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Tabuthema Trauerarbeit - eBook. Margit Franz
Читать онлайн.Название Tabuthema Trauerarbeit - eBook
Год выпуска 0
isbn 9783769881141
Автор произведения Margit Franz
Жанр Документальная литература
Серия Trauerbegleitung und Trauerbewältigung mit Kindern und Jugendlichen
Издательство Bookwire
Der beste Zeitpunkt, sich mit dem Thema zu befassen, ist immer dann, wenn das Thema nicht brisant ist. Das Leben selbst bietet dazu vielfältige Anlässe, sich behutsam der Thematik anzunähern. Wenn Kinder auf dem Schulhof beispielsweise einen toten Vogel finden oder ein Kind im Gesprächskreis erzählt, dass sein Meerschweinchen zuhause gestorben ist, dann ist das Thema bereits da! Wir können es übersehen und überhören und schnell zur Tagesordnung übergehen. Wir können das Thema aber auch aufgreifen und mit den Kindern darüber in einen Austausch kommen: „Lasst uns mal kurz innehalten und uns darüber unterhalten, was da passiert ist!“ Dann lernen die Kinder voneinander und mit uns Erwachsenen, dass dieses Thema ein trauriges Thema, jedoch kein Tabuthema ist, das uns sprachlos und hilflos macht. Sie erfahren, dass der Tod zum Leben gehört und dass diese Situation betrauert, gestaltet und bewältigt werden kann. In solchen Gesprächen bleibt es erfahrungsgemäß nicht beim toten Vogel und dem gestorbenen Meerschweinchen, weil die Kinder als Experten ihrer selbst von ihren Geschichten und persönlichen Erfahrungen berichten und die Gesprächsrunde damit bereichern. Gibt es in der Kita- und Schulbibliothek darüber hinaus eine Auswahl an Bilder- und Kinderbüchern zu dem Thema, bietet die Literatur ebenfalls Impulse für eine Auseinandersetzung mit der Thematik. Wenn wir uns mit Kindern, im Team und Kollegium mit Sterben, Tod, Trauer beschäftigen, dann ist es Thema und kein Tabu, und eben das ist beste Vorbereitung für den traurigen Ernstfall. Gemeinsam mit Kindern entwickeln wir eine gefühlvolle Gesprächskultur, zudem Ideen und Rituale, wie wir eine Verlustsituation und einen Abschied miteinander gestalten können.
In der Verantwortung von Fach- und Lehrkräften liegt es, zu dem Thema eine professionelle Haltung zu entwickeln und einen „Notall-Plan“ oder „Krisen-Koffer“ zu erarbeiten, so dass ein Team und Kollegium gut vorbereitet ist, wenn das Thema plötzlich akut wird. Eine jede Fach- und Lehrkraft sollte über das hausinterne Notfallmanagement informiert und entsprechend geschult sein, so dass mit einem Todesfall im Nahbereich sowie im erweiterten Umfeld von Kita und Schule kompetent umgegangen werden kann. Sind bereits Kooperationen zu unterstützenden Systemen wie Kriseninterventionsdienst, Notfallseelsorge, Fachstellen zur Trauerbegleitung, Fachberatung aufgebaut, kann im akuten Bedarfsfall kurzfristig darauf zurückgegriffen werden.
Ich bin davon überzeugt, dass es für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Familien wertvoll und lohnend ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen, um im traurigen Ernstfall darauf vorbereitet zu sein. Insbesondere pädagogische Fach- und Lehrkräfte, die in Kindertageseinrichtungen und Schulen professionell arbeiten, sind in einer besonderen Verantwortung gegenüber Kindern und ihren Familien. Mit meinem Buch „Tabuthema Trauerarbeit – Kinder begleiten bei Abschied, Verlust und Tod“, den beiden ergänzenden Fotokarten-Sets „Mit Kindern über Abschied, Verlust und Tod sprechen“ (Impulskarten zur Trauerbegleitung in Kita, Grundschule und Familie) und „Umgang mit Tod, Verlust und Trauer“ (Reflexionsfragen für Erzieher*innen und Grundschullehrkräfte) möchte ich dazu beitragen, dass Kinder zu ihrem Recht auf Trauer kommen. Mein Anliegen ist es, pädagogische Fachkräfte sowie Lehrkräfte zu ermutigen und zu unterstützen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen und ihr Wissensspektrum gegebenenfalls zu erweitern. „Tabuthema Trauerarbeit“ gibt hierzu fachliche Informationen, weiterführende Impulse und praxisnahe Ideen.
Am Ende des Buches finden Sie empfehlenswerte Bilderbücher , jeweils mit thematischer Einordnung und kurzer Inhaltsbeschreibung, die Sie in Ihrer pädagogischen Praxis unterstützen können und den Kindern das Thema Abschied, Verlust und Tod auf kindgemäße und behutsame Weise nahebringen. Die gesammelten Bilderbuchrezensionen finden Sie außerdem auch als pdf-Dokument im Download zum Ausdrucken, ebenso wie einige literarische Texte oder Aphorismen, die geeignet sind, die eigene Haltung zum Thema zu reflektieren.
