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wie ihr seht, nicht eher den Krieg erklärt, bis sie die besten Veranstaltungen getroffen zu haben glaubten. Von uns aber denkt Niemand auf Gegenmittel, um den Feind aufs Rühmlichste zu bekämpfen. Und doch, was wird unser Schicksal sein, wenn wir uns nun unterwerfen, wenn wir nun in den Händen des Königs sind? Eines Königs, der seinem leiblichen Bruder, der schon todt war, noch den Kopf und die Hand abhauen, und seinen Leichnam an das Kreuz schlagen ließ! Wir aber, deren sich kein Fürsprecher annimmt, wir, die gegen ihn stritten, um ihn aus einem Könige zum Sklaven zu machen, wir, an deren Willen es gewiß nicht lag, daß wir ihm nicht das Leben raubten, was werden wir zu leiden haben? Wird er nicht Alles anwenden, um durch das grausamste Verfahren gegen uns alle Menschen abzuschrecken, je wieder eine ähnliche Unternehmung gegen ihn zu wagen? Wir müssen daher alle unsre Kräfte aufbieten, um nicht in seine Gewalt zu kommen. Während des Waffenstillstandes hörte ich nicht auf, unser Loos zu bedauern, den König hingegen und seine Leute glücklich zu preisen, da sich mir die Betrachtung aufdrängte, was für große und treffliche Ländereien, welchen Ueberfluß an Lebensmitteln, was für eine zahlreiche Dienerschaft, welchen Reichthum an Vieh, Gold und Kleidungsstücken sie besitzen. Wenn ich dann wieder auf unsre Armee zurückblickte und fand, daß uns von allen jenen Gütern nichts gehörte, als was wir bezahlen konnten, und daß bei der geringen Anzahl derer, die noch im Stande waren, etwas zu kaufen, uns dennoch das Bündniß die Hände band, auf eine andre Art, als durch Ankauf unsre Bedürfnisse zu befriedigen, so war mir bisweilen das Bündniß furchtbarer, als jetzt der Krieg. Nun haben sie selbst den Vertrag gebrochen und mit ihm, glaube ich, hört zugleich ihr Uebermuth gegen uns und unser Argwohn gegen sie auf. Denn jetzt können wir alle diese Güter als Kampfpreise betrachten, bestimmt für das Heer, das am muthigsten kämpfen wird. Kampfrichter sind die Götter, die, der Gerechtigkeit nach, uns beistehen werden. Denn bei ihnen haben jene Meineidigen geschworen, wir aber, treu unserm Schwure, enthielten uns standhaft, von ihrem Ueberflusse uns etwas anzueignen; so können wir aber auch ungleich frohern Muthes als sie in die Schlacht gehen. Ueberdies ist unser Körper gegen Hitze, Kälte und Arbeit mehr abgehärtet, als der ihre und uns beseelt, den Göttern Dank, edler Muth. Ihre Soldaten sind verwundbarer und dem Tode mehr ausgesetzt als wir, wenn uns die Götter, wie beim ersten Mal, den Sieg verleihen. Doch, das habt ihr schon wol selbst bedacht. Aber, bei den Göttern! laßt uns nicht auf Andere warten, um von ihnen zu Thaten der Unsterblichkeit aufgefordert zu werden; laßt uns selbst den Anfang machen, unsere Waffenbrüder zur Tapferkeit zu entflammen. Seid von den Hauptleuten die tapfersten und der Feldherrnstelle würdiger als jene, die sie bekleiden. Wollt ihr selbst die Anführung übernehmen, so will ich euch folgen; wählt ihr aber mich zum Anführer, so will ich mich nicht mit meinem geringen Alter entschuldigen, sondern ich glaube vielmehr gerade jetzt in dem kräftigsten Alter zu sein, um die Gefahren des Krieges zu bestehen.« Nach dieser Rede forderten ihn die Hauptleute einstimmig auf, das Commando zu übernehmen. Nur ein gewisser Apollonides, der sich wegen seines Dialektes als einen Böotier aufspielte, erklärte sich dagegen und nannte den einen Schwätzer, der für die gemeinschaftliche Rettung irgend einen andern Vorschlag machte als den, bei dem Könige um Gnade zu bitten; und zugleich fing er an, die Schwierigkeiten aufzuzählen. Xenophon aber unterbrach ihn mit den Worten: »O, du unbegreiflicher Mensch! Wo hast du deine Augen? Wo bleibt dein Gedächtniß? Du bist doch eben so, wie diese hier, zugegen gewesen, als der König durch Cyrus' Fall zum Stolze verleitet, uns durch Herolde die Waffen abfordern ließ. Als er aber sah, daß wir, statt die Waffen abzuliefern, gerüstet heranrückten und unser Lager in der Nähe des seinigen aufschlugen, gab er sich da nicht alle erdenkliche Mühe, uns durch seine Gesandten, durch Lieferung der Lebensmittel, zu einem Vertrage zu bewegen, bis wir in seine Vorschläge einwilligten? Endlich ergriffen die Heerführer und Hauptleute eben die Maßregel, zu der du uns zu bewegen suchst; sie gingen im Vertrauen auf den Waffenstillstand unbewehrt zu den Persern, um sich mit ihnen zu besprechen; und nun denke, wie sehnlich sich diese Armen, geschlagen, gestoßen, beschimpft, wahrscheinlich den Tod wünschen, der vor ihnen flieht. Alles dies weißt du und kannst die Männer, die zur Gegenwehr auffordern, Schwätzer nennen und uns ein nochmaliges Gnadengesuch anrathen? Waffenbrüder, ich schlage vor, diesen Menschen nicht länger in unserer Mitte zu dulden; man nehme einem Manne die Würde eines Hauptmannes, den man zu nichts als zum Trainknecht brauchen kann; denn er entehrt sein Vaterland und ganz Hellas, da er, ein Hellene, so niedrig denkt!« – »O, diesen Menschen,« rief da der Stymphalier Agasias, »geht weder Böotien, noch überhaupt Griechenland etwas an: denn ich habe bemerkt, daß ihm, wie einem Lydier, beide Ohren durchbohrt sind.«
