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Trivium („dreifacher Weg“) umfasste die drei Fächer, die sich auf Sprache und Logik beziehen. Diese bildeten die Grundlage für die lateinische Wissenschaftssprache und wurden selbst auch in der lateinischen Unterrichtssprache vermittelt.

      Das Trivium umfasste

      1 Grammatik, vor allem die lateinische Sprachlehre und Beispiele lateinischer Autoren und die Analyse bedeutender literarischer Werke;

      2 Rhetorik als Redekunst, die Stillehre und Sprachunterricht beinhaltete, ebenfalls mit Beispielen bekannter antiker Autoren;

      3 Dialektik als Lehre vom logischen Denken.

      Zum Quadrivium („vierfacher Weg“) gehörten als Fortsetzung der sprachlichen Fächer des Triviums folgende Bereiche, die Teile der Mathematik umfassten und die harmonische Ordnung der göttlichen Schöpfung repräsentierten:

      1 Arithmetik als Zahlentheorie und praktisches Rechnen;

      2 Geometrie, die auch Geographie und Naturgeschichte umfasste;

      3 Musik, vor allem Musiktheorie als mathematisches Phänomen und Studium der Kirchentonarten;

      4 Astronomie als Lehre der Himmelssphären und ihre Auswirkungen auf den Menschen (Astrologie).30

      Cassiodor steht hier in der Tradition von Anicius Manlius Severinus Boethius, einem der ersten Scholastiker. Boethius verfasste mehrere Traktate, Lehrschriften, Übersetzungen und Lehrbücher aller vier Fächer des Quadriviums.

      In seinem Werk De institutione arithmetica (um 507) findet man erstmals den Begriff des Quadriviums zur Bezeichnung der oben genannten vier mathematischen Fächer.31 Diese Einteilung wurde für die mittelalterliche Schul- und Universitätsausbildung maßgebend. Hauptgewicht lag in der Schulbildung auf dem Trivium, oft blieb es beim Studium der Gramatica.32 Eine stärkere Einbeziehung der Rhetorik und Dialektik erfolgte dann erst in den Universitäten.33

      Abb. 1:

      Sieben freie Künste. In: Tübinger Hausbuch (um 1450). Bildnachweis: Tübinger Hausbuch. Handschrift. Universitätsbibliothek Tübingen, Md 2, fol. 320v. www.uni-tuebingen.de/uni/ndm/materialien/index.htmhttp://www.uni-tuebingen.de/uni/ndm/materialien/320v_Freie_Kunste.JPG

      I. 2 Musik im Unterricht des Mittelalters

      Der berühmte praxisorientierte Musikpädagoge Guido von Arezzo (um 992-1050) weist darauf hin, dass Boethius’ Werk „nicht für Sänger, sondern allein für Philosophen nützlich ist“.1

      Guido von Arezzo war Benediktinermönch im Kloster Pomposa bei Ravenna und prägte als musikpädagogische Autorität, als Lehrer und Praktiker wie kaum ein anderer den zeitgenössischen Unterricht. Er schuf die Grundlagen für den heutigen Umgang mit musischen Elementen im Unterricht: Die Einheit von Schule und Kirche war zentral für das mittelalterliche Schulleben. Als Mönch entwickelte Guido von Arezzo mehrere unterrichtsmethodische und musikpädagogische Prinzipien. Dabei folgte er dem Bildungsideal des Mittelalters, Gott singend zu loben. Auch der sprachliche Lehrstoff wurde in Versen dargeboten, danach von den Schülern singend vorgetragen und eingeprägt.2

      Die feststehende Gottesdiensttradition folgte dem Gesangsrepertoire der Gregorianik und des Gregorianischen Chorals.3 Die Aufzeichnung von „Musik“ erfolgte durch Neumen, die aus waagerechten Strichen, Häkchen und Punkten bestehenden frühmittelalterlichen Notenzeichen. Dabei wurden die Handbewegungen des dirigierenden Chorleiters nachempfunden, mit denen man die einstimmigen Gesänge aufzeichnete. Hierbei wird der Melodieverlauf, also das Steigen oder Fallen, angezeigt, ohne jedoch die exakte Tonhöhe und Zeitdauer anzugeben.4 Die Neumen könnten somit auch als ein mnemotechnisches Hilfsmittel für den Kantor bei seinem Sprechgesang im Gottesdienst betrachtet werden.5 Als Teil der mündlichen Überlieferung stellten die Neumen kein eigenständiges Notensystem dar. Guido von Arezzo legte hiermit den Grundstein für die heutigen Notenlinien, bei denen die Tonhöhe angezeigt wird. Er schafft damit die Grundlage für die europäische Tonbenennung mit dem Verfahren der Solmisation, ein auf die Tonsilben des Hexachords (Ut, re, mi, fa, sol) aufbauendes System relativer Tonverhältnisse. Guido von Arezzo schlägt vor, für jeden Ton einen bekannten Gesang auszuwählen, der mit diesem Ton beginnt und dies als musikalische Gedächtnisstütze zu nutzen. Dabei verwendet er die bekannte und erfolgreiche Melodie des Johanneshymnus.6 Das Erlernen der Tonsilben, die den Anfang des Hymnus bilden, diente als Übung für das Singen vom Blatt:

Ut7 queant laxis Auf dass mit lockeren Stimmbändern
Resonare fibris singen (zum Klingen bringen) mögen
Mira gestorum von den Wundern Deines Tuns
Famuli tuorum Deine Schüler
Solve polluti löse der sündhaften
Labii reatum Lippe Schuld
Sancte Iohannes. Heiliger Johannes.

      Georg Lange behandelt das Thema in seiner Dissertation Zur Geschichte der Solmisation und schlägt folgende Übersetzung vor: „Damit die Diener die Wunder Deiner Thaten mit beruhigtem Herzen singen können, so löse die Schuld des sündigen Mundes, heiliger Johannes.“8

      Die romanischen Sprachen haben bis heute das Guidonische System beibehalten.9 Das deutsche Notensystem orientiert sich an der mittelalterlichen, alphabetischen Tradition. Durch seine praktischen Erfahrungen als Chorleiter kreierte Guido von Arezzo ein mnemotechnisches System mit dem erkennenden Auge als visuellem Mittel, der bezeichnenden Sprache als Merkvers bzw. -melodie, begleitet von der zeigenden Hand.10 Das Zeichensystem der Guidonischen Hand11 zur Unterstützung des Gedächtnisses folgte der Idee, dass jeder spezifische Teil der Hand, also Fingerspitzen und -gelenke, den sechs Stufen der Tonleiter ut-re-mi entspricht.

      In der folgenden Abbildung12 ist nicht nur die Guidonische Hand aus dem 13. Jahrhundert abgebildet, sondern auch die Lehrperson, die eines Klerikers, vermutlich Guido von Arezzo (Abb. 2).13 Seine linke Hand ist überdimensional vergrößert und die rechte Hand zeigt darauf. So konnte im zeitgenössischen Unterricht der Lehrer mit dem Zeigefinger14 der rechten Hand exakt die Position der Tonfolge auf der linken Handfläche angeben. Im Außenkreis sind im Uhrzeigersinn die Solmisationssilben in Leserichtung von unten nach oben erkennbar. Im über der Hand stehenden Text des Caput VI seines Musiktraktats beschreibt der Autor die Überlegenheit der guidonischen Musiklehre15 und verkörpert somit einen Metatext, da die Figur nicht nur theoretische musica vermittelt, sondern auch aktiv zum richtigen Singen anleitet.

      Die Guidonische Hand verbindet akustisch-artikulatorische Komponenten (das

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