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und Genfer waren allesamt Vertreter des aufgeklärten Bildungs- und Finanzbürgertums, in der internationalen Stadt mit einer kosmopolitischen Färbung. Sie repräsentierten politisch sowohl liberale als auch sozialdemokratische Orientierungen, in einer Zeit, als die Abgrenzungen zwischen den beiden noch nicht so scharf gezogen waren wie dann nach dem Ersten Weltkrieg. Unter den Männern fanden sich vier Grossräte, einer zudem auch der Sohn eines Staatsrats, und zwei Akademiker, unter den Frauen die Witwe eines Bankiers, die jeweiligen Ehefrauen eines Pfarrers, eines Privatdozenten und eines Chefredaktors. Schliesslich gesellte sich mit Gourd eine ledige Frau aus dem protestantischen Genfer Grossbürgertum dazu. Ihr Vater war Philosophieprofessor an der Universität Genf. Die ausgebildete Lehrerin übernahm schon mit 28 Jahren das Sekretariat des BSF, 1911 für 35 Jahre das Präsidium der Genfer Sektion des SVF und ab 1914 für 14 Jahre dasjenige der schweizerischen Vereinigung. 1912 gründete sie mithilfe von Vidart und de Morsier die Zeitschrift Le Mouvement féministe, deren Redaktion sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1946 leitete.147 Gourd war in der Zwischenkriegszeit nicht nur eine führende Figur der Stimmrechtsbewegung in der Schweiz, als Sekretärin des Weltbundes für Frauenstimmrecht sicherte sie ab 1923 auch deren internationale Vernetzung.

      Nicht zuletzt manifestierte sich die soziale Herkunft der Genfer Sektion in den gewählten politischen Aktionsformen: So organisierte die Sektion 1935, als der Besitz eines Automobils noch Vermögenden vorbehalten war, eine motorisierte Protestkundgebung. Näher bei den Geschlechternormen, doch habituell ebenfalls bürgerlich kodiert, lud sie bis 1943 regelmässig zu den «thés suffragistes» ein.148

      Prominent akademisch besetzt war auch die Leitung des Zürcher Frauenstimmrechtsvereins mit seinen 157 Mitgliedern im November 1909, der bei seiner Gründung 1908 noch Akademischer Verein für Frauenstimmrecht geheissen hatte und 1919 mit der Union für Frauenbestrebungen fusionierte. Präsidentin war die Juristin, Lehrerin und erste Anwältin der Schweiz, Anna Mackenroth (1861–1936), die 1911 von Gilonne Brüstlein (1880–1933), ebenfalls einer promovierten Juristin und Anwältin, abgelöst wurde. Neben dem erwähnten Professor Emil Zürcher zählte der Vorstand auch Frauen, die selbst einen akademischen Titel trugen, wie die aus der Ukraine stammende Ärztin Betty Farbstein-Ostersetzer (1873–1938), die zwischen 1895 und 1909 mit dem SP-Politiker und Juristen David Farbstein verheiratet war, oder Mathilde Schneider-von Orelli (1883–1983), promovierte Naturwissenschaftlerin, deren Mann später eine Professur für Entomologie innehatte. Andere wie Sophie Glättli-Graf (1876–1951) waren mit bekannten Politikern verheiratet. Sie selbst hatte ihre Lehrerinnenausbildung nicht abgeschlossen, um ihren kranken Vater zu pflegen, während ihr Mann freisinniger Zürcher Staatsanwalt war.149

      Auch die vier Männer im ersten Waadtländer Komitee waren Akademiker: Drei waren Ärzte (einer sass dazu als Liberaler im Grossen Rat) und einer Professor für Römisches Recht an der Universität Lausanne. Über die weiblichen Vorstandsmitglieder ist weniger bekannt. Die Gründerin und Präsidentin Antonia Girardet-Vielle (1866–1944) war die Witwe eines Architekten, die nach dem Tod ihres Mannes in ihrer grosszügigen Villa eine Pension für ausländische Studenten eröffnete, um den Lebensunterhalt für sich und ihre drei Kinder zu bestreiten. Lucie Dutoit (1868–1937), die Mitgründerin, Sekretärin und ab 1916 Präsidentin des Waadtländer Vereins, war Deutschlehrerin an der privaten École Vinet, der ersten Sekundarschule für Mädchen im Kanton Waadt. Dank ihrer Deutschkenntnisse sicherte sie zwischen 1924 und 1936 als Sekretärin und Übersetzerin des SVF den Kontakt zur deutschen Schweiz.150 Auch Eva Rouffy (1866–1961) war als diplomierte Hebamme eine ökonomisch selbstständige Frau. Sie war zudem Präsidentin der Société vaudoise des sages femmes und lebte seit Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihrer Lebensgefährtin zusammen.151

