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Tod eines Clowns. Petra Gabriel
Читать онлайн.Название Tod eines Clowns
Год выпуска 0
isbn 9783955520250
Автор произведения Petra Gabriel
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Автор
Der Junge nickte. Er wirkte verstört. Kein Wunder, dachte Kappe.
«Muss der Bengel denn nich in die Schule?», erkundigte sich Kollege Hans-Gert Galgenberg.
Erika Berg schaute ihn anklagend an. «Klugscheißern, wa? Wenn Ihnen Schule so wichtich is, hätten Se uns auch früher drannehmen können. Aber nein, sie lassn ’ne alte Frau und ’nen kleinen Jungen warten bis zuletzt. Ick bin doch die Letzte, oder? Aba mal im Ernst, so einfach, wie Sie det sehen, is det nich. Jetze, vor Weihnachten, brauch ick jede Hilfe, die ich kriegen kann. Außerdem ist er krank. Nich wahr, Berndchen? Huste mal!»
Der Junge tat ihr den Gefallen.
«Und ab dem 22. sind sowieso Schulferien. Nach Weihnachten hat Berndchen dann noch bis 7. Januar Zeit sich zu erholen.»
Die Erfolglosigkeit der zurückliegenden Befragungen machte Kappe ungeduldig. Immer wieder die gleiche Prozedur: «Können Sie mir etwas zu dem Toten sagen? Kannten Sie ihn?»
«Na, Sie sind mir einer, Herr Kommissar! Wie sollte ick den überhaupt erkannt habn? Ick hab ja nur den Rücken gesehen und nicht das Gesicht.»
«Dann kommen Sie mit!», sagte Kappe ein weiteres Mal und marschierte los, um Blumen-Erika den Toten zu zeigen.
«Der Junge bleibt hier», meinte Lilli Lenné. «Ich pass so lange auf, bis Sie zurück sind. Das ist nichts für ein Kind. Schlimm genug, dass Ihr Sohn den Toten überhaupt gesehen hat.»
Blumen-Erika warf dem Kommissar einen zweifelnden Blick zu, auch sie schien nicht begeistert von der Aussicht, sich den erstochenen Clown noch einmal ansehen zu müssen. Als Kappe dann das Leinentuch von dessen Gesicht zog, schaute sie jedoch beherzt hin. Anschließend wiegte sie nachdenklich den Kopf.
«Wenn Sie ihn kennen, müssen Sie mir das sagen. Rücksichtnahme, auf wen auch immer, ist hier nicht angebracht.» Kappe hatte plötzlich das Gefühl, dass die Blumenfrau ihn einen Schritt weiterbringen könnte.
«Also, ick weiß nich. Könnten Sie nich mal die Schminke wegwischen, Herr Kommissar? Dann tät ick mehr sehen.»
Die aufgeflammte Glut der Hoffnung erkaltete. «Das geht nicht, er muss erst ins gerichtsmedizinische Institut.» Kappe machte eine Pause und dachte nach. «Was halten Sie von folgendem Vorschlag: Wenn der Tote untersucht worden ist, wischen wir die Schminke ab und machen ein Photo. Damit kommen wir bei Ihnen vorbei. Mein Kollege Galgenberg wird Ihre Adresse notieren.»
«Braucht er nich, ick bin sowieso jeden Tag hier. Oder glauben Sie, ick kann meine Blumen einfach so allein lassen? Die müssen gegossen werden.» Blumen-Erika stockte. «Na, hoffen wir mal, dass von den Schnittblumen wenigstens einige halten, bis die Halle wieder geöffnet wird. Wer zahlt mir eigentlich den Verdienstausfall?»
Das konnte ihr Otto Kappe auch nicht sagen, versprach aber sich zu erkundigen – obwohl er sich fast sicher war, dass eventuelle Verluste an den Händlern hängenbleiben würden. Er wollte sich jedochdas Wohlwollen von Blumen-Erika vorerst nicht verscherzen. Zumindest so lange, bis er ihr das Photo gezeigt hatte. «Ihre Adresse brauchen wir trotzdem», beharrte er. «Und außerdem müssten Sie zur Ansicht des Photos ins Revier 24, Oldenburger Straße 1, kommen.» Er blickte zu Hauptkommissar Schulz, der sich inzwischen zu ihnen gesellt hatte. «Ist das in Ordnung, Herr Kollege?»
Schulz nickte. «Geht klar. Ich habe zwar keinen Dienst, aber ich werde meinen Stellvertreter informieren, Polizeikommissar Ernst Gehler. Sie kennen ihn.»
