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sagte er sich, daß Alexias Idee keinerlei Aussicht auf Erfolg habe. Er mußte ihr also klarmachen, daß sie eine andere Lösung für ihre Probleme zu finden hätte.

      Doch plötzlich stellte er zu seiner eigenen Verwunderung fest, daß er ihr helfen wollte.

      In diesem Moment unterbrach Alexia seine Gedanken.

      »Würden Sie Letty gerne sehen? Ich habe sie mitgebracht, habe aber den Butler gebeten, sie in einem anderen Raum warten zu lassen.«

      »Warum haben Sie das getan?« fragte der Marquis lächelnd.

      »Ich hatte Angst, Sie könnten mich für unverschämt halten, da unsere Verwandtschaft doch so entfernt ist, und wenn Sie wütend geworden wären, hätte es Letty gewiß traurig gemacht.«

      »Während Sie stark genug gewesen wären, eine solche Behandlung zu ertragen, nehme ich an«, bemerkte der Marquis trocken.

      »Ich muß an meine Familie denken«, erwiderte Alexia. »Wie ich schon gesagt habe, wir haben sonst niemanden.«

      »Wir haben eine Reihe von Verwandten zwischen uns«, meinte der Marquis.

      »Wenn wir die haben, so haben sie sich nie um uns gekümmert. Wir hatten ein oder zwei Cousins, die zu Weihnachten zu uns kamen, weil sie Mama leidtaten; aber nun sind sie sehr alt oder tot, und Bedfordshire ist keine Grafschaft, die reiche oder unternehmungslustige Leute anzieht.«

      »Warum leben Sie dort?« wollte der Marquis wissen.

      »Papa hat ein Haus von einem Mann geerbt, der mit ihm in Indien gedient hatte. Ich glaube, Papa hatte ihm das Leben gerettet. Der Mann hat nie geheiratet und hat deshalb, als er starb, Papa sein Haus und sein geringes Vermögen hinterlassen.«

      »Und Ihr Vater hatte kein Geld?«

      »Nur seine Pension. Mama hatte eine kleine Mitgift, aber ich fürchte, davon ist nicht viel übriggeblieben.«

      Alexia sah den Marquis an, als ob sie ihn anflehen wollte, nicht zu denken, daß sie verschwenderisch gewesen sei.

      »Glauben Sie tatsächlich, daß die Ausgaben für eine Londoner Saison für Ihre Schwester unter diesen Umständen gerechtfertigt sind?« fragte der Marquis nach einer Weile.

      Er sah, daß Alexia über seine Frage nachdachte, bevor sie mit einem plötzlichen Lächeln, das ihr Gesicht zu erleuchten schien, sagte: »Darf ich Letty holen, Mylord? Dann können Sie vielleicht selbst darüber urteilen, ob meine Pläne gerechtfertigt sind oder nicht.«

      Ohne auf seine Erlaubnis zu warten, sprang sie auf.

      Da der Marquis keinen Grund sah, das Mädchen nicht anzusehen, schwieg er, als Alexia durch das Zimmer eilte und die Tür öffnete. Offensichtlich wußte sie nicht, daß es eher der Konvention entsprochen hätte, wenn ein Diener ihre Schwester geholt hätte.

      Der Marquis seufzte leise. Er war davon überzeugt, daß Letty ein hübsches Mädchen sein würde, aber gewiß nicht sensationell genug, um Interesse bei den blasierten Gentlemen zu erwecken.

      Die ganze Idee, nach London zu kommen — mit nur wenig Geld, ohne Anstandsdame, ohne ein Haus —, war so dumm, daß nur jemand, der schwachsinnig oder völlig naiv war auf einen derartigen Plan verfallen konnte.

      Und trotzdem, aus irgendeinem Grund, über den er sich selbst nicht klar war, wußte er, daß es ihm schwerfallen würde, Alexias Hoffnungen zu zerstören und sie nach Bedfordshire zurückzuschicken, was im Grunde jedoch das vernünftigste gewesen wäre.

      Er hatte wenig Zeit nachzudenken, da er draußen schon das Getrappel von Füßen hörte und Alexia wieder das Zimmer betrat, ihre Schwester hinter sich herziehend.

      Mit einem Blick sah der Marquis, daß das jüngere Mädchen modischer und teurer gekleidet war als Alexia.

      Ihre breitkrempige Haube war mit Blumen eingefaßt und ihr Gewand aus weißem Musselin war mit blaßrosa Schleifen verziert, die zu den Rosen auf der Haube paßten.

