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dass nur ein Festhalten am Überlieferten der Garant für ein glückliches Lebens des Einzelnen, aber auch für den römischen Staat insgesamt ist. Rituale dienten dazu, den Willen der Götter zu erkunden und sich ihrer Gunst weiterhin zu versichern. Die Tradition bzw. die Überlieferung der Alten (mos maiorum = Sitte der Vorfahren) bildet deshalb den zweiten Grundpfeiler der römischen Religion. Cicero überliefert „man dürfe keine Neuerung einführen, die nicht mit den vorbildhaften Grundsätzen der Vorfahren in Einklang stehe.“36 Die fides (= Vertrauen/Treue/Loyalität/Bindung) wurde nicht nur als Göttin verehrt, sondern galt als höchste Tugend in allen Lebensbereichen. Die Begegnung mit den Göttern vollzog sich im Kult, wobei den Götterbildern in den Tempeln eine große Bedeutung zukam. Als weiteres zentrales Element römischer Religion dienten Opferhandlungen zur Verherrlichung einer bestimmten Gottheit, um so deren Wirkungskraft zu verstärken. Erzeugnisse der Natur wie Früchte, Wein, Milch und Honig wurden als unblutige Opfer gespendet, aber auch Rinder, Schafe und Stiere geopfert. Dabei kam es auf die korrekte Ausführung der Kulthandlungen an, um durch die Besänftigung der Götter den Staat zu schützen. Im privaten Bereich weit verbreitete Sühnehandlungen dienten zur Reinigung, um den Zustand der Unschuld wiederzugewinnen und dadurch dem Zorn der Götter zu entgehen, wiederum nach dem Prinzip ‚do ut des‘. Magische Praktiken gewannen ebenfalls an Bedeutung, so übernahmen die Römer von den Etruskern die Techniken zur Deutung von Vorzeichen (Prodigien, wie Vogelflug oder Blitzschau)37. Insgesamt verstanden sich die Römer als ein sehr religiöses Volk. Religion war als soziale Wirklichkeit von höchster Wichtigkeit für die Stabilität der Gesellschaft, denn das Wohlergehen und die Erfolge galten den Römern als Zeichen der anhaltenden Gunst der Götter.

      Im Zeitalter des Hellenismus erlebten die klassische griechische und römische Religion eine Epoche der beschleunigten gegenseitigen Durchdringung und Befruchtung. Griechische Gottheiten wie Zeus, Apollon, Artemis, Dionysos, Herakles oder Hermes wurden im gesamten vorderen Orient verehrt und zogen auch (zumeist mit ihren römischen Namen) in den römischen Pantheon ein. Griechische und römische Religion trafen sich in einer gemeinsamen Grundanschauung: Fromm ist derjenige, der in Wahrung der Tradition die Götter, die Ahnen und die Eltern ehrt. Zugleich beeinflussten die Kulte des Orients sehr stark die griechische und römische Religion. Die Antike kennt neben dem homerischen Götterhimmel und den offiziellen bzw. öffentlichen Staats-, Stadt- und Hauskulten noch eine weitere Form von Religiosität, die sog. Mysterienkulte (images = „Geheimnis“)38. Sie unterscheiden sich von den offiziellen Kulten durch ihr geheimes Wissen und verborgene Riten, in welche man erst nach einer Art Prüfungszeit eingeführt wurde. Über die Inhalte der Mysterien musste geschwiegen werden, so dass die Arkandisziplin (lat. arcanus = verschwiegen) einer der Gründe ist, warum nur weniges über diese Kulte überliefert ist39. Als grundlegende Kennzeichen der meisten Mysterienkulte können gelten: 1) Arkandisziplin; 2) Initiationsriten; 3) gemeinsame Mahlzeiten; 4) Identifikation mit dem Schicksal einer Gottheit; 5) Jenseitshoffnungen/Wiedergeburtsvorstellungen40.

      Die Mysterienkulte waren vor allem eine Form persönlicher Optionen innerhalb des polytheistischen Systems der Antike. Die Mysten erhielten einen neuen Status, indem sie nicht nur an den Festen und Riten des Kultes, sondern auch an dem Schicksal bzw. den Wohltaten der Gottheit teilhatten. Dadurch kamen die Mysterienkulte dem frühen Christentum nahe, denn im Gegensatz zu den meisten lokalen griechischen Kulten verbanden die Mysterienreligionen mit ihren Riten positive Jenseitserwartungen.

      Eleusis

      Der wahrscheinlich älteste griechische Geheimkult (ca. 8. Jh. v.Chr.) sind die Mysterien von Eleusis (nahe Athen), wo sich ein Heiligtum der Demeter befand41. Die Getreide- und Fruchtbarkeitsgöttin Demeter symbolisierte den ewigen Kreislauf des Wiederaufkeimens und Absterbens, der in Eleusis den Mysten auch ein besseres Leben nach dem Tod in Aussicht stellte. Seine Blütezeit hatte der Kult in römischer Zeit, so ließen sich u. a. Cicero und römische Kaiser wie Augustus und Hadrian dort weihen.

