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wir zu Fuß den Weg zurücklegen mussten, denn ab und zu ging ihr Fahrrad mal kaputt.

      Der Winter stand vor der Tür, der in dieser Gegend schon im Oktober recht heftig sein kann. Hüsing hatte inzwischen auch sein Fahrrad mitgebracht und musste nun nicht mehr laufen. Er besaß ohnehin Dinge, die sich viele von uns, besonders ich, nicht leisten konnten. Außer einem Luftgewehr besaß er eine Schmalfilmkamera, mit der er uns ab und zu filmte. Sein Vater führte in Göttingen ein gut gehendes Waffengeschäft. So hatte er auch eines Tages eine kleine Pistole, mit der man Leuchtmunition verschießen konnte und das taten wir dann auch ab und zu vom Holzturm aus, der als Mittelteil unserer Baracken für uns frei zugänglich war. Hüsing war damals schon 18 Jahre alt.

      So Ende Oktober, es war früh, wenn wir zur Arbeit gingen, schon recht dunkel, bot mir Hüsing an, sein Fahrrad zu benutzen, weil er einige Tage nicht anwesend sei. Ich besorgte mir eine Fahrradmarke, damit ich an dem Tor, wo ich das Fahrrad einstellen wollte, auch Einlass erhielt. Es kam aber nicht soweit. Wegen der Dunkelheit war es notwendig, dass das Licht am Fahrrad eingeschaltet wurde. Das klappte auch. Wegen des Krieges und der Verdunkelungsauflagen war es Pflicht, das Licht des Scheinwerfers nur gemindert durch einen Schlitz nach außen dringen zu lassen. Dazu hatte Hüsing ein Stück dunkles Packpapier mit Heftpflaster auf dem Scheinwerferglas befestigt. Schon nach gut 100 Metern löste sich an einer Seite das Heftpflaster und das Packpapier klappte zur Seite. Ich drückte das wieder an und musste das oft wiederholen. Natürlich hielt ich nicht immer gleich an. So auch kurz vor der Einmündung unseres Weges auf die Hauptstraße. Meine Scheinwerferabdeckung hatte sich gerade gelöst, da schnappte ein Gendarmenarm nach mir und zog mich vom Fahrrad. Es gab einen Disput, bei dem ich letztlich beschuldigt wurde, das Fahrrad gestohlen zu haben. Zum Schluss, nach dem man meine Personalien aufgenommen hatte, legte man fest, dass der Besitzer des Fahrrades dieses selbst abholen sollte.

      Der bösartige Verdacht war die eine Seite dieser missglückten Radtour. Schlimmer war, dass ich nun zu spät zur Arbeit kam. Ich stand etwa 20 Minuten nach Arbeitsbeginn vorn bei Meister Dietz, um mich zu entschuldigen. Doch der schiss mich zusammen und ließ keine Entschuldigung gelten. Dann begann das Spießrutenlaufen. Zuerst den Lehrausbilder vom Dienst suchen. Mit dem dann nach unten in den Keller zu den Umkleideräumen gehen und umziehen. Nun hatte gerade der dickste Lehrausbilder diese Aufgabe. Der schimpfte ausgiebig, musste er doch meinetwegen diesen zusätzlichen Weg zurücklegen. Dann musste ich beim Lehrausbilder bitten, dass der Rollschrank geöffnet wird, damit ich meine Brotbüchse ablegen konnte. Nun erst kam ich zur Arbeit.

      Bald darauf bekam ich meine zweite Maulschelle. Es war im November, wir hatten die Eintragungen in unseren Werkstattheften fast auf dem aktuellen Stand, da stieß jemand im Heim an den Tisch, an dem ich schrieb und das Tintenfass kippte um. Ein Riesenklecks entstand in meinem Heft, der sich nicht nur auf die betreffende Seite bezog. An den nächsten Tagen sollte ich mein Heft vorlegen. Der Lehrausbilder übermittelte es sofort dem Meister Dietz. Der rief mich zu sich und kam mir gleichzeitig entgegen. Er schnauzte mich an, was das sein solle. Ohne meine Entschuldigung anzuhören bekam ich eine Ohrfeige, die nicht von schlechten Eltern war. Ich solle mich an einen anderen Tisch setzen, wenn ich derartige Schreibarbeiten zu erledigen hätte. Ich dachte, der macht Spaß. Doch davon war er weit entfernt. Eine Entschuldigung akzeptierte er nicht. Das Heft musste ich von vorn wieder neu beginnen. Alle Wochennotizen und die Skizzen dazu noch einmal ausführen. Ich ärgerte mich doppelt. Das neue Heft hatte nicht mehr so gutes Papier, es war schon Kriegswahre, wo die Schreibfeder oft in das Papier einhakte. Ich überstand das auch. Das Heft war zum gesetzten Termin fertig. Heute würde ich sagen, es ist sogar noch einigermaßen geworden.

      Ich war gerade so schön dabei, den Systemmachergrundlehrgang zu absolvieren, da holte mich der Technische Zeichner-Lehrling wieder ein. Da die Unterschrift von meinem Vater noch nicht vorlag, wurde ich noch unter der alten Berufsbezeichnung geführt. Meine Ausbildung an der Drehmaschine war fällig. Die hätte ich als Systemmacherlehrling auch absolvieren müssen, aber nicht so zeitig.