      Der Marquis stand langsam auf und starrte Letty Minton überrascht an. Es gab keinen Zweifel, Alexia hatte nicht übertrieben. Letty war in der Tat eine Schönheit, wie sie in Poesie und Prosa seit Menschengedenken gepriesen winde.

      Ihr Teint war makellos, ihr Haar glänzte wie Gold, und ihre Augen hatten das Blau von Vergißmeinnicht. Sie hatte eine kleine gerade Nase und ein spitzes Kinn, und das erfahrene Auge des Marquis sah, daß ihre Figur so perfekt war wie die einer jungen Göttin.

      Er konnte nicht umhin, sie immerzu anzuschauen, und er wußte daß Alexia, die sein Gesicht beobachtete, es bemerkte und darüber sehr erfreut war.

      Doch auch Letty war beeindruckt. Sie betrachtete den Marquis mit unverhohlener Bewunderung und erklärte schließlich: »Sie sehen genau so aus, wie ich mir einen Marquis immer vorgestellt habe! Bevor wir nach London kamen, warnte Alexia mich, daß ich enttäuscht sein könnte.«

      »Dann bin ich froh, Sie nicht enttäuscht zu haben«, lächelte der Marquis. »Ich schlage vor, wir setzen uns.«

      Letty ließ sich auf dem Stuhl nieder, den ihre Schwester kurz zuvor verlassen hatte, und Alexia setzte sich neben sie.

      Sie sahen den Marquis erwartungsvoll an.

      Osminton schwieg eine Weile.

      Endlich wandte er sich an Letty: »Ihre Schwester sagte mir, sie wünsche Sie in die Gesellschaft einzuführen. Glauben Sie, das würde Ihnen Spaß machen?«

      »Es wird wunderbar sein, auf Bälle zu gehen«, antwortete Letty lebhaft. »Ich liebe es, zu tanzen!«

      »In Bedfordshire gibt es sehr wenige Gelegenheiten für sie, Feste zu besuchen«, warf Alexia ein.

      Der Marquis bezweifelte, daß es sich in London als einfacher erweisen würde — ohne jemanden, der sie einführte. Sein Verstand riet ihm, sich nicht länger mit den beiden Schwestern zu beschäftigen. Er sollte Dugdale rufen, der ihnen den Namen seines Verwalters geben sollte, und sie dann vergessen.

      Andererseits gab es keinen Zweifel daran, daß Alexia den Liebreiz ihrer Schwester keineswegs übertrieben hatte, und er konnte nicht umhin, es fast als ein Verbrechen anzusehen, diese Blüte ungesehen blühen zu lassen.

      Mit einem Maß an Selbstbeherrschung, das ihn im Laufe der Jahre davor bewahrt hatte, in eine ganze Reihe von Dingen verwickelt zu werden, die Ärger bedeuten konnten, sagte er: »Ich werde meinen Sekretär, Mr. Dugdale, rufen. Es wird ihm ohne Zweifel möglich sein, Ihnen eine Unterkunft zu besorgen. Mit der Anstandsdame jedoch ist es eine andere Sache.«

      »Wird er vielleicht eine wissen?« fragte Alexia hoffnungsvoll.

      »Eine Anstandsdame?« rief Letty aus. »Aber Alexia paßt doch immer auf mich auf!«

      »Und das gedachte ich auch weiterhin zu tun«, antwortete Alexia. »Aber Seine Lordschaft meint, daß ich nicht alt genug sei und daß wir eine verheiratete Frau brauchen.«

      Letty sah verwirrt aus.

      »Aber wir kennen doch niemanden in London.«

      »Das ist ja das Problem«, murmelte der Marquis. »Aber wir werden sehen, was Mr. Dugdale dazu zu sagen hat.«

      Er stand auf, um die Glocke auf seinem Tisch zu läuten.

      Der Sekretär kam so schnell ins Zimmer, daß der Marquis wußte, er hatte nur auf seinen Ruf gewartet.

      »Wir haben hier ein Problem, Dugdale«, erklärte er. »Doch zunächst will ich Sie miteinander bekannt machen.«

      Er wandte sich Alexia zu.

      »Dieser Herr wird Ihnen helfen — mein Sekretär, den ich bereits erwähnte.«

      Alexia knickste und reichte ihm die Hand.

      »Ich werde mein Bestes tun. Ihnen behilflich zu sein«, meinte Mr. Dugdale höflich.

      »Und das ist Miss Letty Minton, die jüngere Schwester«, stellte der Marquis Letty vor. Während er sprach, beobachtete er

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