32 Dies bestätigte sich und Jener wurde fortgejagt. Die Andern aber gingen durch die Gassen des Lagers und riefen die noch lebenden Hauptleute und Heerführer, und da, wo einer der Letzteren fehlte, den Unterbefehlshaber herbei. Als sie sich nun Alle, Heerführer und Hauptleute, zusammen an hundert Personen, versammelt hatten, setzten sie sich vor die Fronte des Lagers. Es war jetzt beinahe Mitternacht. Da nahm Hieronymus aus Elis, der älteste von Proxenus' Hauptleuten, das Wort:
»Heerführer und Hauptleute, die Betrachtung der gegenwärtigen Lage empfahl uns den Gedanken, zusammenzukommen und auch euch herbeizurufen, um, wo möglich, einen heilsamen Entschluß zu fassen. Xenophon, trage jetzt deine Rathschläge, die du uns mittheiltest, vor.«
Hierauf sprach Xenophon: »Es ist uns Allen bekannt, daß der König und Tissaphernes so Viele von uns, als sie konnten, gefangen nahmen, und daß sie den Uebrigen auflauern, um wo möglich auch sie zu vertilgen: wir müssen daher, meines Erachtens, Alles aufbieten, um nicht einmal den Feinden in die Hände zu gerathen, sondern vielmehr sie selbst in unsere Gewalt zu bringen. Bedenkt also wohl, daß auf das Verhalten eines Jeden, so viel hier versammelt sind, jetzt äußerst viel ankommt: alle Soldaten sehen auf euch, und finden sie euch muthlos, so werden sie alle zagen; fordert ihr sie aber durch Zuruf und eignes Beispiel auf, sich gegen den Feind zu rüsten, so seid überzeugt, sie werden euch folgen und nachahmen. Doch es ist auch eure Pflicht, euch vor ihnen auszuzeichnen; denn ihr seid die Heerführer, ihr seid die Unterbefehlshaber und Hauptleute. Als noch Friede war, hattet ihr an Vermögen und Rang Vorzüge vor ihnen; jetzt im Kriege müßt ihr euern höhern Werth geltend machen, und der Menge, wo es die Umstände fordern, mit Rath und That vorangehen. Eure erste und meines Erachtens äußerst heilsame Sorge für die Armee sei also jetzt die, an die Stelle der hingerichteten Heerführer und Hauptleute andere zu wählen. Denn ohne Anführer kann überhaupt in keiner Lage, am wenigsten aber im Kriege, etwas Großes und Nützliches ausgeführt werden: hier hängt der glückliche Erfolg sehr von der Ordnung ab, und ihre Vernachlässigung hat schon Viele ins Verderben gestürzt. Nach der Erwählung der gehörigen Anzahl von Anführern habt ihr, glaube ich, nichts Angelegentlicheres zu thun, als eure Soldaten zu versammeln und ihnen Muth einzuflößen. Denn ihr habt wol schon selbst die Bemerkung gemacht, wie muthlos sie jetzt sind, wenn sie auf ihre Posten gehen oder ins Lager zurückkommen: in dieser Verfassung würden sie, glaube ich, weder bei Nacht noch am Tage zu einer Unternehmung zu gebrauchen sein. Verändern wir aber diese Stimmung und lenken ihre Aufmerksamkeit von dem Schicksal, das sie befürchten, auf die Pflichten, die ihnen obliegen, so wird sich ihr Muth in hohem Grade beleben. Denn nicht die Menge, nicht die Stärke ist es, wie ihr wohl wißt, die im Kriege den Sieg herbeiführt; sondern gewöhnlich ist es der höhere Muth, mit dem man, im Vertrauen auf die Götter, die Schlacht beginnt, dem der Feind nicht zu widerstehen vermag. Auch die Betrachtung drängt sich mir auf, daß Leute, die im Kriege kein Mittel verschmähen, um nur ihr Leben zu retten, in ihrer Feigheit und Niederträchtigkeit gewöhnlich den Tod finden; aber Krieger, die sich überzeugen, daß der Tod unvermeidlich alle Menschen trifft und nur um einen rühmlichen Tod kämpfen, erreichen, wie ich sehe, öfters ein höheres Alter als jene, und so lange sie leben, mehrt sich ihr Glück mit den Jahren. Von diesen Betrachtungen durchdrungen, müßt ihr, wie die jetzige Lage es erheischt, durch das Beispiel eurer Tapferkeit die Uebrigen beseelen!« Damit endete er.
Hierauf sprach Chirisophus: »Xenophon, vorher kannte ich dich nicht näher, als daß ich dich einen Athener nennen hörte: jetzt aber empfiehlst du dich mir durch Rede und That, und ich wünschte zum allgemeinen Besten, wir hätten noch mehr solcher Männer. Jetzt, ihr Waffenbrüder, laßt uns nicht zaudern, sondern geht und wählt die fehlenden Anführer, nachher kommt mit ihnen in die Mitte des Lagers, wo wir dann das ganze Heer versammeln wollen. Tolmides, der Herold, soll auch da sein!« Mit diesen Worten stand er auf, um ohne Verzug das Nöthige anzuordnen. Hierauf wurden die Anführer gewählt: für Klearch Timasion aus Dardanus, für Sokrates Xanthikles aus Achaja,
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