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keineswegs auf die Diaspora beschränkt, sondern auch in Palästina allgegenwärtig. Insbesondere seit dem 3. Jh. v.Chr. setzten sich immer mehr griechische Lebensweisen durch, die durch den Makkabäeraufstand (s.u. 3.3) eingedämmt, aber keineswegs überwunden wurden. Davon zeugen nicht nur zweisprachige oder griechische Inschriften und Sarkophage, sondern auch zahlreiche Theater, Amphitheater und Hippodrome14. Das Badewesen als besonderer Ausdruck griechischen Lebensgefühls wurde in das Judentum integriert und Regionalherrscher wie Herodes d. Gr. (40–4 v.Chr.) und seine Söhne führten sich wie hellenistische Fürsten auf. So war das architektonische Programm der Erneuerung des Jerusalemer Tempels unter Herodes griechisch: Prunkarchitektur mit riesigen Säulenhallen und korinthischen/ionischen Kapitellen. In Galiläa weisen Sepphoris und die neue Hauptstadt Tiberias (seit 19 n.Chr.; benannt nach dem Kaiser Tiberius) deutlich eine hellenistische Prägung auf. Herodes Antipas (4 v.Chr. − 39 n.Chr.) war wie sein Vater Herodes d. Gr. ein nach Rom orientierter hellenistischer Herrscher, der zugleich seine jüdische Identität hervorhob. Die Heirat von Herodes Antipas mit Herodias, die zuvor mit einem seiner Halbbrüder verheiratet war, wurde von Johannes d. T. angeprangert (vgl. Lk 3,19–20; Mk 6,14–29). Diese politisch-kulturelle (anti-hellenistische?) Kritik hatte die Hinrichtung des Täufers zur Folge (s.u. 3.3). Offenbar fürchtete Herodes Antipas den Täufer ebenso wie Jesus (vgl. Lk 13,31–32) als Führer messianischer Bewegungen.

      Der Hellenismus hob die Identität des Judentums nicht auf, veränderte sie aber, indem es sich nun als ein Teil einer Globalkultur verstehen lernte, der man sich nicht entziehen konnte und wollte.

      Das Neue Testament ist ein Teil des Hellenismus

      Auch das Neue Testament ist Teil und Ausdruck des Hellenismus, denn der Hellenismus begünstigte zweifellos das Entstehen neuer religiöser Bewegungen und die damit verbundenen Verschmelzungsprozesse. Alle Schriften des Neuen Testaments liegen in griechischer Sprache vor; keine einzige Schrift wurde in Palästina abgefasst, sondern sie entstanden vor allem in Kleinasien, Griechenland und Rom. Das Wirkungsfeld der neuen Bewegung lag von einem sehr frühen Zeitpunkt an auch außerhalb Palästinas und verlagerte sich vor allem mit der paulinischen Mission in genuin griechisches Gebiet. Paulus war ein Diasporajude aus der hellenistischen Metropole Tarsus, der in Jerusalem als Phariäser ausgebildet wurde (vgl. Apg 22,3), aber auch über eine griechische Bildung verfügte15. In den paulinischen Gemeinden lebten mehrheitlich Menschen aus griechisch-römischer Tradition, die nicht erst mit dem Hellenismus in Berührung kommen mussten, sondern aus dem Hellenismus stammten. Die literarischen Gattungen des Neuen Testaments wie die Paulusbriefe, die Evangelien oder die Apostelgeschichte haben ihre nächsten Parallelen in der hellenistischen Literatur. Das frühe Christentum entwickelte sich nicht aus dem Judentum zum Hellenismus hin, sondern es war von Anfang an ein Teil des Hellenismus! Die Frage nach dem Einfluss des Hellenismus lässt sich deshalb nicht auf die These reduzieren, alles Hellenistische im frühen Christentum sei durch das hellenistische Judentum vermittelt worden16. Vielmehr wird nicht nur an der Gestalt des Paulus deutlich, dass die frühen Christen an Debatten teilnahmen, die sowohl im Judentum als auch im genuin griechisch-römischen Bereich geführt wurden.

      Doppelte Traditionstiefe

      Die Verankerung des frühen Christentums im (vorwiegend hellenistischen) Judentum wird damit keineswegs geleugnet. Die frühen Christen lebten in dem Bewusstsein der grundlegenden Kontinuität zur Geschichte Gottes mit Israel; sie lebten aus der Septuaginta, hier fanden die Glaubenden Vorverweise auf Gottes Handeln in Jesus Christus und bildeten im lebendigen Umgang mit den Schriften ihre Frömmigkeit aus (z.B. in den Psalmen). Daraus sollten aber keine falschen Alternativen abgeleitet werden, denn die frühchristlichen Gemeinden agierten innerhalb eines übergreifenden Kulturraumes, zu dem selbstverständlich auch die griechisch-römische Kultur gehörte. Eine doppelte Traditionstiefe, nämlich sowohl im Judentum als auch im Hellenismus, war eine der entscheidenden Voraussetzungen für die erfolgreiche Rezeption des neuen Glaubens in gemischten Gemeinden und deshalb geradezu charakteristisch für das frühe Christentum!

