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inspiriert.

      Carmentis verkündet nur frohe Nachrichten: Ino wird dem römischen Volk helfen, in RomRom71 immer zugegen sein und eine Seegöttin werden, wie Melikertes ein Seegott. Carmentis selbst verleiht ihnen ihre neuen Namen: Leukothea-Mutter MatutaMatuta; PortunusPortunus (er kümmert sich um den Hafen)-Palaimon72. In Bezug auf die lateinische Bezeichnung des divinisierten Melikertes, behauptet Frazer, „Portunus was a genuine old Roman god“73; diese Gottheit erscheint auch in AenVergilAen. V 240. V 240, wo er einem im Wettbewerb zu Ehren des verstorbenen Anchises kämpfenden Schiff hilft. Die Römer waren nicht sicher, ob Portunus’ Name aus portus oder aus porta abzuleiten war. Der schottische Gelehrte meint: „Portunus was primarily a god of gates (portarum) and only secondarily a god of harbours (portuum)“74. Seine Festspiele fanden am 17. August statt.

      Carmentis empfiehlt den neuen Göttern, RomRom gnädig zu sein. Wo sich Ovid an die guten Mütter in Vers 478 wendet und ihnen befiehlt, zu den Matralia zu gehen (ite), da weist Carmentis Mater Matuta und PortunusPortunus umgekehrt an, nach Rom zu gehen (ite, Vers 548) und der Urbs gnädig zu sein; Mater Matuta verspricht es. Auffallend in diesem Verfahren ist, dass der Vermittler dieser Divinisierung nicht ein Gott ist, sondern eine menschliche Priesterin, der ApollonApollon die Worte eingibt; sie ist es auch, die den beiden ihre Namen verleiht. Im Gegensatz zu Met. IV 539–542OvidMet. IV 539–542 gibt es in den Fasten keinen Reinigungsprozess. Die erste Frage nach der Identität von Mater Matuta sollte hiermit beantwortet sein.

      In den Fasten sterben Ino und Melikertes nie. Zunächst stürzen sie sich von einer Klippe ins Meer, aber Panope und ihre Schwestern retten sie, und sie überstehen den Sturz unbeschadet; daraufhin wollten die Mänaden das Kind den Armen der Mutter entreißen – eine Szene ähnlich wie in den Metamorphosen, in der Athamas Learchos aus Inos Armen reißt und tötet –, aber sie schaffen es dank der Hilfe von Herkules nicht; letztlich werden sie sofort gemäß der Vorhersage von Carmentis in Götter verwandelt.

       3’) Der Grund für die Ablehnung der Sklavinnen

      Ein bloßes Jawort – und Ovid bringt den Leser noch einmal in die Gegenwart. Der Dichter nimmt die Erzählung in die Hand und simuliert einen Dialog mit den vor dem Tempel der Göttin versammelten Gläubigen. Ovid will die dritte und letzte Frage beantworten, aber er ändert ganz und gar das ParadigmaParadigma, weswegen er zur Gegenwart zurückkehren muss: Er konnte nicht in der I-L-M-Version bleiben, wenn er diese Antwort mit der Hilfe der I-P-H-Version erklärt, obwohl weder Nephele noch ihre Kinder im Text erwähnt werden. Darüber hinaus ist die Erzählung sehr viel kürzer (nur zwölf Verse). Diese Antwort befriedigt überhaupt nicht. Frazer glaubt, „perhaps the prohibition was based on a general unwillingness, shared by Greeks as well as Romans, to allow slaves to participate in religious rites, which they were supposed to pollute by their presence“75. Dieser Forscher bietet auf derselben und der nachfolgenden Seite viele andere Beispiele von KultKulten, in denen die Anwesenheit von Sklaven verboten war.

      Ovid zufolge hasst Ino-Leukothea-Mater Matuta die Dienerinnen, weil eine SklavinSklavin zu Athamas’ Nebenfrau wurde. Der Aiolide wird als böswillig (improbus, Vers 555) beschrieben, wie es auch in den Gedichten der Anthologia Palatina76Anthologia PalatinaAP. IX 253 geschieht. Seine Liebe zu diesem Sklavenmädchen ist furtim (555), wie Athamas auch in anderen Texten Ino heimlich liebte, hinter dem Rücken seiner Frau Nephele77. Man kann sich fragen, wer für diese Liebe verantwortlich war: Athamas oder die Dienerin? Wer verführte wen?

      Die SklavinSklavin, deren Name nicht genannt wird78, ist diejenige, die Athamas Inos IntrigeIntrige enthüllt, mit anderen Worten, sie beschuldigt Athamas’ Frau des Komplotts mit dem gedörrten Samen. Aber es wird nicht gesagt, warum und gegen wen Ino intrigiert hat; dies muss allen bekannt gewesen sein. Dieser Bericht steht im Gegensatz zu den Erzählungen (Fast. II 628OvidFast. II 628), in denen Ino selbst den Samen verbrennt, und ist denen (Fast. III 853)OvidFast. III 853 ähnlicher, in denen die Samen durch den Betrug der Stiefmutter gedörrt werden. Ovid verwendet dieselbe Tradition von Theon, wie sie Stephanos von Byzanz überliefert hat79 .

