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könnte einer an die Agnese denken», sagte langsam die Alte und zwinkerte mit den Augen. Die Sciora hatte auch schon daran gedacht, das Übel komme aus der Wirtschaft der Agnese, denn wer im ganzen Dorf, bei der spärlichen Ernährung der Menschen, konnte eine solche Menge Unrat schaffen, wenn nicht die Wirtschaft der Agnese? Sie rief also, froh über die Entdeckung: «Nun, dann ist es eben der Junge der Agnese, der den Streich gespielt hat!», worauf die Teresa mit Sybillengesicht antwortete: «Eben nein, denn ihr Kübel ist voll. Ich hatte nur ge­dacht, es könnte sie sein, sie ist es aber nicht.»

      Es tat ihr sichtlich leid, dass es nicht die Agnese war. Es hätte die Alte gefreut, der Agnese etwas Böses nachweisen zu können, dieser Agnese, die ohne zu arbeiten, so viel Geld verdiente. Ja, war das überhaupt verdient? Nahm sie es den leichtsinnigen Männern, die den Abend in ihrer Wirtschaft verbrachten, nicht einfach ab? Schade, dass es nicht die Agnese war!

      «Auch hat es ein ganzer Mann geschafft, nicht bloß ein Junge», fügte sie laut und drohend ihren Gedanken hinzu.

      Aus der Stille, die diesen Worten folgte, hörte die Sciora die beschwichtigende Stimme des Küsters: «Es ist ein nächtlicher Bubenstreich, ein nächtlicher Bubenstreich … nichts anderes.»

      Darüber erregt sich die Teresa aufs Neue und fängt wieder an. Sie steht dem kleinen, beladenen Mann gegenüber wie eine alte Römerin: «Nichts als Banditen habt ihr im Dorf; wo ist ein einziger Gentiluomo, frage ich? Nichts als Banditen und Räuber. So sind die Alten, so werden die Jungen. Keine Zucht, keine Ordnung, keinen Respekt. Wie stehen sie alle herum, den lieben langen Tag, die Haare schön gescheitelt oder aufgetürmt, in roten oder blauen Jacken, die sie drunten im Bazar gekauft haben und die nichts wert sind: nur um den Mädchen zu gefallen. Keiner tut etwas Rechtes, nichts als Unfug haben sie im Kopf, nichts als Bosheiten. Oh, Banditen … Banditen!»

      Sie zetert auf den Mann los, der klein und schmächtig vor ihr steht, von seiner Last fast zu Boden gezogen. Er wirft von Zeit zu Zeit schüchtern dazwischen: «Bubenstreiche … nächtliche Bu­ben­streiche … sonst nichts! Nichts Ernstes.» Sie kreischt: «Was, nichts Ernstes? Du nimmst sie noch in Schutz? Schäme dich … Schämen sollst du dich! Sonst nichts? Eine Beleidigung ist es, ein Tort für meine Sciori, eine Vendetta, sage ich!» Bei dem Wort Vendetta bekommt sie einen wilden Glanz in die Augen.

      Teresa hatte sich in ihrem Ställchen droben über Mittag überlegt: Wenn die Tat, die ihr einen Teil ihres Heues verdorben hatte, als auf die Sciori gemünzt auf diese abgeschoben werden könnte, wenn sie, kurz gesagt, als Ärgernis für die Reichen von irgendeinem Armen gedacht und getan war, so mussten eigentlich die Sciori für das verdorbene Heu aufkommen. Ist das klar? Ja, das ist klar. Es war also sicher das Klügste, die Beleidigung nicht persönlich aufzufassen, wie sie es am Morgen spontan ge­tan, sondern sie den Sciori zu überlassen. Diese Sciori, denen es ja eigentlich gehörte, dass man sie plagte, wo man konnte, diese Sciori … so Zugelaufene … Fremde … Eindringlinge. Heute war es aber klug, diese Eindringlinge als ihre Sciori und den Tort als ihren Tort zu verkünden. Also schrie sie weiter:

      «Meine Sciori können sich mit Recht beklagen über die schlechten Sitten hier im Dorf. Da kommen sie von weit her aus einer großen Stadt und beehren uns damit, unser bescheidenes Tal schön zu finden, so schön, dass die Sciora viele Monate im Jahr lieber hier als in der großen Stadt verweilt. Und nun dankt man ihr die Liebe zum Land so? Nicht genug, dass die Burschen ihre Garagentür vollschmieren mit unanständigen Zeichnungen, die man besser nicht anschaut. Nicht genug, dass sie am Abend vor der Garage Lieder singen, die die Sciora zum Glück nicht ganz versteht. Jetzt gehen sie und verpesten die Luft um den Pa­lazzo, dass man krank werden kann davon. Die Banditen sollte man einsperren … einsperren.»

      Teresa fühlte, sie mache ihre Sache gut. Nach dieser langen Rede wurde sie ruhiger. Sie hatte alles gesagt, was sie für klug hielt. Von dieser Grundlage aus konnte sie später weitergehen, um die Sciori zu bewegen, ihr das verdorbene Heu, das ja wegen ihnen verdorben worden war, zu ersetzen. Sie stieg in den Garten hinauf, um den Fall nun still, unter Frauen, mit ihrer Sciora zu besprechen. Denn dass der Täter gefunden werden muss, ist klar. Das ganze Dorf wird nicht ruhig sein, bis man den Mann gefunden hat. Wer ist es? Darüber wird die Alte still. Nur ihre Augen wandern rasch hin und her, als ob sie am Boden Ameisen zählen würde. Sie kombiniert etwas.

