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bin dankbar für jeden netten jungen Menschen, den ich treffe. Ich freue mich über die Hoffnung in ihren Augen, über den Lebensdrang der Heranwachsenden. Aber es gibt auch das Gegenteil: Da sehe ich eine junge Frau mit ihrem Hund allein auf einer Bank sitzen, die Augen gerötet. Wie groß ist die Tragödie, vor der sie flieht?

      Wenn ich jetzt neben Ihnen sitzen würde, würde ich Sie gern fragen: Durch welche Krisen sind Sie schon gegangen? Hatten Sie jemanden, der bei Ihnen war? Haben Sie sich alleingelassen gefühlt? Und wie sind Sie aus der Krise hervorgegangen? Gebrochen, enttäuscht, verzweifelt? Oder reifer, gestärkt, erfahrener? Weiser, getröstet, im Frieden?

       Am Ertrinken

      Am Battery Park im Süden Manhattans – dort, wo die Schiffe anlegen, die die Touristen zur Freiheitsstatue und nach Ellis Island bringen – gibt es eine Skulptur, die mich beeindruckt hat. Sie heißt „American Merchant Mariners‘ Memorial“ und wurde von der New Yorker Künstlerin Marisol Escobar geschaffen. Sie wurde 1930 in Paris geboren; ihre Eltern stammten aus Venezuela. Sie verlor ihre Mutter schon mit elf Jahren. Ihr Vater führte mit ihr und ihrem Bruder während des Zweiten Weltkriegs ein Nomadendasein. Sie verbrachte einige Jahre ihres Lebens in Europa, bis sie nach New York zog. Dort schuf sie dieses Denkmal mit den vier Männern, das am 8. Oktober 1991 eingeweiht wurde.

      Das Kunstwerk steht auf einem steinernen Wellenbrecher im Hafen und zeigt den schräg aus dem Wasser ragenden Bug eines sinkenden Schiffes. Drei Männer sind auf dem Bug. Einer von ihnen liegt am Rand und streckt seine Hand nach unten einem weiteren Schiffbrüchigen entgegen, der sich noch im Wasser befindet. Die Hand des Retters berührt fast die Hand des Ertrinkenden. Der Kopf des Mannes im Wasser ist so platziert, dass er immer wieder von den Wellen überspült wird. Eine beeindruckende Szene, die mich nicht loslässt.

      Wenn Sie sich gedanklich in diese Szene hineinversetzen – an wessen Stelle würden Sie sich sehen? Wären Sie der Mensch im Wasser, der immer wieder von den Wellen überspült wird? Oder stehen Sie gerade Anderen im Kampf ums Überleben bei? Oder haben Sie es selbst gerade so aufs Trockene geschafft?

       Die richtige Entscheidung treffen

      Nicht alle Krisen kündigen sich so an, dass man sich in Ruhe darauf vorbereiten könnte. Plötzlich steht man vor schweren Problemen und weiß nicht vor und nicht zurück. Wie entscheidet man richtig? Wer hilft mir? Der leichte Ausweg ist nicht immer der beste.

      Als meine Mutter sich als junges, unverheiratetes Mädchen plötzlich schwanger fand, gab es auch Ratgeber, die sagten: „Lass das Kind wegmachen, du in deiner Lage. Ich kenne da jemanden …“ Sie hat sich – nicht zuletzt aufgrund ihres Glaubens – anders entschieden, und ich bin ihr bis heute dankbar dafür – auch wenn der Weg, den wir gewissermaßen als Familienfragment zu gehen hatten, nicht immer leicht war.

       Eine höhere Dimension von Hilfe

      Das eben erwähnte Denkmal ist ein Symbol für die dunklen Seiten unserer Zeit, die schweren, die krisenhaften – aber auch für Hoffnung und Rettung. In manchen Krisen ist zuerst die Solidarität gefragt. Bei anderen Krisen braucht es eine höhere Dimension von Hilfe.

      Johannes Freiherr Heereman, Präsident des Internationalen Malteser Hilfsdienstes, sagte einmal: „Nähe und Zuwendung sind häufig die Hilfe, die am dringendsten benötigt wird. Die größte Not unserer Gesellschaft ist die geistliche Not – das gilt nicht nur für Alte und Kranke … Viele Mitarbeiter, egal ob Ehrenamtliche oder Hauptberufler, sagen, dass es für sie keine befriedigendere Erfahrung gibt, als anderen Menschen etwas Gutes tun zu können. Wir kommen Gott nie so nahe wie in Momenten der Not. Mein großes Glück war es, das früh erlebt zu haben.“4

      Hat er Recht? Sehen Sie das auch so? Läuft es auf das alte Sprichwort hinaus: „Not lehrt Beten“? Oder macht man es sich damit zu einfach?

