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Ordnung sein?«

       »Sag’s du mir. Ich finde, ihr wirkt beide nicht mehr so glücklich seit ein paar Wochen.«

       »Keine Ahnung.«

      Natürlich war Helmut das auch schon aufgefallen. Er war ja schließlich der Grund dafür, dass sie sich nicht mehr so oft sahen. Vordergründig war die Arbeit schuld, insgeheim aber sein schlechtes Gewissen, dass er ihr etwas verheimlichte, was keinerlei Bedeutung hatte und trotzdem so viel Raum einnahm.

       »Vielleicht hat sie ja erkannt, dass ich ihr nie das Wasser reichen kann.«

       »Das ist es also.« Gerdi packte Helmut an den Schultern. »Du denkst, dass die sich irgendwann einen reichen Kerl angelt, der bei ihrem Vater in der Bank arbeitet? Dass sie dich aussortiert, weil du nicht studieren kannst wie einer von den Schnöseln?«

       »Kann sein.«

      Die Gedanken waren Helmut tatsächlich nicht fremd, weil er sich bis heute nicht erklären konnte, was Marlene eigentlich genau an ihm fand.

       »Du bist ein Trottel. Ehrlich. Marlene ist die beste Frau, die es gibt. Also nach Jutta. Sie liebt dich, sie hat für eure Beziehung gekämpft und wenn ihr was egal ist, dann ist es das Geld, das du verdienst. Davon haben ihre Eltern wirklich mehr als genug.«

      Helmut schämte sich direkt wieder dafür, dass er so undankbar war, weil jeder Punkt stimmte, den sein Freund aufgezählt hatte.

       »Vielleicht wärst du jetzt einfach mal an der Reihe, einen Schritt weiterzugehen?«

       »Wohin?«

       »In Richtung Zukunft, du Holzkopf. Marlene wartet doch nur darauf, dass du um ihre Hand anhältst.«

       »Meinst du?«

      Gerdi stöhnte und gab Helmut eine Kopfnuss. Dann stand er auf und zog Helmut ebenfalls hoch.

       »Das meine ich nicht nur, das ist so. Sei mal ein Mann, Kumpel. Und jetzt los.«

      Helmut ging voraus und bahnte ihnen den Weg durch die stacheligen Brombeerbüsche, die das ganze Ufer des Sees überwucherten. Gerdi hatte vermutlich recht. Er musste langsam, aber sicher wirklich einen Schritt weiter gehen. Vielleicht war das auch der Grund, warum er sich in letzter Zeit manchmal so verloren vorkam. Weil er wie Marlene nicht genau wusste, wohin es mit ihnen gehen sollte. Das war es. Das musste es sein.

       »Schlaft ihr schon miteinander?«

      Gerdi war direkt hinter ihm.

       »Natürlich nicht.« Helmuts Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ihre Eltern würden mich umbringen. Blöde Frage.«

       »Blöde Frage.« Gerdi äffte ihn nach. »Ich sag dir was, Helmi: Sex ist wie fliegen. Also zumindest der Sex mit Jutta. Aber mit Marlene sicher auch. Macht das mal, dann merkst du, dass unsere Reisen damals wirklich nur Kinderkram waren. Sex ist quasi die tausendfache Steigerung davon.«

       Helmut nickte nur, froh darüber, dass er vorneweg lief. So konnte Gerdi seinen roten Kopf nicht sehen, den er immer bekam, wenn es um dieses Thema ging. Schon allein das Wort Sex trieb ihm die Farbe ins Gesicht. Natürlich küssten Marlene und er sich, aber zu mehr war es einfach noch nicht gekommen. Es gehörte sich nicht und das hatten sie beide so akzeptiert. »Ich denke drüber nach.«

       »Nicht nur denken, Helmi, machen. Und wenn ihr eh heiratet, ist es doch auch egal, wann ihr es tut.«

      Gerdi ging an ihm vorbei auf die kleine Wiesenfläche, auf der sich Marlene, Martin und Jutta sonnten. Helmut setzte ein Lächeln auf, das seine Verwirrung kaschieren sollte, und folgte ihm.

