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Besonderes Verwaltungsrecht. Mathias Schubert
Читать онлайн.Название Besonderes Verwaltungsrecht
Год выпуска 0
isbn 9783811453593
Автор произведения Mathias Schubert
Жанр Языкознание
Серия Schwerpunkte Pflichtfach
Издательство Bookwire
Teil I Kommunalrecht › § 3 Die Gemeindebevölkerung (Bürger und Einwohner) › II. Konsequenzen
II. Konsequenzen
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Rechte im Rahmen des sich aus der gemeindlichen Verpflichtung zur Vorhaltung von Einrichtungen der Daseinsvorsorge (vgl unten Rn 235 ff) ergebenden Betreuungsverhältnisses auf gemeindlicher Ebene stehen durchgängig allen Einwohnern zu.
Beispiele:
Anspruch auf Benutzung öff. Einrichtungen (§ 30 I NKomVG; § 8 II GO NRW; Art. 21 I bay.GO; § 14 II KV M-V.;), Pflicht zur gemeindlichen Hilfeleistung bei der Einleitung von Verwaltungsverfahren (§ 37 NKomVG; § 22 I GO NRW – ähnlich § 14 IV KV M-V)[19], Unterrichtungspflicht des Rates (§ 23 GO NRW, § 20 I GO BW) oder des Bürgermeisters (§ 16 I KV M-V; § 28 I KVG LSA)[20], Anspruch eines jeden, sich mit Anregungen oder Beschwerden an den Rat zu wenden (§ 34 NKomVG; § 24 GO NRW; § 14 I KV M-V).
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Lediglich das Wahlrecht bei den Gemeindewahlen kennzeichnet den Bürger und hebt ihn heute noch[21] hervor. Auch sind nur Bürger zur Übernahme von Ehrenamt und ehrenamtlicher Tätigkeit verpflichtet (vgl Art. 19 I bay.GO; § 19 II KV M-V; § 38 II NKomVG;)[22]. Differenzierter ist die Rechtslage in NRW: Dort können Einwohner zu einer nebenberuflichen vorübergehenden unentgeltlichen Tätigkeit für die Gemeinde verpflichtet werden (ehrenamtliche Tätigkeit), § 28 I GO NRW.
Beispiele für ehrenamtliche Tätigkeit: Heranziehung zur Pflichtfeuerwehr (§ 14 II BHKG NRW), oder als Schöffe bei Gericht (§ 31 GVG); Mitwirkung als sachverständiger Bürger[23].
Bürger sind in NRW hingegen verpflichtet, nebenberuflich einen auf Dauer berechneten oder besonders bedeutsamen Kreis von Verwaltungsgeschäften für die Gemeinde zu übernehmen (Ehrenamt), § 28 II GO NRW.
Beispiel für ein Ehrenamt: Ortsvorsteher in Gemeindebezirken (vgl § 39 VI, VII 3 GO NRW).
Ehrenamtlich Tätige sind zur Verschwiegenheit verpflichtet (Art. 20 II 1 bay.GO; §§ 19 IV, 23 VI m.v.KVerf.; § 40 NKomVG; § 30 GO NRW) und gelten amtshaftungsrechtlich als Amtsträger iSd Art. 34 GG iVm § 839 BGB[24].
Teil I Kommunalrecht › § 3 Die Gemeindebevölkerung (Bürger und Einwohner) › III. Verstärkung plebiszitärer Elemente
III. Verstärkung plebiszitärer Elemente
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Auch auf kommunaler Ebene gelten, wie bereits mit Blick auf Art. 28 I 2 GG (oben Rn 78 ff) festgestellt, die Grundsätze der repräsentativen Demokratie. Die einzelnen Länder sehen im Rahmen der verfassungsrechtlich verfügbaren Gestaltungsoptionen[25] in ihren Gemeindeordnungen aber zunehmend auch plebiszitäre Elemente als zusätzliche Möglichkeiten der direkten Einflussnahme von Bürgern auf die politische Willensbildung und damit eine Stärkung von Ausdrucksformen der unmittelbaren Demokratie vor.
1. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
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Eine zentrale Rolle nehmen Bürgerbegehren und Bürgerentscheid gem. § 21 bd.wtt.GO, Art. 18a bay.GO, § 20 KV M-V; §§ 32, 33 NKomVG; § 26 GO NRW ein.
