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Zueinander zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern mit dem Wort der Freundschaft, die er als selbstlos auszudeuten versucht. Was diese Selbstlosigkeit meint, darüber kann man streiten. Ob sie jegliche sexuelle Kommunikation ausschließen muss oder nicht. Aber die moderne Theologie der christlichen Ehe und Familie denkt darüber nach, dass es gerade der Kernbegriff der Freundschaft ist, welche die innere Mitte, die personale Spontanität der Liebe, das vielfältig differenzierte Engagement von Menschen füreinander in den unterschiedlichen Familienformen gemeinsam kennzeichnen.

       ALLE HABEN EINE HEIMAT IN DER KATHOLISCHEN KIRCHE

      Das ABC wirklich tiefer Freundschaft, also Vertrauen, Hingabe, Verzicht, alltägliche (auch materielle) Solidarität, aber ebenso taktvolle Distanz, gekonnte Auseinandersetzung, Mitleiden und sich mitfreuen – all das lernen wir vor allem an unseren (primären) Beziehungen. Die Entwicklungspsychologie beschreibt die erste Erfahrung solcher Beziehung am Verhältnis zu Mutter und Vater. Rein sozialwissenschaftlich-statistisch ist dabei noch immer der „Normalfall“ von Partnern mit ihren gemeinsamen Kindern gemeint. Ja, die Soziologie behauptet gelegentlich sogar, die Familienorientiertheit von Ehe und Partnerschaft käme in dem heutigen Verhalten der Menschen wieder neu zum Ausdruck, dass sie verstärkt (erst) in dem Augenblick heiraten, wenn sie ein Kind erwarten. Sicherlich: die Suche nach Alternativen, die Würde und Ehrlichkeit der verschiedenen Formen gelebter Gemeinschaft mit Kindern, mit Partnern, mit älteren Menschen, mit Freundinnen und Freunden ist ein ganz wichtiges Kennzeichen moderner Lebenskultur. Und sie bringt den moralischen „Wert“ der Freundschaft in ganz vielfältiger Form, aber ganz im Sinne ihrer grundlegenden menschlichen Bedeutung zur Geltung – noch vor den Ausfaltungen in Ehe, Leben mit und ohne Kindern, lebenslanger oder zeitweiser Partnerschaft, verschiedengeschlechtlichen und gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Entspricht das nicht auch der christlichen Tradition, wie sie die katholische Kirche kennt?

      Eigentlich ist es dabei überhaupt nicht wichtig, ob sich dahinter die alten tiefen Spuren der natürlichen Bedürfnisse verbergen, von denen die christliche Naturrechtslehre immer wieder zu sprechen versucht. Oder ob es Versuche der Kompensation sind, mit der Menschen auf den Verlust alter, vertrauter Werte unter den belastenden oder freimachenden Bedingungen moderner Gesellschaft zu reagieren versuchen. Ob es das alte Vertraute ist oder das Neue, Ungewohnte und dadurch Lebendigkeit Schenkende. Die christlichen Familienformen mögen in ihrer unterschiedlichen Ausprägung einmal das eine, dann wieder das andere stärker zum Ausdruck bringen. Sie haben alle eine Heimat in der katholischen Kirche. Dabei macht es auch nichts, wenn mitunter Extreme vertreten werden. Theologie und Kirche haben die Kraft, sie zu integrieren. Und wenn schon moderne Technik – ich erinnere noch einmal an meine Sprachsoftware, ein Wunder fortschrittlichster Erfindung und menschlicher Kreativität – am Alten, Gewohnten entlang das Neue aufzunehmen lernt, darf das dann nicht auch die Kirche in genau diesem Sinne tun?

      So möchte ich mit einem dreifachen Hurra schließen: einem Hurra auf die Freundschaft, einem Hurra auf die Freundschaft in der Familie und einem Hurra auf die Familie!

       Der Spagat der Theologen

      Die Replik von Andreas Püttmann auf Josef Römelt

      Dem Beitrag von Josef Römelt kann ich weitgehend zustimmen. Mir fehlt allerdings eine klare Antwort auf die Titelfrage, ob die Familie nun „kirchlich unter- oder überschätzt“ werde. Insgesamt fällt mir als Politologe der um Harmonisierung bemühte Duktus auf. An einigen Stellen fordert er meinen Einspruch heraus.

      Dass „die Übernahme und Gestaltung einer gleichgeschlechtlichen Lebensform der freien Bestimmung der Betroffenen anvertraut“ sei und diese sich „dazu entscheiden, homosexuell zu sein“ – wie „bei den vielen anderen Seiten der eigenen Biografie: Berufswahl, Wahl des Wohnortes oder Ähnliches“, halte ich für eine emanzipatorisch-liberale Fiktion. In der Regel dürfte doch eine schicksalhafte Disposition vorliegen und nicht eine „Wahl“, „Entscheidung“ oder „übernommene“ „Lebensform“. Diese Diktion spielt jenen Realitätsverweigerern in die Hände, die Homosexuellen eine willentliche Auflehnung gegen Gottes Schöpfungsordnung vorwerfen.