      Dionysos

      Der Dionysos-Kult gehört zu den bedeutendsten und zugleich rätselhaftesten Erscheinungen antiker Religiosität42. Dionysos (Sohn des Zeus und der Königstocher Semele), auch images (lat.: Bacchus) genannt, ist eine vielgestaltige und vielschichtige Gottheit. Er stand für die ungebändigte Natur, für Verwandlung und Ekstase, häufig verbunden mit Weingenuss, Musik, Tanz und teilweise wohl ausschweifender Sexualität. Zum Gefolge des Dionysos gehörten triebhafte Mischwesen wie der Satyr, der Hirtengott Pan und die Mänaden, die ekstatischen Anhängerinnen des Gottes. Darüber hinaus spielte Dionysos (bzw. seine Maske) eine wichtige Rolle in Theater- und Kultaufführungen. Ursprünglich war Dionysos wahrscheinlich ein Vegetationsgott, der bereits im ausgehenden 2. Jahrtausend v.Chr. auf Inseln (Kreta) verehrt wurde, thrakische sowie kleinasiatische Einflüsse aufnahm und dann in das griechische Kerngebiet einwanderte, wo sein Kult ab dem 6. Jh. v.Chr. wirklich fassbar ist. Zahlreiche städtische Dionysosfeste und Dionysosheiligtümer, ihm gewidmete Theater und Prozessionen zeugen von seiner großen Popularität43. Im Jahre 186 v.Chr. wurde der Geheimkult der Bacchanalien durch den römischen Senat vorübergehend verboten, weil die nächtlichen Treffen mit orgiastischen Elementen als Verschwörung angesehen wurden und die Ordnung bedrohten (Livius 39 8–18). Danach konnte sich der Dionysos-Kult aber auch in Italien durchsetzen, wofür es zahlreiche archäologische, künstlerische (z.B. in Pompeii) und literarische Zeugnisse gibt. Satzungen von Dionysos-Vereinen zeigen, dass die ekstatischen Elemente wohl Bestandteil des Mythos blieben, aber nicht mehr so praktiziert wurden. Dionysos galt im Besonderen als Garant für ein gutes Leben im Jenseits, das nach antiker Vorstellung mit Trinkgelagen verbunden war. ‚Totenpässe‘44 sicherten den Mysten den Übergang ins Jenseits, wo die Mysterienfeste fortgesetzt wurden und die Eingeweihten ein gutes/besseres Leben führen werden. Dionysos avancierte immer mehr zum Erlöser, der nicht nur die irdischen Sorgen vergessen machte, sondern die Elemente seines Mythos wurden von breiten Schichten symbolisch-allegorisch als Heilsgeschehen gedeutet.

      Isis

      Der Isis-Kult ist in Ägypten seit dem ausgehenden 3. Jahrtausend v.Chr. nachweisbar; in der hellenistischen Zeit nimmt er verstärkt griechische Züge an und verbreitet sich in fast allen Provinzen des römischen Reiches45. So sind z.B. in Alexandria, Korinth, Thessalonich, Puteoli, Pompeii46 und Rom Isis-Mysterien nachweisbar. Der Grundmythos erzählt47, dass Osiris, der brüderliche Gemahl der Isis, von seinem bösen Bruder Seth im Nil ertränkt und zerstückelt wurde. Dann verstreute dieser seine Körperteile über das Land. Isis findet ihren Mann, empfängt von ihm noch den Sohn Horus, um dann zusammen mit ihrer Schwester Nephthys den Osiris zu beweinen und zu bestatten. Osiris tritt seine Herrschaft im Reich der Toten an, während Horus heranwächst und mit der Hilfe der Isis den bösen Bruder Seth besiegt. Schließlich wird Horus so zum wahren Herrscher der Welt. Während Horus in der Oberwelt herrscht, üben Osiris und Isis ihre Herrschaft in der Unterwelt aus. Im Verlauf der Hellenisierung des Kultes wird Osiris teilweise mit dem Gott Sarapis identifiziert und nimmt immer mehr Züge des allgewaltigen Zeus an. Der Mythos von der Tötung des Osiris und seiner Wiederbelebung durch Isis symbolisiert nicht nur den ewigen Kreislauf von Vergehen und Neuwerden; er eröffnet darüber hinaus zahlreiche Anknüpfungspunkte: In den Weihen des Isis-Kultes erleben die Mysten bereits jetzt den Gang bis an die Grenze des Todes, sie erleben einen ‚freiwilligen Tod‘, der sie auf das Zukünftige vorbereitet. So berichtet der Myste bei Apuleius über das zentrale Geschehen einer Isisweihe: „Ich bin an die Grenze des Todes gekommen und habe die Schwelle der Proserpina betreten, durch alle Elemente bin ich gefahren und dann zurückgekehrt, um Mitternacht habe ich die Sonne in blendend weißem Lichte leuchten sehen, den Göttern droben und drunten bin ich von Angesicht zu Angesicht genaht und habe sie aus nächster Nähe angebetet.“48 Die ‚Himmelskönigin‘49 Isis verheißt dem Mysten nicht nur ein glückliches Leben, sondern auch Geleit durch die Unterwelt50. Die Teilhabe am Schicksal der Gottheit verleiht den Mysten einen neuen Status; Isis weist als Mitherrscherin der Unterwelt, Gattin und Mutter den Mysten den Weg durch das gefahrvolle

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