«Kenn ich, kenn ich. Frau Richter, kommen Sie morgen, sagen wir, gegen halb zehn, aufs Revier. Mein Kollege Galgenberg und ich stoßen am besten gleich dazu. Bis dahin sollten wir Abzüge des Porträtphotos haben. Und falls Sie uns nicht weiterhelfen können, müssen wir in den sauren Apfel beißen und auch die anderen Marktbeschicker einbestellen.»
Schulz sah nicht begeistert aus, nickte aber.
«O heiliger Bürokratius!», stöhnte Blumen-Erika, während sie gemeinsam mit Kappe zum provisorischen Vernehmungszimmer zurückmarschierte. «Als ob ick nüscht anderes zu tun hätte!»
«Haben Sie doch auch nicht», meinte Kappe nicht allzu freundlich. «Die Halle ist gesperrt, bis die Kollegen von der Spurensicherung fertig sind. Auch für Sie. Blumen hin oder her.» Dann fiel ihm auf, dass etwas mehr Verbindlichkeit angebracht wäre. Sie waren inzwischen wieder im Vernehmungszimmer angelangt. Kappe wandte sich Berndchen zu und meinte augenzwinkernd: «Du, mein Junge, kannst morgen also ruhig in die Schule.»
«Och, kann ich bei der Spurensicherung nicht zugucken?», fragte Bernd hoffnungsvoll.
«Nee, leider nicht», mischte sich Galgenberg ein. «Alle müssen raus aus der Halle, sonst werden noch mögliche Spuren verwischt. Aber ick denk mal …», er schaute in Richtung Otto Kappe, «… bis übermorgen müsste allet erledigt sein. Dann kannste zu uns kommen, und Fräulein Lilli Lenné wird dir allet haarklein erzählen. Bis dahin gehst du aber schön brav in die Schule.»
«Ehrlich?»
«Ehrlich.»
Lilli Lenné lächelte den Jungen an und nickte. «Klar.»
Bernd strahlte sie an, und Kappe dachte, dass Lilli anscheinend auf kleine Männer dieselbe Wirkung hatte wie auf große.
Am Abend, als Rechtsmediziner König mitsamt dem Toten längst abgezogen war, als sich die Abenddämmerung über die Halle senkte, in den umliegenden Häusern die Lichter angingen, die Stimmen der Menschen, die hektischen Rufe nach und nach verstummten und die Mäuse darauf warteten, dass auch die letzten Menschen endlich verschwanden, sagte Otto Kappe zum Kollegen Galgenberg: «O je! Viel Aufwand – und keinen Schritt weiter.»
«Lass man, Kappe, ick hab im Urin, det uns diese Blumen-Erika weiterbringen wird. Die hatte so was im Blick. Als würde sie den Toten kennen, aber nichts Falsches sagen wollen.»
«Meinst du?»
«Mein ick.»
Dienstag, 13. Dezember 1960
AM NÄCHSTEN TAG brachte Blumen-Erika die Ermittlungen tatsächlich weiter. Lange und ausgiebig betrachtete sie auf dem Revier in der Oldenburger Straße das Photo des Toten. Die blauen, etwas engstehenden Augen, die niedrige Stirn, die Nase, die auch ohne die rote Clownsknolle wie eine Kartoffel aussah. Die typische Nase eines Gewohnheitstrinkers. Nach einer Weile nickte sie. «Hab auch daheeme noch mal nachgedacht. Der kam mir irjendwie bekannt vor. Ja, den kenn ick. Der hat früher immer mal wieder als Bote in der Arminiushalle ausgeholfen. Hab ihn aber schon länger nich mehr gesehen. Der war etwas seltsam, und als dann bei einigen Händlern Geld wegkam … Na ja, wir konnten es ihm nie beweisen. Jedenfalls hieß der Ernst … ne, Erich … ne, irgendwas mit K. Genau, Karl Jarusch! Hat gesagt, er sei Alleinunterhalter in so einem Varieté, den Namen weiß ick nich mehr, und verdiene sich in der Halle nur was dazu. Na, Unterhaltung hatten wir jedenfalls mit dem, und das nicht zu knapp. Hat immer geprahlt, dass er ein berühmter Hochseilartist gewesen sei. Wird wohl vom Seil gefallen sein, womöglich auf ’n Kopp, bei den Mengen, die der gesoffen hat. Jedenfalls hat er gehinkt. Und neulich hat mir Wurst-Fritz, also der Fritz Fechner, gesagt, der Jarusch sei wiederaufgetaucht. Ganz plötzlich. Habe händeringend um Arbeit gebeten. Da ham se ihn bei der Stadt wieder