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Herzkranz-Bypass-Operation erhielten, in drei Gruppen zu jeweils etwa 600 Personen. Außerdem gab es drei Gruppen kirchlich-christlicher Gruppen, die die Namen der Patienten der ersten beiden Gruppen erfuhren und für die sie beten sollten, dass sie ohne Komplikationen gesunden sollten. Die Patienten der ersten Gruppe wurden informiert, dass für sie gebetet würde; die zweite Gruppe wurden, für die gebetet wurde, wurde informiert, dass für sie vielleicht gebetet würde; und die dritte Gruppe, für die nicht gebetet wurde, wurde darüber informiert, dass für sie vielleicht gebetet würde.

      War die Komplikationsrate jener Patienten, für die gebetet wurde, geringer als bei denen, für die nicht gebetet wurde? Das Ergebnis: Die Komplikationsrate der letzten beiden Gruppen, die nicht wussten, ob für sie tatsächlich gebetet wurde (wovon für eine tatsächlich gebetet wurde und für die andere nicht), war mit 51 % und 52 % statistisch gesehen gleich. Lediglich die Patienten der ersten Gruppe, für die gebetet wurde und die davon wussten, hatten mit 59 % eine signifikant höhere Komplikationsrate! Der Grund für dieses letztere unerwartete Ergebnis war wahrscheinlich, so die Mediziner, der geringere Lebensmut und damit die körperliche Widerstandskraft, die sich einstellt, wenn man erfährt, dass es wohl sehr schlecht um einen stehen muss, wenn andere für einen beten. Ansonsten ist das Ergebnis eindeutig: Das Beten der drei kirchlich-christlichen Gruppen hatte keinen positiven Einfluss auf die Gesundung der Herzpatienten. Beten hat einfach nicht geholfen.

      Allein daraus den Schluss zu ziehen, es gäbe keinen Gott, ist heikel und mit Recht umstritten. Auf jeden Fall lässt sich Folgendes sagen: Wenn es keinen Gott gibt, dann lässt sich das Ergebnis zwanglos erklären. Wenn es einen Gott gibt, dann lässt er sich durch Beten offensichtlich nicht dazu überreden, das Gute in unserer Welt zu fördern und dem Bösen Einhalt zu gebieten. Angesichts der Eigenschaften Gottes, allgut, allwissend und allmächtig zu sein, einerseits, und andererseits der unsäglichen Gräuel auf dieser Welt, für die gebetet wird und von dem wir nun wissen, dass es nichts nützt, sind starke Zweifel an seiner Existenz sicherlich angebracht. Und ich habe Verständnis für so manchen schicksalsgebeutelten Menschen, den ich getroffen habe, der sich fragt, ob er so einen Gott in seinem Leben wirklich noch braucht.

      2 – OCKHAMS RASIERMESSER

      Was ist in unserer Welt wahr, was ist falsch? Im Dickicht unzähliger Meinungen im Internet hilft oft nur eines, Ockhams Rasiermesser.

      Warum ist es zur neueren Weltwirtschaftskrise gekommen? 1000 Experten, 1000 Meinungen. Welche ist die richtige? Was soll man glauben, wenn sich selbst die Experten uneins sind? Eine gute Antwort auf diese uralte Frage stammt von dem Philosophen und Mathematiker René Descartes (1596–1650): »Als ich überlegte, wie viel verschiedene Ansichten über die gleiche Sache es geben kann, deren jede einzelne ihren Verteidiger unter den Gelehrten findet, und wie doch nur eine einzige davon wahr sein kann, da stand für mich fest: Alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.«

      WURDE DIE WELT AM 23. OKTOBER 4004 V. CHR. GESCHAFFEN?

      Ein guter Anfang, aber meist ist die Situation so, dass die Verfechter einer Theorie die ihre nicht nur als wahrscheinlich, sondern als absolut glaubwürdig darstellen, sogar mit Beweisen. Was dann? Hier ein Beispiel. Die Bibel behauptet, die Welt sei in sieben Tagen erschaffen worden. Findige Gläubige haben versucht, das genaue Datum des ersten Tages der Erschaffung der Welt auszurechnen, indem sie all die Jahre, die zwischen der Erschaffung der Welt und Christi Geburt, wie sie angeblich aus den Geschichten im Alten Testament folgen, zusammenzählten. Einer, der es nach eigener Aussage ganz genau machte, war der Erzbischof von Armagh in Irland, James Ussher, im Jahr 1658. Er behauptete: »Der Beginn der Zeit fiel auf den Beginn der Nacht, die dem 23. Tag des Oktobers im Jahr 4004 v. Chr. vorausging.« Damit würde sich das Jahr der Erschaffung der Welt im Jahr 2018 zum 6021. Mal jähren (für alle, die meinen, es wäre das 6022. Mal: Es gibt kein Jahr 0 unserer Zeitrechnung! Auf das Jahr 1 v. Chr. folgte das Jahr 1 n. Chr.).

