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beugte sich konzentriert über ihr Telefon.

      Michel staunte, mit welcher Geschwindigkeit sie darauf eintippte. Und wie kam sie damit überhaupt in die entsprechenden amtlichen Listen?

      Sie blickte auf.

      Nein, unter seinem Namen ist kein Schiff eingetragen.

      Sie steckte ihr Smartphone weg.

      Das heißt natürlich noch nichts. Er könnte trotzdem auf einem Schiff gewesen sein, oder es ist unter einem Firmennamen einge­tragen. Oder er hat es gemietet.

      Sie blickte auf.

      Was schauen Sie mich so komisch an? Ich habe nichts Illegales getan oder, sagen wir, nichts Schlimmes. Die Listen sind ja nicht geheim.

      Michel verzog seinen Mund.

      Sind Sie eine Hackerin?

      Jetzt verdrehte sie ihre Augen.

      Was heißt hier Hackerin? Jeder, der Informatik studiert, weiß, wie man in Systeme reinkommt und so. Sobald man technisch ein System durchschaut, ist das ja auch ein Kinderspiel. Die meisten Sachen sind so banal, also das ist kein Hexenwerk.

      Michel lachte.

      Gut zu wissen.

      Lena lachte auch.

      Wissen Sie, die meisten Menschen machen sich ein ganz falsches Bild von einem Hacker. Ein Hacker ist in erster Linie jemand mit einer großen technischen Neugierde. Wie soll ich Ihnen das erklären? Ein bekannter Computeraktivist hat einmal gesagt: Ein Hacker ist jemand, der versucht, einen Weg zu finden, wie man mit einer Kaffeemaschine einen Toast zubereiten kann. Ein Hacker will wissen, wie etwas funktioniert und wo die Grenze des Machbaren liegt. Zufrieden?

      Michel hob die Hand.

      Nicht ganz. Es gibt ja auch kriminelle Hacker.

      Ja, das ist klar. Und genau deswegen braucht es auch leidenschaftliche Hacker, die in der Lage sind, Sicherheitsmängel aufzuzeigen, ohne dass sie die Kenntnisse zu ihren eigenen Vorteilen ausnutzen. Die Firmen, vor allem Banken und Regierungen, können dann ihre Sicherheitsmaßnahmen danach ausrichten, bevor ein krimineller Hacker die Lücke ausnutzt.

      Michel bestellte noch einen Espresso.

      Wenn Sie wollen, zeige ich Ihnen einige grundlegende Kniffe.

      Michel winkte ab.

      Dafür sind Sie zuständig. Aber danke.

      Okay. Und was machen wir jetzt?

      Sie rufen jetzt Frau Beckmann an und bieten ihr an, sie ins Gerichtsmedizinische Institut zu begleiten.

      Lena machte ein verdutztes Gesicht.

      Geben Sie ihr zu verstehen, dass Sie das ohne mein Wissen machen, weil Sie denken, dass das für sie doch ein sehr schwieriger Gang sein würde und dass sie vielleicht lieber mit Ihnen als mit mir gehen würde. Verstehen Sie? Schmieren Sie ihr ein bisschen Honig aufs Brot, wenn Sie verstehen, was ich meine.

      Ist das jetzt auch ein Kniff?

      Michel setzte sein unschuldigstes Gesicht auf.

      Wie kommen Sie darauf? Jemand muss sie doch begleiten.

      Fünf

      Michel betrachtete stirnrunzelnd das auf Hochglanz polierte ­Na­mensschild. Es handelte sich um eine der vornehmen Anwalts­so­zie­täten in der Hauptstadt. Anwälte, Notare, Treuhänder, Steuer- und Finanzspezialisten. Einige Professoren, viele Herren oder Da­men mit Doktortiteln waren darunter. Michel pfiff durch die Zähne.

      Genau die Sorte, die ich liebe.

      Den Namen Beckmann fand er allerdings nicht. Er prüfte noch einmal die Adresse in den Unterlagen, die seine Assistentin im Auftrag des Chefs zusammengestellt hatte. Er war am richtigen Ort. Er zuckte mit den Achseln und klingelte. Bevor die Tür sich mit einem leisen Surren öffnete, versuchte er sich vorzustellen, wie Lena mit Frau Beckmann im Gerichtsmedizinischen Institut eintreffen würde.

