster grammatischer Strukturen ist somit, dass eine semantische Rollendichotomie zwischen belebtem Agens und unbelebtem Nicht-Agens in Form einer dazu passenden grammatischen Struktur verpackt wird. Bereits Brown (1973) stellt für die frühen Spracherwerbsphasen fest, dass erste Kombinationen zweier nominaler Konstituenten (in Form von N+N) semantisch häufig ein Agens und ein Obejekt in Form einer kausalen linearen Handlung kodieren (zum Beispiel Kendall spider, vgl. Clark 2003: 169). Die Realisierung des Objekts vor einer agentivischen Rolle ist hingegen untypisch und kaum existent. Dieses Prinzip scheint sprachübergreifend zu gelten. Auch Tomasello (1992) weist nach, dass ein von ihm untersuchtes englischsprachiges Kind in der 3-Wort-Phase (mit ca. 19 Monaten) überwiegend Sätze mit einem belebten Agens und einem unbelebten Patiens verwendet, daneben wird vereinzelt auch ein belebtes Patiens gebraucht. Erst mit ca. 23 Monaten kommen Sätze mit unbelebtem Agens hinzu, wobei diese meist durch das neutrale Pronomen es beziehungsweise das Relativpronomen das repräsentiert sind. Sätze mit belebtem Agens und unbelebtem Patiens bleiben jedoch im gesamten untersuchten Zeitraum (19–23 Monate) in der deutlichen Mehrheit. Auch Hodeweg/de Hopp (2010) weisen anhand einer korpusanalytischen Auswertung für das Niederländische nach, dass Kinder bei transitiven Sätzen in 92 % der Fälle ein belebtes Agens gebrauchen. Sätze mit neutralisierter Belebtheitsopposition (also mit zwei belebten oder unbelebten Aktanten) kommen in nur gut 5 % der Fälle vor. Erste syntaktische Muster bilden somit prototypische transitive Handlungsmuster ab.

      Der Konstruktionstyp N>N umfasst nicht nur die von Mandler angenommene Abbildung kausaler transitiver Handlungsmuster, sondern bildet auch die von ihr postulierte Belebtheitsopposition der beiden Aktanten ab. Dies wirkt sich in der Folge auch auf den Erwerb und den Gebrauch von Kasusmarkern zur Kennzeichnung semantischer Rollen aus. Slobin (1985) verweist darauf, dass Kinder zunächst belebte Subjekte und unbelebte Objekte mittels morphologischer Mittel markieren und erst danach beginnen, untypische Kombinationen morphologisch zu kennzeichnen. Mandlers Annahmen über die Existenz prototypischer transitiver Schemata, die zugleich spezifische Rolleneigenschaften enthalten, lassen sich damit im frühen Spracherwerb nachweisen. Die Abfolge zweier nominaler Konstituenten (N>N) dient im Erwerbsprozess der Abbildung einer belebten agentivischen (= N1) und einer unbelebten nicht-agentivischen Rolle (= N2). Basierend auf der Etablierung eines prototypischen kanonischen Satzschemas finden dann auch schrittweise morphologische Formen ihren Einzug ins grammatische System. Das semantische Konzept (= Transitivität) wird so schrittweise auf sprachliche Strukturen gemappt.

      Wenn ein N>N-Schema für Kinder unterschiedlicher Sprachen die erste prototypische Kodierung des transitiven Handlungsschemas [+AGENS]>[-AGENS] darstellt, muss angenommen werden, dass die Verwendung von [-AGENS]>[+AGENS]-Strukturen erst später im Erwerb folgen sollte. Diese als O>S-Sätze charakterisierbaren Muster stellen zwar ebenfalls transitive Schemata dar, sind jedoch untypisch, weil sie den natürlichen Handlungsablauf von ‚AGENS → PATIENS‘ zu ‚PATIENS ← AGENS‘ umkehren. Die Abweichung von der prototypischen Konstituentenabfolge ist hierbei zwar funktional motiviert, da die Topikalisierung des Objekts zum Beispiel mit einer expliziten Hervorhebung einzelner Aktanten hervorgeht, muss jedoch als pragmatisch markierter Fall betrachtet werden. Hopper/Thompson (1980) sprechen in diesem Zusammenhang von einer ‚Diskursmotivation‘, die in eine Dichotomie zwischen Vorder- und Hintergrund mündet. Die Verfügbarkeit von vordergründigen und hintergründigen Informationen ist wiederum besonders im Gesprächsdiskurs relevant (hier ist auch der Anteil von OS-Struturen im Deutschen am höchsten, s. Schlesewsky et al. 2000). Die syntaktische Topikalisierung nicht-agentivischer Aktanten muss deshalb als ein Mittel der Hervorhebung betrachtet werden. Für Lerner einer Sprache (L1 oder L2) ist dieses Mittel damit erst relevant, wenn sie über die sprachlichen Ressourcen verfügen, um an längeren Gesprächen teilzunehmen. Das Mittel der Hervorhebung ist letztlich der Pragmatik zuzuordnen und sollte dazu führen, dass sich die umfassende Nutzung von O>S-Sätzen erst im fortgeschrittenen Erwerb entwickelt.

      Die Bidirektionalität zwischen Handlungs- und Satzschema ist nicht nur beim mapping von Formen auf Funktionen (also in der Produktion), sondern auch bei der Abbildung von Funktionen auf Formen, genauer in der Rezeption und Verarbeitung relevant. Das transitive Schema N>N bildet

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