      Ino leugnet die Tat80, aber die fama, nämlich das Gerücht, das Inos Geschichte nach der I-L-M-Version vorher verkündet hat, macht nun die I-P-H-Version bekannt. Fontenrose meint, diese Episode, wie die von Theon, sei möglicherweise die ursprüngliche Legende eines Mannes mit zwei Frauen; diesem Forscher gemäβ, „[it] probably represents a feature of the original legend in which the maidservant tried to influence Athamas against Ino either by telling some damaging truth about her or by deliberately lying“81; das heißt, dass die Dienerin sich nur wünscht, dass ihr Liebhaber sich mit seiner Frau zerstreitet, damit sie ihn ganz für sich hat.

       4’) Epilog: Das Gebet für die Nachkommenschaft der anderen

      Ovid beendet diese Geschichte mit der Erklärung des Kultes der Matralia: Mutter MatutaMatuta wird seltsamerweise nicht als Mutter verehrt – sie sah ihren Sohn Learchos sterben und versuchte ihren Sohn Melikertes zu töten –, sondern als AmmeAmme, die sich um ihren Neffen Bacchus gekümmert hat. Die Mütter müssen deshalb für die Kinder anderer Person und nicht für ihre eigenen Kinder beten. Ovid sagt nicht, wie Plutarch82, dass sie für die Kinder ihrer Gewister beten müssen, sondern nur für alterius (561). Normalerweise wird es so verstanden, dass man für die Kinder der Schwester beten müsse, denn Ino war gut zu Bacchus, es wird aber gemeinhin vergessen, dass sie an der Jagd und dem Zerreißen ihres anderen Neffens Pentheus beteiligt war83. Das Wort felix (560) „a ici le sens actif (= propitia) comme dans l’expression VenusVenus felix“84. Dass Ino nicht glücklich gewesen ist, wird auch von Porphirios erwähnt85.

      Der Text ist es wert, wie der in den Metamorphosen, ihn einer allgemeinen persönlichen Betrachtung zu unterziehen.

      In den zwei großen Teilen, hier erste und zweite Abteilung genannt86, gibt es einige Züge, die entweder als parallel oder als entgegengesetzt gelten. Ovid präsentiert zwei Könige, den einen im ersten Teil (Servius Tullius, römisch) und den anderen im zweiten (Evander, griechisch). Der Dichter hält sich für den Wahrsager des ersten Teils, nämlich der Gegenwart, wie Carmentis die Wahrsagerin des zweiten Teils ist, nämlich der Vergangenheit, der Zeit von Ino87. Jupiters Ehefrau erscheint als Juno im ersten Teil. Es wird angenommen, dass sie durch die FurienFurien agiert, die auch Ino angreifen, wie sie nachher selbst Herkules gegenüber zugibt; im zweiten Teil erscheint sie, sogar physisch, als Saturnia und agiert durch die Mänaden. Dieser letzte Punkt ist sehr auffällig. Bekannt ist der bacchische furor der Mänaden, der Dienerinnen von Bacchus88; hier aber geht es um Bacchus’ AmmeAmme selbst und ihren zusammen mit dem neuen Gott erzogenen Sohn, die sie töten wollen! Der berühmte Ausdruck der Metamorphosen (IV 428) wird hier m.E. ganz und gar erfüllt: Juno benutzt die Waffen ihres Feindes; dort bezog sich das auf den Wahnsinn, hier auf seine Anhängerinnen.

      Der einzige und bedeutsame Bezugspunkt zwischen dem zweiten und dem dritten Teil ist das Bild der Ino: Das Gerücht von Vers 527 stellt das positive Bild von Ino (I-L-M-Version) dar; der Ruf von Vers 557 präsentiert das negative Bild von Ino (I-P-H-Version). Ovid stellt beide Versionen zusammen, um zwei Eigenheiten des Kults von Mater Matuta zu erklären, aber er kümmert sich nicht darum, beide Erzählungen aneinander anzupassen: Er bietet sie nur nebeneinander dar und geht nicht weiter.

      Der Text ist voll von Anrufungen: die guten Mütter, Bacchus, der kleine Learchos, Melikertes; Ino ruft die Götter und die Männer des Landes an; Ovid nimmt noch einmal den Faden der Erzählung auf und ruft Ino an; sie aber fragt die Weissagerin (Carmentis), die wiederum ihre Gesprächspartnerin anruft89. In Met. IV 416–542OvidMet. IV 416–542 werden Tantalos, Sisyphos (vom Erzähler), Athamas’ Diener (vom Aioliden), Melikertes (vom Erzähler) und Neptun (von VenusVenus) angerufen.

      Die Gestalten, die sprechen – nie vor der Ankunft in Italien – und deren Worte überliefert sind, sind viele im Vergleich zu anderen Texten Ovids: Juno (als Saturnia) zu den Mänaden; Ino, zu den Göttern und den Männern des Landes; Herkules zu Ino (als Tante von Bacchus); Ino zur Weissagerin; Carmentis zu Ino und Melikertes.

      Ovid

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