Ich hoffe, dass mein Buch für Sie interessant ist und dass es Ihnen hilft, mit Kindern offene Gespräche über Tod und Sterben zu führen, der Trauer von Kindern achtsam zu begegnen und trauernden Kinder einfühlsam den Rücken zu stärken.
Margit Franz
Darmstadt im März 2021
1. Biografische Erfahrungen reflektieren
Wie gelingt es Fach- und Lehrkräften, sich mit den Themen „Abschied, Verlust, Sterben, Tod, Trauer“ auseinander zu setzen? Welche Methoden bieten sich an, um die eigenen persönlichen Erfahrungen zu reflektieren? Welche Möglichkeiten gibt es, sich auf einer professionellen Ebene mit der Thematik zu beschäftigen?
Wenn Erwachsene mit Kindern über das Sterben und den Tod sprechen oder ein Kind in einer akuten Trauersituation begleiten, ist es wichtig, dass sie ihre persönlichen Grenzen dazu kennen. Die Erlebnisse im Kindes- und Jugendalter prägen den späteren Umgang mit dem Thema und die Fähigkeit zur aktiven Trauer. Erfahrungen, die mit dieser Thematik und den damit verbundenen Situationen gesammelt wurden, können positiv im Sinne von hilfreich, ermutigend, unterstützend oder negativ im Sinne von belastend, entmutigend, beängstigend sein. Immer wieder erzählen Erwachsene, dass ein Mitglied ihrer Familie gestorben ist und sie sich als Kind in dieser Situation mit ihren Ängsten und Fragen allein gelassen gefühlt haben. Sie berichten zudem, dass es ihnen nicht ermöglicht bzw. verwehrt wurde, sich von einer ihnen nahestehenden, gestorbenen Person gebührend zu verabschieden und an der Beerdigung teilzunehmen.
„Ich fühlte mich ausgeschlossen, hatte viele Ängste und traute mich nicht zu fragen.“
„Niemand hat mir erklärt, was eigentlich los war. Ich hatte schreckliche Alpträume und jede Nacht ins Bett gemacht. Ich musste wieder Windeln tragen.“
„Wenn ich meine Eltern fragte, wo meine Oma sei, sagten sie immer: ‚Ach Kind, das verstehst du noch nicht‘.“
Wie pädagogische Fach- und Lehrkräfte sich dem Thema nähern können
Erwachsene erzählen, dass es weniger der Tod eines geliebten Menschen war, der bei ihnen als Kind zu einer Überforderung und Verdrängung des Verlustes führte. Vielmehr waren es die Begleitumstände, wie der Ausschluss aus der Trauergemeinschaft, eine mangelnde entwicklungsgemäße Beteiligung und fehlende klärende Gespräche, die eine angemessene Bewältigung des Verlusts verhinderten.
Ein Todesfall im Familien- oder Freundeskreis sollte die Betroffenen zueinander bringen, um gemeinsam zu trauern, zu trösten und Trost zu empfangen, Trauergefühle miteinander zu leben, Verständnis für die Gefühle anderer zu zeigen und darüber zu sprechen. Wenn solche wichtigen Erfahrungen fehlen, verankern Kinder und Jugendliche in ihren Selbstkonzepten: Trauer bedeutet Gefühlskälte, keine Emotionen zeigen, nicht miteinander reden, Totschweigen, keine Informationen bekommen und mit seinen Ängsten allein sein. So wie Menschen nicht nicht kommunizieren können (Paul Watzlawick) können sie nicht nicht Erfahrungen sammeln. Eine jede Erfahrung, auch eine „Nicht-Erfahrung“ (die es in diesem Sinne nicht gibt) ist eine Erfahrung. Wenn Kinder „keine“ Erfahrungen in diesem Thema sammeln dürfen und mit ihren Eindrücken und Erlebnissen allein gelassen werden, führen diese Erfahrungen zu einer Verdrängung und Tabuisierung der Thematik.
Wenn Kinder von Erwachsenen immer wieder zu hören bekommen „Dafür bist du noch zu klein!“, besteht die Tendenz, dass sie im späteren Erwachsenenleben diesen Satz und die damit verbundene Haltung wiederum an Kinder weitergeben. Aber wer ist damit eigentlich gemeint? Der Erwachsene oder das Kind? Ich tippe auf den Erwachsenen, der mit den neugierigen Fragen oder Trauergefühlen eines Kindes nicht klarkommt. „Dafür bist du noch zu klein“ könnte bedeuten: Ich Erwachsener fühle mich mit dem Thema klein. Ich bin damit überfordert, weil es in mir als Kind und Jugendlicher nicht wachsen konnte und ich mit der Thematik nicht er-wachsen wurde. Von einem Erwachsenen muss ein Kind jedoch erwarten können, dass er Schutz, Halt und Sicherheit gibt, insbesondere in Situationen, die verunsichern. Eine solche Situation ist gegeben, wenn ein für das Kind bedeutsamer Mensch im Sterben liegt oder verstorben ist. Insbesondere für Tagespflegeeltern, pädagogische Fach- und Lehrkräfte, die mit Kindern professionell arbeiten, ist es wichtig, dass sie ihre persönlichen Erfahrungen im Zusammenhang mit Sterben, Tod und Trauer reflektieren, um sich dieser bewusst zu werden.