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gewann aus diesen ersten psychedelischen Erkundungen drei unerschütterliche Überzeugungen. Die erste lautet, dass die Erfahrung des Heiligen, von der sowohl die großen Mystiker als auch Leute auf dosisintensiven psychedelischen Reisen berichten, die gleiche Erfahrung und «real» ist – d. h. nicht bloß eine Ausgeburt der Fantasie.

      «Wer tief oder weit genug in sein Bewusstsein vordringt, stößt auf das Heilige. Das ist nichts, was wir erzeugen, sondern etwas, das irgendwo darauf wartet, entdeckt zu werden. Und das passiert zuverlässig Ungläubigen genauso wie Gläubigen.» Die zweite lautet, dass diese Erfahrungen mystischen Bewusstseins, ob ausgelöst durch Drogen oder etwas anderes, aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptgrundlage von Religion darstellen. (Nicht zuletzt deshalb findet Richards, dass Psychedelika für Theologiestudenten zur Ausbildung gehören sollten.) Und die dritte, dass das Bewusstsein eine Eigenschaft des Universums und nicht des Gehirns ist. In dieser Frage hält er es mit dem französischen Philosophen Henri Bergson, der den menschlichen Geist als eine Art Funkempfänger auffasst, der sich auf Energiefrequenzen und außerhalb seiner selbst existierende Informationen einschwingen kann. «Wenn man die Blondine finden will, die letzte Nacht die Nachrichten moderiert hat», erklärte Richards in Analogie dazu, «sucht man sie nicht im Fernsehgerät.» Der Fernseher ist, genau wie das menschliche Gehirn, zwar vonnöten, reicht aber nicht aus.

      Nachdem Richards sein Aufbaustudium beendet hatte, nahm er Ende der 1960er Jahre eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Spring Grove State Hospital in der Nähe von Baltimore an, wo sich im Stillen, weit entfernt von dem Lärm und grellen Glanz, der Timothy Leary umgab, eine äußerst unwahrscheinliche, den Fakten zuwiderlaufende Geschichte der Psychedelik-Forschung abspielte. Es handelt sich hier um einen Fall, wo die Kraft der Leary-Erzählung die überlieferte Geschichte verbogen hat, sodass viele von uns glauben, vor Learys Ankunft in Harvard habe es dort keine seriöse Psychedelik-Forschung gegeben und nach seiner Entlassung gar keine mehr. Doch bis zu dem Tag im Jahr 1977, an dem Bill Richards seiner letzten Versuchsperson Psilocybin verabreichte, betrieb Spring Grove aktiv (und ohne große Kontroverse) eine ehrgeizige Psychedelik-Forschung – vieles davon gefördert vom National Institute of Mental Health – mit Schizophrenen, Alkoholikern und anderen Suchtkranken, Krebspatienten, die mit Ängsten kämpften, sowie theologischen und psychologischen Fachkräften und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Von Anfang der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre erhielten mehrere Hundert Patienten und Probanden in Spring Grove psychedelische Therapien. In vielen Fällen erzielten die Forscher in gut konzipierten Studien sehr gute Ergebnisse, die regelmäßig in von Fachkollegen geprüften und begutachteten Zeitschriften wie dem Journal of the American Medical Association (JAMA) oder The Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurden. (Roland Griffiths ist der Meinung, ein Großteil dieser Forschung sei «fragwürdig», Richards dagegen sagte: «Diese Studien waren nicht so schlecht, wie Roland unterstellt.») Es ist bemerkenswert, wie viel von der Arbeit, die heute an der Hopkins University, der NYU und andernorts verrichtet wird, in Spring Grove vorweggenommen wurde; es ist in der Tat kaum ein gegenwärtiges Experiment mit Psychedelika zu finden, das in den 1960er und 1970er Jahren nicht schon in Maryland durchgeführt wurde.

      Zumindest am Anfang erhielt die psychedelische Arbeit in Spring Grove viel öffentliche Unterstützung. 1965 zeigte CBS News einen begeisterten einstündigen «Sonderbericht» über die Arbeit der Klinik mit Alkoholikern, der den Titel LSD: The Spring Grove Experiment trug. Die Reaktionen auf die Sendung waren so positiv, dass das Parlament Marylands auf dem Campus des Spring Grove State Hospital eine mehrere Millionen Dollar teure Forschungseinrichtung namens Maryland Psychiatric Research Center einrichtete. Stan Grof, Walter Pahnke und Bill Richards wurden als Leiter eingestellt, zusammen mit Dutzenden weiterer Therapeuten, Psychiater, Pharmakologen und Betreuungspersonal. Ähnlich schwer zu glauben ist, was Richards erzählte: «Jedes Mal, wenn wir jemanden einstellten, haben wir mit ihm als Teil der Ausbildung für die spätere Arbeit ein paar LSD-Sitzungen durchgeführt. Dazu waren wir bevollmächtigt! Wie sollte man sonst nachempfinden können, was im Kopf des Patienten vorging? Ich wünschte, wir könnten das an der Hopkins tun.»