      Was für ein genialer Schachzug!

      Er klopfte sich gedanklich auf die Schultern. Es befreite ihn vom unangenehmen Gang zur Identifizierung der Leiche und gleichzeitig von Lenas Anwesenheit, die ihn nervös machte.

      Er betrat das Gebäude. Über eine knarrende Treppe ging er in den ersten Stock, wo sich die Anmeldung befand.

      Ein Schild an der Tür forderte zum Eintritt auf. In einem kleinen Vorraum saß eine schlanke Frau im weißschwarzen Kostüm – sogar als Modemuffel erkannte er Chanel. Sie hatte wilde rote Haare, die wie die untergehende Sonne leuchteten. Als sie sich umdrehte, hielt er spontan eine Hand hoch.

      Mein Gott, ihre Haare blenden mich ja.

      Sie lachte.

      Na, na, so schlimm wird es doch nicht sein. Was kann ich für Sie tun? Sie kommen ja nicht, um mir Komplimente zu ma­­­chen.

      Sie war nicht mehr ganz so jung, wie sie von hinten wirkte, aber sie war außerordentlich attraktiv und hatte ein bezauberndes La­chen, kurz: Sie war der ideale Empfang, der zumindest den Herren das Herz sofort öffnete.

      Nein, nein, ich komme wegen Herrn Beckmann.

      Er wählte bewusst diese etwas unkonkrete Formulierung.

      Sie runzelte ihre schöne Stirn.

      Aber Herr Beckmann ist doch schon seit gut, äh … vier Jahren oder … nicht mehr bei uns. Vielleicht sind es auch mehr. Da müsste ich jetzt nachschauen.

      Jetzt war er wirklich überrascht und sah wohl sehr verdutzt drein.

      Die Empfangsdame erhob sich.

      Tut mir sehr leid, dass Sie extra hergekommen sind.

      Soweit zur Genauigkeit der Unterlagen, liebe Lena.

      Michel fing sich wieder.

      Aha, und wo arbeitet er jetzt?

      Das kann ich Ihnen nicht sagen, Herr …

      Michel zückte seine Dienstmarke und nannte Name und Abteilung.

      Jetzt war es an ihr, verdutzt zu sein. Aber nicht aus dem Grund, den Michel meinte.

      Sie kam auf ihn zu, lächelte und streckte ihm ihre Hand entge­gen.

      Mein Gott, das gibt’s ja nicht. Serge, erkennst du mich denn nicht? Wir sind doch zusammen zur Schule gegangen. Ich habe dich zuerst auch nicht erkannt, aber jetzt natürlich, als du deinen Namen nanntest.

      Sie schlug die Hände zusammen.

      Mein Gott, das ist ja auch ewig her. Du warst damals so dünn …

      Sie hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund und wurde rot im Gesicht.

      Entschuldige Serge, das war jetzt nicht sehr diplomatisch.

      Michel war ziemlich verwirrt, denn er konnte sich überhaupt nicht erinnern.

      Entschuldigen Sie, aber … ist das vielleicht eine Verwechslung?

      Sie lachte.

      Nein, nein, ich bin Marlene. In der Schule nannte man mich Mali. Wir waren beide bei der Meyerhofer in der Primarschule. Weißt du nicht mehr?

      Langsam dämmerte es Michel. Er sah vor sich ein mageres, rothaariges Mädchen mit vielen Sommersprossen.

      Ja, ja, jetzt erinnere ich mich. Das war wie in einem anderen Le­ben. Du hattest Zöpfe und tausendundeine Sommersprosse, stimmt’s?

      Ja, genau. Ich habe sehr unter diesen Sommersprossen gelitten und alle möglichen Cremes und todsicheren Rezepte ausprobiert. Es half alles nichts. So ab sechzehn Jahren wurden sie dann von alleine heller und immer heller – und jetzt sieht man sie fast gar nicht mehr.

      Sie lachten beide. Dann wurde sie wieder ernst.

      Was willst du denn vom Beckmann?

      In diesem Moment betrat

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