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der Form von Streichungen und Randbemerkungen wie «Irrthümlich», «Mistake», «Nicht wahr», «nicht richtig erzählt» etc. Er korrigierte auch Namen von Freunden und notierte kurze Erklärungen von der Art «Eine Slough ist kein Jungle» oder «In California gab es keine Buffalos mehr». Auf Seite 11 schrieb er: «Mein Freund Leemann hat zimmlich viele Ihrrthümer gemacht, den schlimsten, dass er schrieb, ich habe mich im Intressen für die Mexikanische Regierung gegen die Vereinigten Staaten anwerben lassen, es ist gerade das Gegentheil davon der Fall.» Sein Fazit auf der letzten Seite drückt Enttäuschung und Resignation aus: «Ich habe die voran gedruckten Zeilen zimmlich durchgelesen und finde leider zimmlich Vieles, was nicht ganz mit dem Manuskript recht übereinstimmt, welches ich bedaure.»

       A Pioneer at Sutter’s Fort, 1846–1850

      Marguerite E. Wilbur stand 1930 kurz vor der Herausgabe ihrer Übersetzung von Leemanns Buch, als sie auf der Suche nach biografischem Material erfuhr, dass sich Lienhards Manuskript in Familienbesitz in den USA befinde. Lienhards Sohn Adam H. Lienhard stellte es ihr daraufhin zur Verfügung, und 1841 erschien ihr Buch «A Pioneer at Sutter’s Fort». Es umfasst Lienhards Aufenthalt in Kalifornien von 1846 bis 1850, ohne die Reise in die Schweiz 1849/50. Obwohl Wilburs Bemerkung auf der Titelseite «From the original German Manuscript» hinsichtlich Textbearbeitung und Übersetzung einige Fragen offenlässt, gilt das Buch bis heute als originalgetreue Wiedergabe von Lienhards Text. Dies ist jedoch nur in beschränktem Mass der Fall.

      Wilbur sah sich angesichts von über hundert Manuskriptbogen wie Leemann gezwungen, massive Kürzungen vorzunehmen. Von ihren Auslassungen merkt sie rund 80 an, nennt deren ungefähren Umfang (von einigen Zeilen bis zu 13 Bogen) und gibt kurze Begründungen von der Art: «Unwichtige Details auf den Bogen 122 und 123 über Abecks früheres Leben und seine eigene Krankheit wurden ausgelassen»; «Einige irrelevante Details über Dürrs Aufenthalt in Fort Laramie auf Bogen 149 und 150 wurden ausgelassen»; «Auslassung auf Bogen 157 über die Schwierigkeiten, Gold zu verstecken»; «Bogen 131, 132 und 133 wurden weitgehend ausgelassen. Diese beschreiben das Niederbrennen von Lienhards Hütte [es war die Hütte der Indianer], seine Unterstützung des deutschen Deserteurs, Schwierigkeiten mit seinen indianischen Arbeiterjungen (‹servants›), Dieberei der Indianer, Spiele der Indianer und Beschreibungen der in dieser Umgebung lebenden Tiere».

      Der aus dem Manuskript übernommene Text folgt dort dem Original, wo er Wilburs Editionsziel entspricht. Die Übersetzung ist sehr frei und verkürzt den Originaltext im Verlauf des Übersetzens nach Möglichkeit weiter. Dazu gehört unter anderem, dass Sätze, in denen Lienhard sich Gedanken zu einem erzählten Ereignis macht oder seine Meinung darlegt, weggelassen sind. Wilburs eigene Ergänzungen, mit denen sie fehlenden Text überbrückt, sind oft ungenau. Auch bei ihr geht durch die Auslassungen gelegentlich die Übersicht verloren, und die Folgen sind wie bei Leemann Verwechslungen verschiedenster Art. Unzutreffend übersetzte Wörter lassen auf Transkriptionsprobleme schliessen. So wird zum Beispiel Lienhards «Zoffingen» [Zofingen] zu «Zollfinger», und wo er gut lesbar «Sturzenecker» schreibt, korrigiert Wilbur dies aufgrund einer amerikanischen Quelle richtig zu «Sturzenegger», merkt dann aber an: «Lienhard nennt ihn ‹Hurzenwecker›.»

