Скачать книгу

s’ mir net an! Die hat so redlich d’ Stunden zeigt, die voller Freud und die voll Kümmernis …«

      »Alt is s’«, kommt es in lauernder Güte zurück, und ein förmliches Streicheln schwingt mit in der Stimme: »Schau, am Zifferblatt kannst kaum die Rosen mehr sehen, die aufg’malt g’wesen sind, da im Eck. Und d’ Zeiger wackeln, d’ G’wichtschnur rutscht …«

      »Und dennoch arbeit s’ fleißig fort und macht so g’schäftig dipp und dapp.«

      »Sie irrt sich freili g’nua dabei –«

      »Aber lasst net aus! Ob s’ z’ fruah geht oder z’ spät, Herrschaftszeiten!«

      Er schützt die Uhr, er steht und weicht nicht zurück vor dem drängenden Feind, der sie ihm würde anhalten wollen, und alles müsste stille stehen im nämlichen Augenblick und für immer. Das große Fürchten kriecht wieder in ihn.

      Der Andere kichert: »Du g’freust dich halt, dass s’ überhaupts noch geht, gell. Und siehst ihr all ihre Fehler nach und hoffst dabei, dass dir die kommenden Jahr akkrat so alles nachg’sehen werdert, wenn bei dir die Zeiger wackeln und d’ G’wichtschnur rutscht«, und biegt sich vor Lachen über den eigenen Scherz.

      »Lass nur mir getrost alle Sorg, wie ’s weitergehen soll«, fleht der Alte und streckt ihm mutig die Hand hin:

      »Gilt’s? Schlag ein!«

      Nickend und ob seines Scherzes noch kichernd, will der Rauschige brav gedankenlos in die Hand schlagen, doch im letzten Moment packt es ihn, was er da tut, es reißt ihn und er torkelt zurück:

      »Naa naa, nix gilt! Sei doch g’scheit. Schau, ich könnt sie ja anhalten, einfach so, auf Ja und auf Nein!«

      Und er hebt seine Hand und streckt sie gegen das hackende Pendel. Ums Haar hätte der Brandner ihm den Arm heruntergeschlagen, wäre sein Entsetzen nicht gar so groß gewesen. So schreit er nur aus seiner höchsten Not:

      »Boanlkramer! Weißt du, was du da tust –?!«

      »Und du? – Weißt denn du, wohin dass du derfst?«, ist die milde Antwort, sonst nichts. Feierlich hebt er beschwörend die Hand hoch empor, und augenblicklich erklingt wieder die ferne, verlockende Himmelsmusik und erfüllt die Stube. Sie dringt förmlich ein in den Kaspar, tief in sein Herz, kein Widerspruch ist ihm mehr möglich und kein Streit, er kann nur noch flehen:

      »Boanlkramer, ich bin zufrieden allhier! Weißt du net, was des heißt: Zufrieden sein? Mit dem, was is, und dem, was man hat! Kennst net das Lied vom Zufriedensein?«

      Weil keine Antwort erfolgt, beginnt er mit seiner kratzigen, alten Stimme über das himmlische Klingen hinweg aus der tiefen Verzweiflung heraus dem schwarzen Bedränger sein liebstes Gstanzl vorzusingen, wie eine Beschwörung:

      »Nix han i und doch leb i halt

      mit Gottes Gnad.

      Und ’s Leben oft ein’ net besser g’fallt,

      der ebbes hat –«

      Den scheint der Gesang nicht zu bewegen, er macht ihn nur schläfrig. Er plumpst in den Lehnstuhl und murmelt, indem seine Lider klappern:

      »Kaspar, du derbarmst mich. Mach mir’s doch net gar a so schwer.«

      Ich hab ihn beinah so weit, denkt der Brandner. Wie nütz ich den Rausch aus, wie bring ich ihn fort, eh er mir einschläft und beim Erwachen sich als unerbittlich erweist? Ob er mir geht, wenn ich weitersing? Ob ich ihn förmlich hinaussing? Laut und inbrünstig flehend stimmt er die zweite Strophe des Leibliedes an:

      »Und dengerscht hat mir Gott ja ’geb’n

      a fröhlich’s Bluat.