      Die Sciora, die die Sache für heute beschließen möchte, sagte nun, sie fahre morgen ins große Dorf hinunter und werde den Vorfall dem Landjäger melden, denn, obschon es ja hier im Garten nicht mehr rieche (das stimmt nicht ganz, aber sie sagt es, um die Teresa etwas zu ärgern, denn sie kennt die Alte und weiß, wie sehr sie sich im Grunde freut, dass die Sciori auf so peinliche Art gestört worden sind), also, obschon es im Garten nicht mehr rieche, so müsse doch für später gesorgt werden, dass solche Bubenstreiche nicht wieder vorkommen. Zäh wehrt sich noch die Teresa: «Oh, Sciora, es sind nicht Bubenstreiche, es ist Vendetta … Vendetta!»

      Maurilio, der Küster, hatte den ganzen Tag unter der glühenden Sonne Wasser getragen. Endlich kam der Abend. Er hatte seine Glocken zum Ave zu läuten und tat es an diesem Tage manierlich. Er läutete nur, um die Zeit anzugeben und die Frommen zum Ave einzuladen, wie es gemeint war, und nicht, um seine Mitmenschen in Verzweiflung zu bringen, wie er das seit einiger Zeit betrieb. Sein Läuten war dann ein grelles Anschlagen der Glocken, als ob er zum Sturm läuten wolle, so dass die Hunde in lautes Gejammer verfielen und die Menschen, wenn das Gellen in der Luft immer noch kein Ende finden wollte, die Hände sinken ließen und einen Fluch zum Himmel schickten, aus welchem der Lärm kam. Besonders gefürchtet waren die Läutereien des Maurilio am frühen Morgen, um fünf Uhr. Es konnte aber auch vorkommen, dass es kaum über vier Uhr war. An schlafen war dann für längere Zeit nicht mehr zu denken. Denn kaum war das eine Geläute endlich in der kühlen Luft verzittert, begann ein neues. Die Köchin Marta sagte oft zu der Sciora, dieses Läuten werde ihr den Tod bringen. Jedermann wisse, wie spät sie einschlafe, oft erst gegen den Morgen. Kaum schlafe sie, gehe das Gelärme los und höre nicht auf, bis es Zeit sei, nach den Tieren zu schauen. Sie wisse es, daran werde sie sterben. Die Glocken würden sie unter die Erde bringen. An diesem Abend aber läutete Maurilio, wie es sich gehört, kurz und deutlich. «Aha, er ist müde», dachte die Teresa halb bedauernd und halb schadenfreudig, «es ist auch nicht verwunderlich, nach diesem schweren Tagewerk. Er, der sonst nichts tut, mag es spüren.»

      Nach dem Ave, die Sciora saß vor dem Haus, erschien die Köchin Marta mit dem halbvollen Kehrichtkübel, begleitet von ihrer kleinen Tochter und dem Zimmermädchen aus der Stadt. Sie wollen schnell zum Wasserfall gehen, um den Kehricht zu leeren. Sonst schob sie dieses Geschäft hinaus, bis der Kübel seinen Inhalt nicht mehr fassen wollte und als Kranz rings um sich her verstreute. Heute überwog aber die Neugierde die Faulheit und so zogen die drei mit dem kleinsten Hund davon auf dem Wege zum Wasserfall, der am Mäuerchen vorbeiführt. Ver­wundert sah die Sciora zuerst den Dackel in gestrecktem Lauf zurückkommen und sich in seiner Hütte verkriechen. Dann erschien die kleine Marietta mit glänzenden Augen wegen des Ungebührlichen, das sie gesehen, dann die Marta mit verwehten Löckchen und roten Flecken auf den Wangen vor freudiger Empörung und zuletzt das ganz blass gewordene Zimmer­mädchen aus der Stadt. Sie blieben vor der Sciora stehen und schwatzten alle durcheinander. Es rieche noch sehr arg dort unten, denn viele Stellen seien immer noch ganz bedeckt mit der Sache. Maurilio habe es wohl nicht gesehen, da es versteckt gegen den Wasserfall zu liege. Er werde auch morgen noch viel Wasser tragen müssen, der Ärmste! «Aber Sciora, wer hat es denn getan? Was meinen Sie, wer hat es getan?», wollten alle drei wissen. Die Sciora schüttelte lachend den Kopf. Dann hieß sie die Neugierigen nun an etwas anderes denken. Sie finde, es sei jetzt genug über die Sache gesprochen worden. Morgen sei auch wieder ein Tag, um sich daran zu freuen. Und miteinander gingen sie ins Haus.

      Die Nacht brach ein. Von hier und dort tönte das Dängeln der Sicheln wie Glöcklein durch die Stille. Etwa hörte man ein Lied in der sanften Nacht, obschon es dem Pfarrer ein Ärgernis, singen zu hören. Singen und tanzen sind des Teufels. Dann verstummte alles. Die Sciora wunderte sich oft, wie ängstlich die Menschen hier in ihre Häuser flüchteten vor der Dunkelheit. Und doch waren die Nächte so schön. Sie stand am Fenster und schaute nach den Sternen, denen sie eigene Namen gegeben hatte: der Blaue, der Funkelnde, der Zwitschernde, der Flötenspieler, der seine Strahlen wie Honig heruntertropfen ließ, die Kuh, die

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