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er gerade eine gute Chance zum Überholen verpasst hatte. Der Kommissar hob entschuldigend die Hand. »Ja, nenn mich halt Schlafmütze, was soll’s. Dem Franz pressiert’s auch nicht mehr. Der hat seine letzte Einsatzfahrt hinter sich.«

      In Schönmünzach fiel ihm ein, dass er gar nicht an Carla gedacht hatte. Schnell drückte er die Kurzwahl für die Mobilnummer seiner Frau und hörte das Tuten aus dem Lautsprecher des Smartphones, das er mit einer Halterung an der Frontscheibe befestigt hatte. Freisprecheinrichtung light, sozusagen. Bluetooth und andere moderne Technik gab es in der betagten Limousine natürlich noch nicht.

      »Oskar, was gibt’s?«, ertönte Carlas muntere Stimme. »Möchtest du wissen, was wir heute Abend essen?«

      »Muss dich leider enttäuschen. Kein Appetit mehr. Bin schon mitten im Schwarzwald.«

      Natürlich war Carla sofort klar, dass es einen dienstlichen Grund für die Reise gab. Trotzdem scherzte sie: »Wie? Du fährst ohne mich in Urlaub?«

      »Schön wär’s«, gab Oskar zurück. »Ich muss nach Freudenstadt. Franz ist tot.«

      Carla zögerte kurz. »Franz? Der Franz? Dein Kollege?«

      »Genau der. Du bist ihm ja auch mehrmals begegnet.«

      »Oh, das tut mir aber leid.« Echte Betroffenheit lag in ihrer Stimme. »Mensch, wie denn das?«

      »Weiß ich noch nicht, aber …«

      »Aber … das heißt, er …«

      »Kein normaler Tod, keine Krankheit, kein Unfall.«

      Jetzt sprach Carla ganz leise: »Also wurde er …?«

      »Sieht alles danach aus«, entgegnete Lindt. »Wie gesagt, ich habe noch keine weiteren Informationen.«

      »Wer tut denn so was? Der Franz war doch eine …«

      »Ja, sag es ruhig, er war eine Seele von Mensch.« Dann schwieg der Kommissar.

      »Oskar, bist du noch da?«

      »Ja.«

      »Du sagst gar nichts mehr.«

      »Mir ist auch nicht besonders danach.«

      »Verstehe ich. Bitte melde dich wieder, wenn du kannst.«

      »Mach ich.« Lindt drückte den roten Button.

      Wo waren denn die letzten Kilometer?, fragte sich der Kommissar, als er in Baiersbronn durch den Kreisverkehr fuhr. Automatisch hatte er den Mercedes auf Kurs gehalten, aber seine Gedanken waren überall gewesen, nur nicht im Straßenverkehr. Er ermahnte sich zu größerer Aufmerksamkeit und legte die letzten Kilometer einigermaßen konzentriert zurück.

      Kurz vor dem Freudenstädter Marktplatz bog er nach rechts in die Alfredstraße und später wieder rechts in die Straßburger Straße ab. Jetzt noch einmal links und er hatte sein Ziel erreicht.

      Ein Streifenwagen blockierte die halbe Einfahrt zum Waldparkplatz Teuchelwald, und ein Uniformierter bedeutete ihm zu halten.

      Lindt ließ die Scheibe herunter und wollte sich ausweisen, doch der grauhaarige Kollege winkte ab. »Oskar, du wirst schon erwartet. Schlimm, schlimm.«

      »Ach, der Herbert, jetzt kenne ich dich erst. Ist ja auch schon eine kleine Ewigkeit her, dass wir zusammen auf Streife waren. Gibt es neuere Erkenntnisse?«

      Herbert Zahn, altgedienter Schutzpolizist, schüttelte den Kopf. »Die Technik ist immer noch dran, seit heute früh. Die stellen dort hinten alles auf den Kopf.« Er zeigte mit seinem ausgestreckten Arm über Lindts Wagendach hinweg in Richtung des Weges, der in den Wald hineinführte.

      »Warst du selbst vor Ort?«

      Herbert nickte. »Löwenbrunnen. Eine Joggerin mit Hund hat ihn gefunden. Im Wasser.«

      »Im Wasser? In einem Brunnentrog?«

      »Nein, dort ist …«

      Scharfes Pfeifen unterbrach ihn. »Lindt! Hierher!« Eine lange, dünne Gestalt wedelte weiter hinten auf dem Parkplatz vor einem Kastenwagen mit den Armen.