      In La Chaux-de-Fonds, der Stadt der Uhrenindustrie, war die soziale Zusammensetzung der lokalen Sektion des SVF stärker als anderswo von den Mittelschichten und Funktionären der Arbeiterbewegung geprägt, die nun in der sozialdemokratisch regierten Stadt die politisch-administrativen Eliten darstellten. Doch auch hier gehörte das bürgerliche Element (im sozialen Sinn) dazu, in bildungs- und unternehmensbürgerlicher Form.152 Die Initiantin und erste Präsidentin, Marie Courvoisier-Sandoz (1842–1921), nannte sich den Konventionen der französischen Oberschichten gemäss Madame James Courvoisier und stammte aus einer sehr wohlhabenden Familie der Gegend. Ihr Mann war ein renommierter Pastor und einer der Gründer des lokalen Stimmrechtsvereins. Sie war sehr religiös, eine Veteranin der Sittlichkeitsbewegung, in der sie mit Émilie de Morsier (1843–1896) zusammengearbeitet hatte, der Mutter von Auguste de Morsier, der selbst 1908 mehrmals nach La Chaux-de-Fonds reiste, um die Gründung der lokalen Gruppe zu unterstützen. Ferner war sie im Internationalen Verein der Freundinnen junger Mädchen aktiv, der in Neuenburg seinen Sitz hatte. Ein weiteres prägendes Mitglied des ersten Komitees war Jeanne Vuilliomenet-Challandes (1870–1938), Tochter eines Patrons einer kleinen Uhrgehäusefabrik und eines Mitglieds der Freisinnigen Partei, die mit einem Kunstmaler verheiratet war. Sie ersetzte bald Marie Courvoisier als lokale Präsidentin, leitete zwischen 1914 und 1918 das nationale Sekretariat des SVF und hatte zwischen 1926 und 1932 in dessen Zentralvorstand Einsitz; anschliessend arbeitete sie als Journalistin. 1923 vertrat sie den SVF am 9. Internationalen Kongress der International Woman Suffrage Alliance in Rom. Ein weiteres Mitglied, Marie Wasserfallen-Ducommun (1868–1948), früher Lehrerin, war die Frau des Direktors der Primarschule in La Chaux-de-Fonds und Mutter von sechs Kindern. Die vierte Frau, über die Daten greifbar sind, war die Sozialdemokratin und frühere Lehrerin Blanche Graber (1878–1975), Tochter eines Pastors und Frau des prominenten sozialdemokratischen Politikers Ernest-Paul Graber (1875–1956), Redaktor, Grossrat und ab 1912 Nationalrat. Überhaupt waren im Komitee von La Chaux-de-Fonds Lehrerkreise stark vertreten. So war auch der Sozialdemokrat Henri-Justin Stauffer (1854–1935), der ab 1912 der städtischen Exekutive vorstand, Gymnasiallehrer, ebenso Adolphe Grosclaude (1880–1962), späterer Direktor des Gymnasiums. Letzterer gehörte zu den Gründern der Parti progressiste national, einer im Kanton Neuenburg als Reaktion auf den Generalstreik von 1918 gebildeten rechtsbürgerlichen Partei. Ferner sassen ein Bildhauer und Lehrer der Kunstgewerbeschule, ein Bijoutier und ein ehemaliger Gemeinderat im Komitee sowie der Gewerkschafter Charles Schürch, eine führende Persönlichkeit der sozialdemokratischen Partei des Kantons und erster Motionär für das Frauenstimmrecht im Grossen Rat.

      Sittlich-soziales Engagement und Erwerbstätigkeit

      Ein Blick auf die nationale Ebene zur Zeit des ersten Zentralvorstands nach der Gründung des SVF am 28. Januar 1909 verweist ebenfalls auf den gut situierten, elitären Charakter der Verbandsführung. Unter den sieben Vorstandsmitgliedern gilt dies jedenfalls für den Präsidenten Auguste de Morsier, die Vize-Präsidentin Klara Honegger (1860–1940), Tochter eines Zürcher Regierungsrats, die Sekretärin Antonia Girardet-Vielle und die Beisitzerin Marie Courvoisier.153 Ein weiteres markantes Charakteristikum der Gruppe ist das Gewicht des sozialen Engagements im Leben der Beteiligten. Neben de Morsier und Courvoisier hatten mindestens auch Klara Honegger und Louisa Thiébaud (1869–1940) durch ihr Engagement in der Sittlichkeitsbewegung erste politische Erfahrungen und waren sozialreformerisch tätig.

      Eine spätere Momentaufnahme der acht Sektionspräsidentinnen, die 1959/60 einen Beitrag im Aktivitätsbericht des SVF über seine letzten 25 Jahre verfassten und über die Daten vorhanden sind, zeigt sowohl Elemente des Wandels als auch der Kontinuität in der soziokulturellen Zusammensetzung des SVF auf lokaler Ebene. Es handelte sich um die Präsidentinnen der Kantone Genf, Neuenburg, Waadt, Basel (Stadt und Land), Tessin, Zürich, Bern und Solothurn.154 Die Genfer Präsidentin Marcelle A. Prince-Koiré (1892–1975), in Batumi in Georgien geboren, war die Tochter eines russischen Reeders und einer Französin, die seit 1901 in der Schweiz lebte und im Ersten Weltkrieg als freiwillige Krankenpflegerin in Marseille im Einsatz gewesen war. Sie lebte in grossbürgerlichen Verhältnissen und engagierte sich nach 1960 in der Liberalen Partei. Die in Schaffhausen geborene Clara Waldvogel (1889–1972), Tochter eines Deutschlehrers des Collège latin in Neuenburg, war in derselben Stadt Lehrerin für Deutsch und Englisch an der Mädchensekundarschule, Pazifistin, Freundin des Gründers des Service Civil International Pierre Cérésole und Mitglied des Schweizerischen Frauen-Alpenclubs, der 1918 nach dem Ausschluss der Frauen aus dem SAC 1907 gegründet worden war. Auch ihr Bruder war ein

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