      Auch die den „bedrängenden Vorgaben“ der Kirche positiv entgegengestellte „Vielfalt im Erleben von Sexualität“ halte ich für semantisch problematisch. „Vielfalt“ gilt in unserer pluralen Gesellschaft als erstrebenswert und ist notfalls sogar regulativ zu fördern: Artenvielfalt durch den Naturschutz, Angebotsvielfalt durch das Bundeskartellamt, Meinungsvielfalt durch die Kommunikationsgrundrechte usw. Kann es aber sinnvoll sein, sexuelle Vielfalt zu fördern? Ich meine nicht. Es kann nur darum gehen, in der Natur vorgefundene sexuelle Verschiedenheit in einem menschenfreundlichen Klima der Toleranz zu akzeptieren und den Einzelnen das Beste daraus machen zu lassen.

       PARTNERSCHAFTSGESTALTUNG?

      Die Frage „Führt die versuchte Offenheit intimer Beziehungen (Anm.: Umschreibung für Promiskuität?) wohl auch zu Phänomenen psychischer Ausnutzung und Erschöpfung? Der fehlende Mut zur Bindung zur Vertiefung der Einsamkeit der Menschen – mitten in aller Offenheit der Intimität – bis hin zur Isolation?“ sollte nicht nur gestellt, sondern bejaht werden. Wenig sinnvoll erscheint mir die Feststellung „Wer sich z.B. zu einer gleichgeschlechtlichen Lebensgestaltung entschließt, drückt darin zugleich auch den Verzicht darauf aus, Kinder mit einem Partner (auf natürliche Weise) zu zeugen und ins Leben zu begleiten“. Sollten etwa Homosexuelle um einer Elternschaft willen lieber heterosexuell heiraten wie es früher oft geschah – und nicht selten zu unglücklichen, doppelbödigen Ehen führte? Und was soll eine „gleichgeschlechtliche Lebensgestaltung“ sein? Gemeint ist wohl Partnerschaftsgestaltung, aber zur gleichgeschlechtlichen Partnerschaft „entschließt“ man sich nicht wie für eine Wohnzimmergestaltung.

      Für sehr wichtig halte ich Josef Römelts Aussage: „Die Liebe lebt immer auch vom Glauben der beiden Partner an ihre Stabilität, besonders in den Konflikten. So macht sich der Glaube zum Anwalt der Hoffnung, dass das gemeinsame Leben trägt – eine Ressource, die in den raschen Rhythmen des gegenwärtigen Lebens unabdingbar notwendig ist. Sie erhebt Einspruch gegen die Skepsis, die immer schon mit dem Scheitern rechnet.“ Christliche Religiosität und Kirchennähe begünstigen Ehevertrauen und Ehestabilität. Gott als „Dritter im Bunde“ verbindet, stärkt, tröstet und beschwingt.

       KEIN KRATZER IM GLANZ

      „Diese Fruchtbarkeit der Liebe in den Kindern, welche die Zukunft in ihren kleinen Händen halten, kann durch kein noch so radikales berufliches oder gesellschaftliches Engagement eingeholt werden“: als Lyrik spricht auch mich das spontan an, doch die „Fruchtbarkeit der Liebe“ einer Mutter Teresa, eines Maximilian Kolbe oder Janusz Korczak erscheint mir nicht minder faszinierend.

      Schließlich wirbt der Autor hinsichtlich „christlicher Familien“ harmonisierend „für ein Verständnis, welches die unterschwellige Verachtung der gleichgeschlechtlichen Liebe, die auch in der offenen Gesellschaft als Versuchung nicht einfach verschwunden ist, überwinden hilft. Weil eine Verurteilung völlig unangemessen ist. Weil auch in ihr etwas jenseits dogmatischer, kirchenrechtlicher und liturgischer Hochform von der sakramentalen Würde menschlicher Liebe und Fruchtbarkeit Wirklichkeit wird.“ Als Politologe sticht einem hier ein Spagat des Theologen ins Auge: immerhin sind gleichgeschlechtliche Neigungen nach kirchlicher Lehre „objektiv ungeordnet“ und homosexuelle Akte sündhaft. Von nur weniger als der „Hochform“, von „unangemessener Verurteilung“ sowie „sakramentaler Würde“ könnte doch demnach keine Rede sein? Führt dieser Spagat nicht zur Überdehnung von doktrinärem Standbein und reflexivem Spielbein? Geht es hier vielleicht gar nicht „um eine zu enge kirchliche Moral“, die nur gelockert werden müsste, sondern um eine Moral auf humanwissenschaftlich überholter Grundlage? Dann müsste sich eine „Glaube und Vernunft“ verpflichtete Kirche „der Thematik der Homosexualität im Ganzen neu stellen“ (Karl Kardinal Lehmann) – ohne Angst davor, dass dies einen Kratzer im Glanz ihres überzeitlichen Wahrheitsanspruchs

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