      »Folgst du auf Pfiff?«, wollte Herbert Zahn wissen. »Bist du ein Hund?«

      »Welcher Pfiff?«, hob Lindt die Augenbrauen. »Wenn sie was will, dann soll sie kommen. Sag mir lieber noch, was es mit dem Brunnen auf sich hat.«

      Zahn legte die Stirn in Falten. »Ich glaube, das sagt sie dir selbst. Sie ist bereits im Anflug.«

      Tatsächlich näherte sich Oberstaatsanwältin Lea Frey im Laufschritt und keifte von weitem. »Lindt! Sind Sie taub?«

      »Ihr Ehemann hat angeblich schon vor Jahren das Weite gesucht«, grinste der Uniformierte. »Wen wundert es?«

      Lindt lächelte süffisant. »Ich kenne sie schon sehr lange …« Dann stieg er aus dem Wagen und ging ein paar Schritte in ihre Richtung. »Frau Frey. Hab Sie lange nicht vermisst.«

      »Danke, ebenso«, stichelte sie zurück. Ihre lange spitze Nase, die tatsächlich Ähnlichkeit mit einem Krähenschnabel hatte, schien in Richtung des Kommissars zu hacken. Trotzdem glitt der Anflug eines Lächelns über das Gesicht der »Eisernen«.

      Der Kommissar streckte die Hand aus, ergriff die langen, knochigen Finger der Frau und drückte sie kräftig.

      »Au«, gab sie einen kurzen Schmerzlaut von sich. »Ja, ich weiß, beim ersten Händedruck entscheidet sich, wer das Sagen hat.«

      »Dann wäre das also geklärt«, antwortete Lindt und sah ihr gerade in die Augen. Grün, ja, auch daran erinnerte er sich jetzt wieder. Er fand diese Augenfarbe passend zum Charakter. Im Mittelalter wäre sie glatt als Hexe durchgegangen. Lidschatten in ähnlicher Färbung komplettierten das scharf geschnittene Gesicht. Vielleicht weniger Krähe als vielmehr Habicht, dachte der Kommissar, sagte aber: »Sie haben sich überhaupt nicht verändert.«

      »Dreckiger Lügner«, antwortete sie spitz. »Sie dagegen sind noch dicker geworden.«

      »Schutzpanzer gegen Angriffe aller Art«, konterte Lindt und brachte die Staatsanwältin damit kurzzeitig aus dem Konzept. Sie fing sich aber blitzartig: »Los geht’s. Ich fahre bei Ihnen mit.«

      »Bitte, nehmen Sie Platz. Da rein?« Er wies auf den Waldweg.

      »Ja, immer geradeaus. Bisschen schmal, aber Sie werden schon durchkommen. Ich war bereits dort.«

      Oskar Lindt setzte seinen Oldtimer in Bewegung und fuhr langsam den schmalen Weg entlang. Dann sagte er: »Ich auch.«

      »Wie? Sie sind doch gerade erst angekommen?«

      »Ist schon lange her«, lächelte der Kommissar verschmitzt. »So 40, 50 Jahre. Damals waren Eichhörnchen im Teuchelwald die Attraktion schlechthin für Familien mit Kindern. Haben einem die Nüsschen aus der Hand gefressen.«

      »Ach so, Sie waren früher hier in den Ferien.«

      »Wie gesagt, vor Jahrzehnten, Lindt Vater, Lindt Mutter, Lindt Kinder. Damals gab es noch das Waldschwimmbad unten beim Langenwaldsee. Wurde aber plattgemacht, wenn ich richtig weiß.«

      »Verschonen Sie mich mit Ihren Jugenderinnerungen. Es ist mir wichtiger, dass Sie bald rausfinden, wer den Kühn plattgemacht hat.«

      »Ich werde mein Bestes geben, wie Sie ja wissen.«

      »Ihr Allerbestes bitte.«

      »Oh, das Zauberwort mit zwei T. Ganz ungewohnt, es aus Ihrem Mund zu hören«, sandte der Kommissar eine weitere Spitze in Richtung Beifahrersitz.

      Die Antwort kam in gewohnter Schärfe: »Passen Sie auf und fahren Sie nicht so dicht an diesen dicken Bäumen vorbei. Wenn Sie einen Crash bauen und wir uns den Steilhang da runter überschlagen, wäre es um mindestens einen von uns schade.«

      »Ganz Ihrer Meinung, um einen, Frau Oberstaatsanwalt.«

      »Anwältin, wenn schon!«

      »Immer

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