       »Na endlich, Schatz, ich hab mir schon Sorgen gemacht.«

      Marlene hielt ihre Arme auf und Helmut tat so, als würde er sich mit seinem ganzen Gewicht auf sie drauf fallen lassen. Doch er stützte sich rechtzeitig ab und gab Marlene einen ähnlich leidenschaftlichen Kuss, wie Jutta ihn von Gerdi bekam.

       »Du musst dir keine Sorgen um mich machen. Bin nur kurz eingeschlafen.«

      Während Marlene Helmut überrascht zurückküsste, und er nur noch darüber nachdenken konnte, was Gerdi eben zu ihm gesagt hatte, konzentrierte Jutta sich wieder auf ihre Diskussion mit Martin.

       »Ich finde das trotzdem nicht gut. Ihr macht genau das, was die Nazis auch gemacht haben.«

       »Du hast doch keine Ahnung, wovon du redest.« Martin standen Schweißperlen auf der Stirn und er wurde immer lauter. »Es ist gesetzlich verboten, weil es pervers und unnatürlich ist. Das hat nichts mit den Nazis zu tun. Ich verbiete dir, dass du so was sagst.«

       »Du kannst mir gar nichts verbieten.«

       Gerdi mischte sich neugierig in den Streit ein. »Worum geht’s denn?«

       »Ach«, Jutta verdrehte die Augen, »Martin ist stolz drauf, dass sie heute Nacht 15 175er festgenommen haben.«

       »Bin ich. Weil ich nicht will, dass unsere Stadt verkommt. Weißt du, was die in öffentlichen Toiletten oder unten an der Hohenzollernbrücke treiben? Die befummeln sich überall, die knutschen miteinander, mal mit dem einen, dann wieder mit einem anderen, Junge und Alte, und das ist noch lang nicht alles, was da läuft. Und alles im Schatten von unserem ehrwürdigen Dom. Widerlich.«

       »Wo sollen sie es denn sonst machen?«

       »Gar nicht!«

      Helmut ließ sich auf die Seite fallen. Er wollte das nicht hören, er wollte auch nicht sehen, wie Gerdi angeekelt das Gesicht verzog, er wollte einfach nur, dass sein Herz aufhörte zu rasen, als würde es in diesem Gespräch um ihn gehen.

      »Aber sie können nichts dafür, dass sie so sind.« Jutta verschränkte ihre Arme, als würde das Martin beeindrucken.

      Tat es nicht.

       »Woher weißt du da eigentlich so genau Bescheid?« Er winkte direkt ab. »Ich will es gar nicht wissen. Wahrscheinlich dein Onkel wieder. Ich weiß nur, dass Unzucht zwischen zwei Männern verboten ist. Das hat sogar das Bundesverfassungsgericht gerade erst bestätigt. Von wegen Nazis. Der Paragraf 175 steht mit unserem Grundgesetz im Einklang. Punkt. Aus. Da kannst du noch so viel dagegen sagen. Wir werden in nächster Zeit in Köln aufräumen. Und wir haben sogar die Stadt auf unserer Seite, stimmt’s, Helmut.«

      Helmut starrte Martin an, weil er keine Ahnung hatte, was er darauf sagen sollte. Er räusperte sich und suchte noch nach den richtigen Worten, als Gerdi ihm zuvorkam.

       »Ich finde das schon eklig. Mitten in der Stadt. In einem Klohäuschen. Also wirklich, das macht man nicht. Die sollten es sich einfach verkneifen …«

      Er schüttelte sich, um seinen Widerwillen Ausdruck zu verleihen. Und Helmut entging nicht, wie falsch sich diese Moralpredigt ausgerechnet aus Gerdis Mund anhörte.

       Trotzdem schloss er sich ihm an. »Find ich auch. Und darum will ich auch gar nichts mehr von dem widerlichen Zeugs hören. Gut, wenn diese Perversen weggesperrt sind. Wer kommt mit ins Wasser? Ist zwar kalt, aber wirklich schön.«

       »Ich.« Marlene ließ sich von Helmut hochziehen. »Ich glaube, Abkühlung tut uns allen ganz gut.«

      Nachdem sie auch Jutta überredet hatten, mit in den See zu kommen, weil sie zunächst bockig zurückbleiben wollte, trabten sie in merkwürdig angespannter Stimmung zum Wasser und lachten erst wieder ausgelassen, als Martin seine obligatorische Warnung aussprach.

       »Aber nur bis zu den Knien!«

      Natürlich

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