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ohne Knochen»

       Die neue Wertschätzung

      Allerdings gibt es – besonders in jüngerer Zeit – nicht nur negative literarische Einschätzungen von Moor und Heide. So schreibt beispielsweise Hermann Löns (1866–1914) über das Bissendorfer Moor – heute ein Naturschutzgebiet – : «Wer es [öde, traurig und verlassen] schimpft, der kennt es nicht. […] Im Frühherbst, wenn die Heide blüht, dann gewinnt dem Moor jeder Mensch Geschmack ab, und auch im Spätherbst, wenn das Birkenlaub goldgelb leuchtet, findet man es schön. […] Wen es aber gelüstet, aus dem Lärm der Stadt herauszukommen und einmal alleine zu sein, keine Menschen um sich zu sehen, die überall die Wälder füllen, der muss in das Moor hinauswallen.»

       Lebensraum Moor

       Zwischen tropfnass und staubtrocken

      Moor und Heide nennt man oft (und auch in diesem Buch) in einem Atemzug, obwohl beide Lebensraumtypen, genauer betrachtet, nicht unbedingt ganz so eng zusammengehören und tatsächlich eher ein Gegensatzpaar bilden: Das Moor ist in seinem ökologischen Profil ein vom Wasser dominiertes Gelände, auf das zumeist auch die nicht allzu positiv besetzten Begriffe Morast und Sumpf passen. Eine Heide kann man dagegen durchaus zutreffend als Sonderfall eines Trockenbiotops auffassen.

       «Vielfältig und verschieden»

      Das legt eine saubere begriffliche Abgrenzung nahe, aber die gelingt nicht so ganz einfach. Sie wird unter anderem dadurch erschwert, dass beispielsweise sowohl auf der Heide als auch im Moor zahlreiche Vertreter der Heidekrautgewächse (Ericaceae) vorkommen. Mitunter liegen kleine Moore auch inmitten ausgedehnter Heidegebiete wie etwa im Fall der Dünentälchenmoore, die sich beispielsweise auf den Nordseeinseln in den Senken der verheideten Braundünenzüge verstecken. Umgekehrt können auch größere Moorflächen im Randbereich einen klaren Heidecharakter annehmen, und außerdem gibt es in der Vegetationskunde den – zugebenermaßen nicht besonders glücklich gewählten – Begriff der Heidemoore. Auf diesen Lebensraumtyp trifft man beispielsweise in der Wahner Heide, dem größten nordrhein-westfälischen Naturschutzgebiet, in das man unglücklicherweise den Großflughafen Köln-Bonn platziert hat.

      Moore und Heiden sind, wie bereits gesagt, im Prinzip gänzlich gegensätzliche Lebensräume. Das zeigt sich klassischerweise in ihrer Entstehungsgeschichte: Moore sind natürlich gewachsene Lebensräume bzw. Lebensgemeinschaften. Sie sind gleichsam die letzten inselartig erhaltenen Reste eines in der Spät- und frühen Nacheiszeit weitflächig verbreiteten Pflanzenkleides unserer Landschaften. Heiden sind dagegen im typischen Fall erst unter der Hand des wirtschaftenden Menschen entstanden, der mit Beginn der Jungsteinzeit seine Existenzsicherung von der jagend-sammelnden Aneignungswirtschaft auf die ortsgebundene Pflanzen- und Tierproduktion umstellte und die ersten bäuerlichen Kulturen etablierte. Mit der vor ca. 7000 Jahren auch in Mitteleuropa einsetzenden neolithischen Revolution begannen die frühen Siedlerkulturen die Wälder zu roden und Freiflächen für den Nutzpflanzenanbau zu schaffen. In der Folge wurde in Gebieten mit Sandböden der Oberboden durch Auswaschung in kurzer Zeit immer nährstoffärmer und verhalf so nur wenigen anspruchslosen Spezialisten unter den Pflanzen zur Flächendominanz – es entstanden erste Heiden. Heidegebiete sind somit Dokumente der Wirtschaftslandschaft früherer Jahrhunderte. Dennoch sind sie nicht nur im Blühaspekt, sondern auch in biologisch-ökologischer Hinsicht ungemein faszinierend.

       «Vom Moor zur Heide»

      Hochmoorgelbling (Colias palaeno)

      Heidelandschaft

       «Wenn die Heide blüht»

       Fragen

Was dokumentieren Heidelandschaften?
Welche Bedingungen führen zur Entstehung eines Moors?

       Antworten

      Blühende Sumpfwiese

      Überall auf der Erde befinden sich Wasser und Festland in ständigem Konflikt miteinander. Die sichtbaren Ergebnisse dieser Auseinandersetzungen sind die jeweiligen Landschaftsbilder. Schon das kleinste Rinnsal gräbt sich selbst eine Abflussrinne, der rauschende Bergbach legt mit der Zeit tiefe Täler an, und auch der breite behäbige Tieflandstrom modelliert immerfort an seinen Ufern herum. Noch eindrucksvoller zeigt sich das stetige Gerangel zwischen den bewegten und festen Elementen an den brandungsexponierten Meeresküsten. Gewöhnlich steht hier das Festland als eindeutiger Verlierer da.

       Lebensraum Moor

      Oftmals durchdringen sich Wasser und festländisches Lockermaterial gegenseitig und bilden dann Mischphasen, für die man im Alltag gerne die Bezeichnungen «Matsch», «Modder» oder «Morast» verwendet. Die fachwissenschaftliche Sicht der Bodenkundler, Geologen und Ökologen sieht es distanzierter: Sie weisen darauf hin, dass sich – zumal über wasserundurchlässigem Untergrund – Staunässe entwickelt. Zufließendes oder über die Niederschläge eintreffendes Wasser bleibt dadurch an Ort und Stelle. Es könnte allenfalls durch direkte Verdunstung seinen Weg zurück in die Atmosphäre antreten, aus der alles Oberflächen- und Grundwasser der Festländer letztlich stammt. Solche wassergesättigten Böden sind die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung der Feuchtgebiete vom Typ der Sümpfe und Moore, die weder richtige Gewässer noch eindeutige Festlandlebensräume darstellen, sondern irgendwo dazwischen einzuordnen sind.

      Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica)

       Moorauge

       Sumpf und Moor – ein «grund»legender Unterschied

      Was aber unterscheidet einen Sumpf von einem Moor? Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal betrifft das Schicksal der in einem solchen Lebensraum anfallenden abgestorbenen Pflanzensubstanz. In jedem Ökosystem fällt während und vor allem gegen Ende der Vegetationsperiode eine Menge organisches Material an. Besonders augenfällig ist dies im Laubwald: Kaum sind die Blätter im Frühjahr den schützenden Winterknospen entwachsen, rieseln kilogrammweise Knospenschuppen und wenig später die entbehrlichen Blüten(teile) auf den Waldboden. Geradezu dramatisch wächst das Abfalldepot am Waldboden im Herbst, wenn nach furiosem farblichem

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