      Damit wüssten wir es also ganz genau, wenn es nicht diese penetranten Paläontologen gäbe (das sind die, die alte Knochen vergangener Lebewesen studieren), die der Kirche die Knochen von Dinosauriern und unseren Vorfahren präsentieren und behaupten: Diese Knochen sind weit älter als 6021 Jahre, und das ist der Beweis, dass die Bibel nicht recht hat. Ist das ein Beweis? Kein unumstößlicher, denn man könnte einwenden und fragen: Woher wisst ihr, dass die Knochen wirklich älter als 6021 Jahre sind? Dann würden die Paläontologen komplizierte Gründe vorbringen, wie die Radiokarbonmethode und geologische Bestimmung usw. Das alles könnte richtig sein. Ist das aber ein zweifelsfreier Beweis? Nein, sagen die religiösen Fundamentalisten in den USA, die sogenannten Kreationisten, denn ihr Argument lautet: Gott hat diese alten Knochen mit genau diesen Eigenschaften und genau so an den Fundorten platziert, dass die Paläontologen verführt werden anzunehmen, die Tatsachen wären so, wie sie sagen. Tatsächlich existierte aber nichts vor dem 23. Oktober 4004 v. Chr. Man mag über dieses kirchliche Argument schmunzeln. Doch Schmunzeln ist kein Gegenbeweis. Das Argument der Paläontologen ist für die meisten von uns zwar sehr plausibel, aber eben nicht unumstößlich. Also: Wo ist der zweifelsfreie Beweis, dass die Welt älter als 6021 Jahre ist? Nun, den gibt es nicht. Genauso wenig, wie die Kirche zweifelsfrei beweisen könnte, dass die Welt nur 6021 Jahre alt ist.

      VERGANGENHEIT IST NICHT BEWEISBAR

      Damit haben wir eine wichtige Erkenntnis gewonnen: Es gibt keinen hundertprozentigen, zweifelsfreien Beweis für Tatsachen, die in der Vergangenheit liegen. Das sollte uns nicht überraschen, denn Vergangenheit existiert nicht, nirgendwo, weshalb wir nie Reisen in die Vergangenheit machen werden können (siehe den Artikel Darum gibt es bei Zeitreisen nur einen Vorwärtsgang in meinem Buch Höllenritt durch Raum und Zeit). Sie existiert nur in unserem Kopf. Das Einzige, was existiert und beweisbar ist, ist die Gegenwart. Denn wenn ich beispielsweise beweisen muss, dass der Himmel blau ist, brauche ich nur zum Himmel zeigen und sagen: »Da, blau.« Wie beweist man aber Tatsachen, die in der Vergangenheit liegen und inzwischen vergangen sind? Man kann dann versuchen, mittels einer argumentativen Kette einen Kausalzusammenhang zwischen den jetzigen Tatsachen und den vermeintlichen Tatsachen in der Vergangenheit möglichst plausibel herzustellen. Zu zeigen, dass diese Kette zweifelsfrei wahr ist, ist aber schier unmöglich. Genau das ist der Haken.

      Bedeutet das, wir können keine glaubwürdigen Aussagen über unsere Vergangenheit machen? Doch, das können wir. Dazu müssen wir aber ein wenig in den Wissenschaften stöbern. Die Wissenschaftler haben nämlich ein ähnliches, grundlegendes Problem: Wissenschaftliche Theorien lassen sich nicht beweisen. Sie sind nur mehr oder weniger wahrscheinlich. Trotzdem waren die Wissenschaften in den vergangenen Jahrhunderten sehr erfolgreich, die Wahrheiten in der Natur aufzuspüren. Es muss also Verfahren geben, Wahres von Falschem zu unterscheiden.

      Es gibt in der Tat zwei grundlegende Verfahren. Da ist zunächst der Falsifikationismus, das Verfahren zum Beweis sogenannter All-Aussagen, also von Theorien über unsere Welt, die für sich beanspruchen, ausnahmslos wahr zu sein. Dieses Verfahren wurde von dem Philosophen Karl Popper (1902–1994) genauestens beschrieben und basiert auf dem Prinzip der Falsifizierbarkeit von Theorien. Dieses Prinzip untersucht die Frage »Was ist eine gute Theorie, und wann ist sie wahr?«. Das ist für unsere Alltagsprobleme aber meist irrelevant. Was wir suchen, ist ein Prinzip, das die wahrscheinlich wahre Theorie aus dem Heuhaufen unwahrer oder lediglich wahrscheinlicher Theorien herausfischt. Das Verfahren, das man in den Wissenschaften dazu anwendet, ist berühmt geworden unter dem Namen »Ockhams Rasiermesser«. Manchmal nennt man es aber auch einfach nur das »beauty principle«.

      WAHRSCHEINLICHES VOM UNWAHRSCHEINLICHEN RASIERMESSERSCHARF TRENNEN

      Natürlich handelt es sich hier nicht um ein wirkliches Rasiermesser. Gemeint ist ein Verfahren eines Gelehrten namens Ockham, das es erlaubt, Wahres von Falschem (selbst wenn es logisch klingt) haarscharf, wie mit einem Rasiermesser, zu trennen. Wilhelm von Ockham (lateinisch: Occam), 1285–1347, war ein englischer Franziskaner, der sich als scholastischer Naturphilosoph betätigte. Ihm schreibt man die Worte zu: »Eine Vielheit darf nicht gesetzt werden, ohne dass es notwendig ist« (»Pluralitas non est ponenda sine necessitate«) und: »Dinge sollten nicht vervielfacht werden, ohne dass es notwendig ist« (»Entia non

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