      Und fragst, wie steht’s mit Leib und Leb’n

      Sag allzeit: Guat!«

      Schau, er ist eingerusselt, der schreckliche Kerl. Ob ich ihn weck? Der Brandner verhält ratlos den Schnaufer. Da aber schreckt der Rauschige schon wieder hoch, gestört von der lauernden Stille, reißt die Augen weit auf, erhebt sich, gibt sich würdig und kalt, und gebietet:

      »Schön hast du g’sungen, aber jetzt g’langt’s. Jetzt is es zu End mit dem Widerstreben. Komm, Brandner Kaspar, folge mir nach!«

      Er reckt die Hand gegen ihn und schreitet voran, und dem Kaspar ist es, als zöge er ihn an einem unsichtbaren Strick hinter sich her, wie der Metzger das Kalb zur Schlachtbank, unentrinnbar und ganz ohne Gnade. Die Türe fliegt fremdwillig auf, Brandners eigene Tür, die sich zehntausend Mal willig von ihm hat öffnen und schließen lassen. Der unerbittliche Tod überschreitet die Schwelle so aufrecht und gerade es ihm eben noch möglich ist, und der Alte kann nichts dagegen, die Gewalt ist unendlich, er muss folgen, so schwer er im äußersten Widerstreben seine Schritte auch setzt, so inbrünstig jede Faser in ihm sich wehrt gegen den Gang, den letzten auf Erden.

      Er steht an der Schwelle. Er weiß, wenn er sie überschreitet, ist sein Ende besiegelt. Da fallt es ihm ein, und er schreit es heraus:

      »Halt aus! Wart! I sag dir was Schöns: Wir machen a G’spielei darum!«

      Der erhabene Rauschige stockt, dreht sich um und fragt recht entgeistert:

      »Was mach ma? Was sagst? Was geit’s da scho wieder?«

      Der Kälberstrick ist erschlafft, der Alte kann sich wieder nach eigenem Willen bewegen. Er spürt zwar noch immer die große Gewalt, sie ist da, aber sie ruht, und so entwischt er geschwind in zwei Sätzen zum Kommodkastl hinüber, reißt die oberste Lade heraus, hebt das Packl hoch und hält es dem Peiniger, der draußen im Dunkel verhält, triumphierend entgegen:

      »Da – des da mach ma! Wir schau’n, wer gewinnt, du oder ich, ’s Leb’n oder ’s Sterb’n! Komm nur grad her, geh zua, rühr di – und schaug net a so trapft!«

      Dem Gewaltigen klappt der Kiefer herunter:

      »Spielkarten?! Ja, siech i denn recht, du Hallodri! Karten möcht er – ums ewige Leben?!«

      »Grad um achtzehn Jahr« – und sitzt schon am Tisch, fächert auf, winkt, lockt freundlich den Peiniger her.

      Der wankt heran. Er stiert und glotzt den Talon an, die Knie knicken abermals weg, es haut ihn nieder im Stieren, er sitzt auf der Bank und stammelt recht ratlos:

      »I kann gar net kartln.«

      »Da brauchst net viel können. Da, misch!«

      »Kann i aa net.«

      Er zeigt es ihm, und mit spillrigen Fingern, steif und tapsig, wirft der finstere Gast die Karten herum, kreuz und quer über den Tisch und darüber hinaus, ein paar auf den Boden.

      »Hui, etza san ma oa obag’fallen«, lallt er verwirrt.

      »Dann heb’s auf, weil ma sie alle benötigen.«

      Kichernd beugt sich der Rauschige über die Kante des Tisches, taucht hinab und fischt sich vom Boden auf, was er da findet.

      Just das ist der Moment, der große Moment, da ein Irdischer sein Schicksal bewegt …

      Es ist nur ein Griff, während der Boanlkramer unterm Tisch auf dem Boden herumkriecht und nicht hersehen kann. Obenauf liegt er, der Grasober, und verschwindet blitzschnell im Ärmel der alten Jacke des Brandner.

      Da taucht der ungeschickte Gesandte schon wieder auf, schiebt alle Karten auf einen Haufen zusammen und kichert albern:

      »Naa, sowas hab i noch net derlebt! – Und was jetzt?«

      »Jetzt hebst auf.«

      »Hab i doch grad. Oder was? I versteh net.«

      »A Häuferl sollst aufheben, von dene am Tisch. Des ist dann des deine.«

      »Und?«

      »Wennst da drin den Grasober findest …«

      »Wen?«

      »Den Grasober!«

      »Wie

Скачать книгу