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sie es nicht riskieren wollte, den Marquis, den sie nicht nur unwiderstehlich fand, sondern der auch einen beachtlichen Stein in ihrer Krone darstellte, zu verärgern, schlang sie ihre Arme um seinen Nacken und zog seinen Kopf zu sich herunter.

      »Warum streiten wir, wenn es so viele wunderbare Dinge gibt, die wir einander sagen könnten?« fragte sie sanft.

      Der Marquis küßte sie ohne Leidenschaft. Dann, als sie versuchte, ihn festzuhalten, befreite er sich.

      »Du mußt nun leider gehen, Imogen«, sagte er. »Ich habe in einer halben Stunde eine Verabredung und muß zuvor noch ein paar Briefe signieren.«

      »Werde ich dich heute abend sehen?«

      »Ich speise mit dem Regenten, wie du weißt«, antwortete er, »aber wenn Seine Königliche Hoheit mich nicht zu lange aufhält, werde ich auf dem Heimweg noch bei dir vorbeischauen.«

      »Du weißt, ich werde warten; du weißt auch, wie sehr ich mich danach sehne, dich zu sehen.«

      Der Marquis hörte kaum zu. Es war lediglich das, was er zu hören erwartete, und er ging zur Tür, so daß Lady Harlow nichts anderes übrigblieb, als ihm zu folgen.

      Er führte sie durch die prächtige Marmorhalle, in der wundervolle Gemälde von George Stubbs hingen, die die Lieblingspferde seines Vaters zeigten.

      An der Tür verneigte er sich und küßte ihre Hand, während sich ein Lakai beeilte, die Tür der Kutsche zu öffnen, die draußen unter dem Säulengang wartete.

      Mit vollendeter Höflichkeit — der Marquis war bekannt für seine guten Manieren — wartete er, bis sich die Kutsche in Bewegung setzte. Dann drehte er sich um und ging zurück durch die Halle. Er ging nicht wieder in den Salon, in dem er mit Lady Harlow gewesen war, sondern in sein Arbeitszimmer hinüber.

      Es war der interessanteste Raum im ganzen Haus. Die Wände waren mit hohen Bücherregalen bedeckt und mit Gemälden geschmückt, um die ihn der Prinz glühend beneidete.

      Der Marquis ging zu seinem großen Schreibtisch, der vor den Fenstern stand, und setzte sich. Während er einen Brief zur Hand nahm, läutete er eine Glocke, die auf dem Tisch stand.

      Fast im selben Augenblick wurde die Tür geöffnet, und sein Rechnungsprüfer und Privatsekretär betrat den Raum.

      Mr. Dugdale, ein Mann mittleren Alters mit einem intelligenten Gesicht, hatte die Haltung eines Soldaten. In der Tat war er Soldat gewesen, bevor er in den Dienst des Marquis getreten war.

      Ohne von dem Brief, den er gerade las, aufzusehen, ordnete der Marquis an: »Senden Sie Lady Harlow Blumen, und bestellen Sie ihr, daß es mir heute abend unmöglich sein wird, ihr meine Aufwartung zu machen!«

      Mr. Dugdale schrieb die Instruktionen, die er gerade erhalten hatte, in ein Notizbuch, das er stets bei sich trug.

      »Und lassen Sie einen Lakaien das Diamantarmband kaufen, das ich mir gestern bei Hunt und Roskeil in der Bond Street angesehen habe!« fuhr der Marquis fort. »Sie werden wissen, welches es ist.«

      »Sehr wohl, Mylord.«

      Mehr sagte Mr. Dugdale nicht, aber der Marquis kannte ihn so gut, daß er an seiner ablehnenden Haltung sofort bemerkte, daß er nicht einverstanden war.

      Er wußte, daß sein Sekretär, der eher ein Freund als ein Bediensteter war, nicht die geringsten Sympathien für Lady Harlow hegte — ebenso wenig wie für seine zahlreichen anderen Geliebten.

      »Ich weiß, was Sie denken, Dugdale«, sagte der Marquis amüsiert. »Und obwohl ich finde, daß dies eine verdammte Unverschämtheit von Ihnen ist, bin ich der Meinung, daß Sie wohl recht haben.«

      Mr. Dugdale gab einen kleinen Seufzer von sich, der offensichtlich Erleichterung ausdrückte: »Ich habe nichts gesagt, Mylord«, bemerkte er leise.