      Die Tatsache, dass ein derart ehrgeiziges Forschungsprogramm in Spring Grove bis Mitte der siebziger Jahre fortgeführt werden konnte, deutet darauf hin, dass die Geschichte von der Unterdrückung der Psychedelik-Forschung etwas komplizierter ist als allgemein angenommen. Obwohl es stimmt, dass einige Forschungsprojekte – wie Jim Fadimans Kreativitätsexperimente in Palo Alto – von Washington verboten wurden, durften andere Projekte mit langfristiger Förderung fortgeführt werden, bis das Geld zur Neige ging – was irgendwann auch eintrat. Statt die gesamte Forschung zu stoppen, wie es viele in der psychedelischen Community heute vermuten, erschwerte die Regierung lediglich das Genehmigungsverfahren, und die Finanzierung versiegte allmählich. Im Lauf der Zeit mussten die Forscher feststellen, dass sie es zusätzlich zu all den bürokratischen und finanziellen Hürden auch noch mit «dem Lächerlichkeitsfaktor» zu tun hatten: Wie würden die Kollegen reagieren, wenn man ihnen erzählte, dass man Experimente mit LSD durchführte? Mitte der 1970er Jahre hatten sich Psychedelika in eine wissenschaftliche Peinlichkeit verwandelt – nicht weil sie ein Misserfolg waren, sondern weil man sie mit der Gegenkultur und mit in Ungnade gefallenen Wissenschaftlern wie Timothy Leary verband.

      Doch die Psychedelik-Forschung in Spring Grove Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre hatte nichts Peinliches. Damals schien sie die Zukunft zu sein. «Wir dachten, wir betreten unglaubliches Neuland in der Psychiatrie», erinnert sich Richards. «Wir saßen am Konferenztisch und diskutierten, wie wir die Hunderte, wenn nicht Tausende von Therapeuten ausbilden würden, die für diese Arbeit gebraucht wurden. (Und sehen Sie, heute führen wir wieder das gleiche Gespräch!) Es gab internationale Tagungen über Psychedelik-Forschung, und wir hatten überall in Europa Kollegen, die einer ähnlichen Arbeit nachgingen. Die Fachrichtung wuchs rasend schnell. Aber am Ende waren die gesellschaftlichen Kräfte stärker als wir.»

      1971 erklärte Richard Nixon den gescheiterten Psychologie-Professor Timothy Leary «zum gefährlichsten Mann in Amerika». Psychedelika nährten die Gegenkultur, und die Gegenkultur untergrub die Kampfbereitschaft der jungen Amerikaner. Die Nixon-Regierung versuchte die Gegenkultur zu schwächen, indem sie deren neurochemische Infrastruktur angriff.

      War die Zerschlagung der Psychedelik-Forschung unvermeidlich? Viele der Forscher, die ich interviewt habe, meinen, sie wäre zu verhindern gewesen, wenn die Drogen nicht die vier Wände der Labore verlassen hätten – ein Ereignis, für das die meisten, ob zu Recht oder zu Unrecht, die «Mätzchen», das «Fehlverhalten» und den «Bekehrungseifer» von Timothy Leary verantwortlich machen.

      Stanislav Grof glaubt, dass die Psychedelika «das dionysische Element» im Amerika der 1960er Jahre entfesselten und eine Bedrohung für die puritanischen Werte des Landes darstellten, die abgewehrt werden musste. (Er sagte mir, er glaube auch, dass das Gleiche wieder passieren könnte.) Roland Griffiths verweist darauf, dass unsere Kultur nicht die erste sei, die sich von Psychedelika bedroht fühle: R. Gordon Wasson musste die Magic Mushrooms in Mexiko deshalb wiederentdecken, weil die Spanier sie einst als gefährliche Instrumente des Heidentums betrachtet und sehr erfolgreich bekämpft hatten.

      «Das zeigt, wie widerstrebend sich Kulturen den Veränderungen aussetzen, die derartige Substanzen hervorrufen können», sagte er bei unserem ersten Treffen. «Die unmittelbare mystische Erfahrung hat eine solche Macht, dass sie für bestehende hierarchische Strukturen bedrohlich sein kann.»

      Mitte der siebziger Jahre waren die LSD-Versuche in Spring Grove, die zumeist vom Staat finanziert wurden, in Annapolis zu einem heißen Eisen geworden. 1975 enthüllte die Rockefeller Commission im Rahmen einer Untersuchung gegen die CIA, dass von der Agency auch in Fort Detrick in Maryland LSD-Experimente durchgeführt worden waren, und zwar als Teil eines Projekts zur Gedankenkontrolle namens MK-Ultra. (Ein internes Memo, das die Kommission veröffentlichte, legte das Ziel der Agency präzise dar: «Können wir Kontrolle über einen Menschen gewinnen, bis zu dem Punkt, dass er gegen seinen Willen und sogar in Widerspruch zu grundlegenden Naturgesetzen wie dem Selbsterhaltungstrieb unseren Anordnungen Folge leistet?»29) Es wurde aufgedeckt, dass die CIA Regierungsangestellten und Zivilisten ohne deren Wissen LSD verabreicht hatte; mindestens eine Person warums Leben gekommen. Die Nachricht, dass die Steuerzahler Marylands auch Forschung mit LSD unterstützten, blähte sich schnell zu einem Skandal

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