      Ich kam an die Drehmaschine in Lehrwerkstatt I, blieb also unter der Fuchtel von Meister Dietz und Lehrausbilder Hücker. Das Drehen fand ich interessant, nur mit der Wechselräderberechnung kam ich nicht zurecht. Vielleicht hatte Hücker es mir auch nicht richtig erklärt. Zum Gewinde drehen bin ich deshalb nicht mehr gekommen, aber es gelang mir, einen Ballengriff herzustellen, wobei mit Handmeißeln gearbeitet wurde, so ähnlich, wie es ein Drechsler macht. Und bei einem Drechsler in Bürgel war ich eine Zeit lang Laufjunge. Da hatte ich schon Versuche mit einem Handstahl absolviert.

      Nach dem Weihnachtsurlaub konnte ich die Unterschrift meines Vaters zum Berufswechsel vorlegen. Ich musste aber in dem Maschinenturnus bleiben, weil sonst zu viel Verschiebungen notwendig geworden wären. So war ich dann über ein halbes Jahr früher an den Maschinen, als meine neuen Gruppenmitglieder.

      Am 8. Januar 1941 kam ich in den Werkzeugbau, zur Fräserei. Der Fräsergeselle dem ich nun die nächsten vier Wochen unterstellt war, hieß Ley. Zeitweise war noch ein zweijähriger Lehrling bei ihm. Er hatte mehrere Maschinen zu bedienen, wobei wir Lehrlinge ihm zur Seite standen. Ich erinnere mich, dass an einer größeren Fräsmaschine große Drallbohrer, die man gewöhnlich und falsch als Spiralbohrer bezeichnet, gefräst wurden. An einer anderen Maschine wurde einmal von einem Lehrling der Anschlag zum Ausschalten des Vorschubs nicht ordentlich festgezogen und der Fräser fräste ein Stück weiter in den Reitstock. Größerer Schaden wurde aber vermieden. Ich fräste an einer kleineren Maschine Reibahlen, an der der Vorschub mit einem Handhebel und mit Gefühl erfolgte. Die Reibahlen hatten am Schneidenteil um die sechs bis acht Millimeter Durchmesser.

      Meine nächste Ausbildung sollte in der Hobelei stattfinden. Andere Lehrlinge meinten, ich möge bloß zusehen, dass ich nicht zu dem Gabriel komme. Dort würde es schrecklich sein. Ich kam zu dem Gabriel. Die erste Woche durfte ich nur zusehen. Ich bekam nichts erklärt. Ein zweijähriger Lehrling war auch noch dort beschäftigt. Der erklärte mir auch nichts. „Das muss der Lehrgeselle machen,“ sagte der Zweijährige, der aus Berlin stammte. Als der Geselle, also Gabriel einmal nicht anwesend war, zeigte er mir, wie der Vorschub eingeschaltet wird. Das war alles.

      Der Zweijährige hatte seine Zeit dort bald herum und ich war allein bei Gabriel. Der erklärte mir nun auch noch einmal das Einschalten des Vorschubs und gab mir zur Aufgabe, zwei schon bearbeitete Teile auf die geforderte Länge zu hobeln. Das Einspannen von Werkstücken in einen Maschinenschraubstock erlernte ich schon in der Fräserei. Um die Parallelität von gegenüberliegenden Flächen zu gewährleisten, wurden zwei Parallelleisten untergelegt, auf die das Werkstück gesetzt wurde. Mit einem etwa 1000-Gramm-Hammer wurde ein schon gespanntes Werkstück auf die Parallelleisten getrieben, sodass diese an keiner Seite mehr zu bewegen waren. War das der Fall, hatte man die Gewähr, dass die nun zu bearbeitende Fläche parallel zu der bereits bestehenden wurde. Man spannte beim nach unten Treiben den Schraubstock ab und zu noch einmal nach.

      Meine Freude war groß, als ich nun die Maschine allein in Gang setzen durfte und probieren konnte, wie viel mein Hobelmeißel in der Zustellung schaffte. Von den beiden Werkstücken sollte eins 90 Millimeter lang werden und das andere 60 Millimeter. Ich dummes Luder habe nun zuerst das eine Werkstück auf 60 Millimeter herunter gehobelt und wollte dann das 90 Millimeter lange beginnen. Beim ersten hatte ich so richtig Spaß, wie die Späne davon flogen.

      Dann packte mich das Grausen. Gabriel war noch nicht zugegen, da er in eine andere Werkstatt zum Hobelmeißelschleifen gegangen war. – Ich hatte das längere Werkstück zu dem kurzen gemacht und somit Ausschuss produziert. Gerade als ich nun so bedrückt meinen Ausschuss betrachtete, kam Gabriel. Ich zeigte ihm meinen Murks, er nahm das zu kurze Stück in die Hand und warf es mir vor den Bauch. Ich drehte mich ab, sodass der Eisenklotz zwar noch an meinen Bauch gelangte, aber nicht mit voller Wucht aufkam. Währen der Eisenklotz zwischen die Maschine des nächsten Hoblers flog, bekam ich von Gabriel einen Tritt in den Hintern, den ich ihm durch mein Abdrehen darbot. Gabriel sagte nichts. Ich musste nun wieder neben den Kurzhobelmaschinen stehen und zusehen.

      Am nächsten Tag stand ich nicht mehr. Davor rettete mich ein Sturz mit den Ski meines Onkel Fritz.

      Als

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