      »Verflucht, aber ich kann hören, was Sie denken!« erwiderte der Marquis.

      Er lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und schaute seinen Sekretär offen an.

      »Was ist nur los mit den Frauen, Dugdale, daß sie keine Originalität besitzen? Sie scheinen alle nach demselben Schnittmuster gefertigt zu sein.«

      »Vielleicht, Mylord«, meinte Mr. Dugdale, seine Worte bedachtsam auswählend, »kommen sie, wenn es Sie betrifft, alle aus demselben Grund.«

      Der Marquis dachte einen Moment lang nach, dann nickte er.

      »Das ist gewiß eine vernünftige Erklärung. Und dennoch finde ich sie irritierend voraussagbar in ihrem Benehmen und peinlich banal in allem, was sie zu sagen haben.«

      »Ich kann Ihnen nur beipflichten, Mylord«, sagte Mr. Dugdale ehrlich.

      Der Marquis lachte, dann fragte er: »Denken Sie, daß ich meine Suche nach einer passenden Frau ausdehnen sollte?«

      »Warum nicht?« antwortete Mr. Dugdale. »Obwohl die Welt so groß ist, sind wir geneigt, uns mit einem sehr kleinen Teil zu begnügen.«

      »Sie haben recht«, stimmte der Marquis zu. »Wenn nur dieser verdammte Krieg vorüber wäre! Dann könnten wir ins Ausland gehen. In der Zwischenzeit sind wir auf diese Insel beschränkt, und es gibt nichts, was wir dagegen tun können.«

      »Nichts, Mylord«, pflichtete Mr. Dugdale ihm bei. »Und nun wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie diese Briefe unterschreiben würden. Einige davon betreffen das Schloß, und draußen wartet bereits ein Bote, der sie zu Mr. Saunders bringen soll.«

      Dies war der Verwalter der riesigen Besitztümer des Marquis in Kent.

      Osminton rückte seinen Stuhl zurück an den Tisch und widmete sich den Papieren. Da er wußte, daß er seinem Sekretär blind vertrauen konnte, setzte er seine Unterschrift unter die einzelnen Briefe, ohne sie gelesen zu haben.

      Als er damit fertig war, bildeten die Papiere einen ansehnlichen Stapel.

      Der Marquis sah auf seine Uhr.

      »Den Nachmittag habe ich nun fast herumgebracht«, murmelte er, »aber ich denke . . .«

      Er wurde unterbrochen, als der Butler die Tür öffnete.

      »Was gibt es, Adams?«

      »Es ist eine junge Dame hier, die Sie gerne sprechen würde, Mylord. Sie sagt, sie sei nicht angemeldet, sie sei Ihnen jedoch sehr verbunden, wenn Sie ihr ein paar Minuten Ihrer Zeit schenkten.«

      »Eine junge Dame?« fragte der Marquis.

      »Ihr Name, Mylord, ist Alexia Minton.«

      Der Marquis sah seinen Sekretär mit hochgezogenen Augenbrauen an.

      »Minton?« wiederholte er. »Welche von meinen vielen Verwandten kann das sein?«

      Mr. Dugdale überlegte einen Moment.

      »Ich kann sie nicht einordnen, Mylord.«

      »Dann gehen Sie und finden Sie heraus, wer sie ist!« befahl der Marquis.

      Doch als der Sekretär zur Tür ging, änderte Osminton seine Meinung.

      »Nein, lassen Sie sie eintreten, und falls ich Sie zu meiner Rettung brauche, werde ich nach Ihnen läuten. In der Regel sind mir meine Verwandten nach etwa fünf Minuten unerträglich.«

      Mr. Dugdale nickte dem Butler zu, und nachdem dieser gegangen war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte er: »Während Sie die Bekanntschaft der jungen Dame machen, werde ich versuchen, sie im Familienstammbaum zu finden. Vermutlich ist sie keine nahe Verwandte, es sei denn, sie hat ihren Taufnamen geändert.«

      »Tun Sie das, Dugdale!« stimmte der Marquis ihm zu. »Um ehrlich zu sein, finde ich es schwierig, ein besonderes Interesse für meine Verwandtschaft aufzubringen, die Gott sei Dank mit den Jahren gelernt hat, mich nicht unnötig zu belästigen.«

      Nachdem Mr. Dugdale das Zimmer verlassen hatte, dachte der Marquis schmunzelnd, daß er sein Desinteresse an der Familie Minton deutlich zum Ausdruck gebracht

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