      Jesus sagte: „In der Welt habt ihr Angst, aber lasst euch nicht entmutigen: Ich habe die Welt besiegt.“ (Johannesevangelium 16,33 Hfa)

      Einige Jahrhunderte zuvor hatte Gott durch einen seiner Propheten verkünden lassen: „Kann eine Mutter ihren Säugling vergessen? Bringt sie es übers Herz, das Neugeborene seinem Schicksal zu überlassen? Und selbst wenn sie es vergessen würde – ich vergesse dich niemals! Unauslöschlich habe ich deinen Namen auf meine Handflächen geschrieben …“ (Jesaja 49,15.16 Hfa)

      Glauben Sie das? Fänden Sie es wohltuend, wenn jemand Ihnen so viel Bedeutung und Beachtung schenken würde?

      Worauf Sie sich verlassen können, ist, dass Gott auch für Sie da ist. Nicht ein einziges Menschenschicksal geht unbemerkt an ihm vorüber.

      Manchmal sagen Leute: „Ich wünschte, ich hätte auch diesen Halt im Glauben.“ Dieser Halt ist für jeden Menschen da. Selbst dann, wenn Sie noch nie etwas mit Gott zu tun gehabt haben sollten. Er möchte gern etwas mit Ihnen zu tun haben.

      Wie sieht es von Ihrer Seite aus? Interessiert? Einige sagen: „Ich kann das einfach nicht glauben. Das ist mir zu fremd.“ Ich würde sagen: Probieren geht über Studieren. Versuchen Sie es! Gott ist näher, als Sie vielleicht denken.

       Fragen zum Nachdenken

      1. Warum machen mich manche Krisen fassungslos, während andere mich unberührt lassen?

      2. Wonach habe ich mich am meisten gesehnt, als ich in einer Krise steckte?

      3. Welche Rolle hat der Glaube an Gott in meinen Krisen gespielt?

       Zur Vertiefung

      Gerhard Padderatz: Allmächtig? Ohnmächtig? Gerecht? Ein Dialog über Gott und sein Handeln, Advent-Verlag, Lüneburg, 8. Auflage 2011, 168 Seiten, Best.-Nr. 1885

      James Gilley: Der Herr kämpft für uns. Geistliche Strategien für alltägliche Probleme, Advent-Verlag,Lüneburg 2007, 140 Seiten, Best.-Nr. 1821

      Diese und alle anderen empfohlenen Bücher und Medien zur Vertiefung finden Sie im Internet unter www.adventist-media.de oder können sie bei den auf Seite 168 genannten Bezugsquellen telefonisch oder per Fax bestellen.

      02 SELBSTSTÄNDIG – UNABHÄNGIG – FREI

       Was ist mit Schicksal, Führung oder Bestimmung?

      KLAUS POPA

      Ein neugeborenes Baby lebt in ständiger Abhängigkeit. Es ist darauf angewiesen, dass seine Eltern sich darum kümmern.

      Als kleines Kind konnte ich meine Bedürfnisse und Wünsche kaum selbst erfüllen. Was habe ich dann gemacht? Ich weinte und schrie, wartete und hoffte, dass meine Eltern mir das gaben, was ich brauchte oder wollte.

      Wenn man sich als Kind etwas wünscht, z. B. ein Fahrrad, bekommt man es entweder zum Geburtstag, zu Weihnachten, ein Jahr später oder gar nicht. Ab einem bestimmten Alter kann man sich den Wunsch nach einem Fahrrad vielleicht auch selbst erfüllen. Man gibt nicht mehr das gesamte Taschengeld aus, trägt Zeitungen aus oder wäscht Autos von Verwandten und Nachbarn. Irgendwann hat man das Geld zusammen, geht in ein Geschäft und kauft sich das Fahrrad – und später als Jugendlicher den Laptop oder das iPhone. Man ist nicht mehr auf Andere angewiesen; man muss nicht warten, sondern kann selbst handeln. Das sind erhabene Augenblicke.

       Zutiefst befreiend …

      Das Leben selbst in die Hand zu nehmen ist befreiend. Was war das für ein Gefühl der Unabhängigkeit, nachdem ich mein Studium beendet hatte und in meine erste Wohnung eingezogen war, abends in das eigene Auto einzusteigen, von der Arbeit nach Hause zu kommen und die Tür zur eigenen Wohnung aufzuschließen, oder am Monatsende das Gehalt auf mein Konto überwiesen zu bekommen.

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