      GEORG WISSOWA, Religion und Kultus der Römer, München 21912. – MARTIN P. NILSSON, Geschichte der griechischen Religion I.II, München 31967.21961. – KURT LATTE, Römische Religionsgeschichte, München 1960. – ROBERT MAXWELL OGILVIE, … und bauten die Tempel wieder auf. Religion und Staat im Zeitalter des Augustus, Stuttgart 1982. – WALTER BURKERT, Art. Griechische Religion, TRE 14, Berlin/New York 1985, 235–252. − JAN N. BREMMER, Götter, Mythen und Heiligtümer im antiken Griechenland, Darmstadt 1996. – HANS-JOSEF KLAUCK, Umwelt des Urchristentums I, 27–76. – JÖRG RÜPKE, Die Religion der Römer, München 2001. – PAUL VEYNE, Die griechisch-römische Religion, Stuttgart 2008. – WALTER BURKERT, Griechische Religion der archaischen und klassischen Epoche, Stuttgart 22011. − MARTIN EBNER, Die Stadt als Lebensraum der ersten Christen, 101–137. − DIETRICH-ALEX KOCH, Geschichte des Urchristentums, 67–88. – BERNHARD LINKE, Antike Religion, München 2014.

      Die griechische Religion ist sehr komplex und uneineinheitlich; geographisch umfasst sie außer dem eigentlichen Griechenland ab dem 8. Jh. v.Chr. auch Süditalien und die Schwarzmeerküste, seit Alexander dem Großen die Gebiete von Kleinasien, Syrien, Ägypten bis hin in den Irak und den Iran. Die Fundamente dieser Religion bilden das lokale und familiäre Brauchtum, wobei als Charakteristika gelten können: 1) ein mythologisch ausgerichteter Polytheismus; 2) eine hochentwickelte Bildkunst und Tempelarchitektur, 3) eine öffentliche Kultpraxis, konzentriert auf das Tieropfer bei lokalkalendarisch festgelegten Festen. Es fehlen in der griechischen Religion: 1) konstitutive Offenbarungsschriften17; 2) Religionsstifter und 3) ein landesweit organisiertes Priestertum.

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      Griechische Tempel (5. Jh. v. Chr.) in Paestum (südlich von Neapel); Foto: Udo Schnelle

      Homer und Hesiod

      Innerhalb der griechischen Religion haben Homer (8. Jh. v.Chr.) und Hesiod (ca. 740–670 v.Chr.) die Genealogie der Götter überliefert, ihre Beinamen aufbewahrt und ihre Zuständigkeiten bestimmt18. Für unsere Epoche entscheidend sind die homerischen Götter, die man sich wie eine Großfamilie auf dem Götterberg Olympos vorstellte. In den olympischen Göttern werden all die Mächte sichtbar, die das Leben bestimmen und verständlich machen. Zumeist werden 12 Götter dem Olymp zugerechnet, die Anzahl variiert jedoch19.

      1) An erster Stelle steht Zeus (images Gen. images römisch: Jupiter), für die Griechen im Besonderen der blitzschleudernde Wettergott, der stärkste aller Götter. Bei Hesiod wird der Mythos überliefert, wie Zeus die alten Götter, vor allem seinen Vater Kronos und die Titanen stürzte und in der Unterwelt fesselte. Zeus repräsentiert eine sieghafte Ordnung, der sich alle zu unterwerfen haben und die denen Vorteile verschafft, die als Söhne des Zeus daran teilhaben dürfen. Zeus steht über allen Parteien, und hat niemanden über sich. Er ist auch der einzige Gott, der zum Allgott erhoben werden konnte: der Gott der Erde, des Himmels, des Alls und auch der Unterwelt.

      2) Hera (images römisch: Juno) ist die eifersüchtige und zänkische Gattin des Zeus; im Kult wird sie aber als große mütterliche Göttin verehrt, die über den Opferfesten thront.

      3) Poseidon (images römisch: Neptun) ist der Bruder des Zeus; der Herr der Meere, Patron der Fischer und Reiter.

      4) Athena (images römisch: Minerva), die Burggöttin von Athen; sie entsprang dem Haupt des Zeus und ist als bewaffnete Jungfrau die Beschützerin ihrer Stadt.

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