Das Bürgerbegehren stellt einen an ein bestimmtes Unterschriftenquorum geknüpften schriftlichen Antrag von Bürgern dar, der darauf zielt, dass die Bürgerschaft selbst über eine Angelegenheit der Gemeinde an Stelle des Rates – mit der Wirkung eines Ratsbeschlusses – entscheidet (Bürgerentscheid)[26]. Ziel eines Bürgerbegehrens kann es daher nicht sein, dem Rat lediglich Vorgaben für eine erst noch von ihm zu treffende Entscheidung zu machen.
Zu unterscheiden ist zwischen einem sog. kassatorischen und einem sog. initiierenden Bürgerbegehren. Ersteres greift in eine vom Rat getroffene Regelung ein, sei es, dass sie sich in der Aufhebung dieser Regelung erschöpft, sei es, dass es sie durch andere ersetzt; letztere „bearbeiten gleichsam ein noch unbestelltes Feld und stoßen damit ausschließlich gemeindliche Aktivitäten an“[27].
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Bevor ein Bürgerbegehren zum Bürgerentscheid heranreifen kann, muss es eine Reihe von Zulässigkeitsvoraussetzungen[28] erfüllen: In formeller Hinsicht bedarf es eines hinreichend bestimmten Antrags mit Bezeichnung einer Frage, die mit Ja/Nein beantwortet werden kann,[29] einer Begründung und der Benennung von vertretungsberechtigten Personen. In vielen Ländern wird ferner ein Vorschlag zur Kostendeckung gefordert[30]. Das vom Bürgerbegehren zu erreichende Unterstützungsquorums liegt in Deutschland zwischen 3% der Einwohner bei großen Städten in Bayern oder NRW und 10% etwa in Sachsen[31] und ist innerhalb einer bestimmten Frist zu erreichen. Zudem sind die Möglichkeiten der Bürgerbeteiligung thematisch begrenzt, was die Gemeindeordnungen zumeist in einem Negativkatalog zum Ausdruck bringen. Zu den Themenkreisen, die einem Bürgerbegehren nach Maßgabe gesetzlicher Festlegung verschlossen bleiben, gehören in jedem Falle solche Anträge, die kommunale Abgaben betreffen (vgl § 32 II Nr 3 NKomVG; § 26 V Nr 3 GO NRW), mit denen ein gesetzwidriges Ziel verfolgt wird oder die sittenwidrig sind (vgl § 32 II Nr 8 NKomVG). Je nach Landesrecht sind dies aber etwa auch Fragen der Organisation der Gemeindeverwaltung und ihrer Mitglieder oder Belange mit besonderer Komplexität. Stets muss es jedenfalls um eine Angelegenheit der Gemeinde gehen, für die innergemeindlich grundsätzlich der Gemeinderat organzuständig ist.
Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind und das Bürgerbegehren zulässig ist, wird in der Regel vom Gemeinderat (vgl § 26 VI 1 GO NRW; Art. 18a VIII 1 bay.GO; § 20 V 4 KV M-V), in Niedersachsen jedoch (gem. § 32 VII 1 NKomVG) vom Hauptausschuss festgestellt. Ist dies der Fall, kann das Vertretungsorgan entweder dem Bürgerbegehren entsprechen[32] oder den Bürgerentscheid durchführen lassen. Die kommunalen Verfahren sachunmittelbarer Demokratie sind also stets zweistufig ausgestaltet. Der abschließende Bürgerentscheid selbst fordert eine Ja/Nein-Entscheidung, die regelmäßig beim Erreichen der einfachen Mehrheit und eines hinreichenden Zustimmungsquorums, das wiederum zwischen den Ländern variiert[33], erfolgreich ist.
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Der Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Ratsbeschlusses. Er entfaltet bindende Wirkung hinsichtlich der Angelegenheit, über die die Bürgerschaft entschieden hat.[34] Vor Ablauf von zwei Jahren kann er nur auf Initiative des Rates durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden (so § 33 IV 2 NKomVG; § 26 VIII GO NRW; § 20 I 2 KV M-V in der Abänderbarkeit abweichend Art. 18a XIII bay.GO).
Daraus ergibt sich mittelbar, dass nach zwei Jahren ein Bürgerentscheid durch Ratsbeschluss kassiert werden kann. Diese Vorschrift ist aber nicht umgekehrt anwendbar auf die Kassation eines Ratsbeschlusses durch einen Bürgerentscheid. Für eine Analogie fehlt es an einer Regelungslücke, insbes. in NRW, wo für sog. kassatorische Bürgerbegehren in § 26 III GO NRW eine abschließende Fristenregelung getroffen ist[35].
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Anders als