      «A Pioneer at Sutter’s Fort» reflektiert den fatalen Umstand, dass Wilburs Editionsziel nicht mit Lienhards Schreibintention übereinstimmte, ja dieser geradezu entgegengesetzt war. Sie erläutert ihre Prioritäten in der Einleitung wie folgt: «Viele Abschnitte erwiesen sich von geringem historischem Wert und wurden in der folgenden Übersetzung weggelassen. […] Langatmige Beschreibungen von Tieren, von Landschaften, von Flora und Fauna, Lienhards persönliche Stimmungen und Gefühle sowie unbedeutende alltägliche Ereignisse, die nichts zum Hauptthema beitrugen, wurden weggelassen. Alle Erwähnungen von Männern und Ereignissen im Zusammenhang mit der kalifornischen Geschichte wurden vollständig beibehalten.»

      Lienhard hatte jedoch weder die Absicht, noch erhob er den Anspruch, über die Geschichte Kaliforniens zu berichten, wenigstens nicht in dem Sinn, wie Wilbur dies vorschwebte. So übergeht sie sämtliche 13 Bogen, auf denen Lienhard über seine indianischen Nachbarn im oberen Sacramento-Tal – Nachkommen und Vertreter jahrtausendealter Kulturen Kaliforniens – berichtet, desgleichen die meisten anderen Textstellen, in denen er von seiner Zusammenarbeit mit den indianischen Kindern und Jugendlichen erzählt, die ihm Sutter als Gehilfen zur Verfügung stellte. Lienhard schrieb persönliche Erinnerungen, und es versteht sich, dass sein «Hauptthema», wenn denn überhaupt eines, er selbst, seine Interessen und Erlebnisse waren. Mit anderen Worten, im Zentrum seines Erzählens stand all das, was Wilbur nicht interessierte: Lienhards Freude an der Natur, die reiche Flora und Fauna Kaliforniens, die Indianer und ihre Lebensweise, seine Schweizer Freunde und Bekannten, denen er in einer Reihe von eindrücklichen Porträts ein Denkmal setzt, sein treuer Hund Tiger, sein Pferd Jonny, das wie er selbst die Freiheit über alles liebte, und schliesslich die vielen kleinen alltäglichen Freuden und Leiden bei seiner Arbeit in und um Sutters Fort. All dies aus einem Erinnerungswerk wegzukürzen, ist paradox. Letzteres gilt auch für die Tatsache, dass Wilbur, nachdem alles Persönliche getilgt war, ausführt, ein «besonderer Reiz» von Lienhards Bericht sei seine «merkwürdige Distanz» als Erzähler, indem er «mehr wie ein neugieriger Zuschauer erscheine als wie ein aktiver Teilnehmer am Tun und Treiben der Zeit».

      Lienhard wird mancherorts nicht verziehen, dass er in seinen Erinnerungen durchaus nachvollziehbar beschreibt, wie sein Idealbild von Sutter während der Zeit, als er für ihn arbeitete, langsam Risse bekam. Tatsache ist, dass jedermann, der sich länger im Fort aufhielt, und auch bekannte Personen ausserhalb wie Bidwell, Vallejo und Larkin wussten, dass von den Kindern und Jugendlichen, die Sutter sich aus den Bergen zur Arbeit und Weitervermittlung zwecks Schuldentilgung bringen liess, nicht alle jungen Indianerinnen nur nähen und kochen lernten. Bloss wurde darüber nicht offen gesprochen, geschweige denn von einfachen Leuten wie Lienhard darüber geschrieben. Sutters Einfluss war zu gross, als dass man dies gewagt hätte, zumal es sich «nur» um Indianerinnen handelte.

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