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Diese schrecklichen Alpträume. Zerklüftete Küsten, alte Seefahrerhäuser, die vor Geistern und Bösem zerbersten … Aber wie dem auch sei, ich denke, es ist an der Zeit, dem Horror die Stirn zu bieten.«

      »Du willst, dass ich meine Stirn in etwas stecke, das vor Geistern und Bösem nur so strotzt?«

      »Dieses Haus will dir etwas sagen, Stoner. Ich fürchte, es wird nicht damit aufhören, bevor es das nicht losgeworden ist.«

      »Ich bin nicht sicher, ob ich es hören will.«

      Ihre Tante lächelte beruhigend. »Arme Stoner. Wenn es um psychische Phänomene geht, wird dir ganz anders, nicht wahr?«

      »Ich glaube nicht an sie«, beteuerte Stoner standhaft. »Für dich sind sie in Ordnung, aber nicht für mich.«

      »Ich versuche sie zu integrieren. Meine erste Erfahrung erschütterte mich so sehr, dass ich sieben Komma sechs auf der Richter-Skala notierte.«

      Stoner lachte. »Na, das ist ja ausgesprochen erstrebenswert.«

      »Also, was soll ich Nancy Rasmussen sagen?«

      »Ich weiß nicht.« Sie betrachtete ihre Handflächen. »Ich würde gerne helfen, aber … wenn es doch nur nicht ausgerechnet Maine wäre.«

      »Und wenn du jemanden mitnehmen würdest?«

      Stoner schaute hoffnungsvoll hoch. »Dich?«

      »Ich würde gerne mitkommen, aber die Anfängerinnen müssen auf Graces Übersinnlichem Wochenende arbeiten. Ich fürchte, ich werde die Tage mit Kochen und Koordinieren verbringen.«

      »Marylou fällt aus. Sie hasst verreisen. Aszendent Krebs, du weißt doch.«

      »Marylou hat ihre Bestimmung verfehlt«, sagte Tante Hermione. »Ein Skorpion mit Aszendent Krebs sollte ein Bordell leiten.« Sie blickte Stoner listig an. »Ich hatte eigentlich an Gwen gedacht.«

      »Jetzt hab ich’s. Das ist einer deiner berüchtigten Manipulationsversuche.«

      »Manipulation!«, schrie Tante Hermione auf. »Meine Liebe, ich würde niemals mit deinem Karma herumspielen.«

      »Warum nicht? Könntest du davon blind werden?«

      »Viel schlimmer. Ich könnte eine verhängnisvolle Leidenschaft für jemanden wie Uri Geller entwickeln. Der Kosmos ist bekannt dafür, mit schmutzigen Tricks zu arbeiten.« Sie spielte mit ihrer Gabel und räusperte sich. »Stoner, Liebes, während du in Maine bist … meinst du, du könntest … nach einem Kätzchen Ausschau halten? Nur nach einem ganz kleinen Kätzchen«, fügte sie schnell hinzu. »Ich weiß, du bist nicht besonders begeistert von Katzen, aber es müsste ja auch nicht so ein riesiges Monsterbiest wie Diablo sein. Ein niedliches, kleines, puschelig-kugeliges Kätzchen.« Sie schaute auf. »Vielleicht?«

      Stoner grinste. »Jetzt kommen wir zum Kern der Wahrheit.«

      »Ein süßes Kätzchen. Eines in der Farbe deines Haares, wenn du willst, obwohl ich noch nie ein kastanienbraunes Kätzchen gesehen habe.«

      »Ist in Ordnung, Tante Hermione. Ich werd versuchen, ein Kätzchen für dich zu finden.« Sie streichelte die Hände ihrer Tante. »Du vermisst Diablo, nicht wahr?«

      »Ich glaube schon. Tiere verbinden sich mit Teilen unserer Seele, wenn wir es zulassen. Und weil unsere Seelen immer noch miteinander verbunden sind, vermisse ich ihn natürlich manchmal – im materiellen Sinne. Er hatte so ein sinnliches Fell. Gerade gestern Morgen, kurz bevor ich richtig aufgewacht war, hätte ich schwören können, dass er zusammengerollt an meiner Schulter lag, so wie er es immer machte. Vielleicht war es sein Geist.« Sie lachte. »Deine Erfahrungen mit Diablo waren vollkommen anders, nicht wahr? Ihr hattet eine zänkische Beziehung.«

      »Du schmeichelst der Wahrheit.«

      »Aber du kannst ein Kätzchen an dich gewöhnen, solange es jung ist.«

      Ich dachte da eigentlich eher an Erziehung als an Gewöhnung. Die Erziehung, sich nicht in meine Fersen zu krallen, keine toten Vögel ins Haus zu schleppen, nicht die Blauen McTavish-Fadenlos-Zwitter-Schnellwüchser-Springbohnen zu terrorisieren.

      »Ich vermute, es gab eine geschwisterliche Rivalität zwischen dir und Diablo«, sagte ihre Tante. »Völlig normal unter den damaligen Umständen.«

      »Er behandelte mich besser als die Blue Runners. Erinnerst du dich daran, wie er die gesamte Ernte auffraß und dir damit fast das Geschäft ruinierte?«

      »Nicht nur meins. Denk nur an all die bohnenlosen Dachgärten in Back Bay. Wärest du nicht so schlau gewesen, noch ein paar Bohnen auf dem Boden meines Strickkorbes zu finden, wäre es das Ende einer Ära geworden.« Sie sah Stoner zärtlich an. »Manchmal weiß ich gar nicht, wie ich ohne dich zurechtkäme.«

      »Es hätten sich schon noch mehr gefunden.« Vermutlich in der Kiste mit dem Familiensilber zwischen der Wäsche auf dem Dachboden, in der Erwartung, von wagemutigen Archäologinnen im Jahre dreitausend entdeckt zu werden. »Aber du, du bist wirklich einmalig, Tante Hermione.«

      »Wofür die Welt vermutlich jeden Sonntagmorgen Dankeshymnen schmettert«, sagte Tante Hermione.

      »Und ich schmettere täglich Dankeshymnen, weil, wenn es denn nur eine Hermione Moore auf der Welt geben kann, sie es einrichtete, meine Tante zu werden.«

      Zum ersten Mal in ihrem Leben sah sie Tante Hermione erröten. »Du beeilst dich jetzt besser«, sagte die ältere Frau. »Ich möchte nicht dafür verantwortlich gemacht werden, dass du zu spät zur Arbeit kommst.«

      Stoner zog ihren Regenmantel vom Haken neben der Hintertür. »Tante Hermione, war Diablo dein Medium?«

      »Aber, Liebes, nein! Er war viel zu aggressiv. Ich habe noch niemals eine so aggressive Katze erlebt.«

      »Ich hab die Narben, um es zu bezeugen.«

      »Ich werde niemals den Tag vergessen, als er in die Schublade mit deiner Unterwäsche stieg«, sagte Tante Hermione glücklich. »Er fraß dir aus allen deinen Slips den Schritt heraus.«

      Stoner packte fest den Türgriff. »Falls ich dich nicht behalten kann, kann ich dann Gracie Allen bekommen?«

      Ihre Tante runzelte nachdenklich die Stirn. »Ich glaube nicht, Liebes. Sie ist in frühestens vierzig Jahren zur Reinkarnation fällig.«

      ***

      Die Fäuste in den Jackentaschen stapfte Stoner durch den Schneematsch und starrte auf die wässrige Straße, auf die kahlen, schwärzlich schimmernden Bäume, in die verstopften Rinnsteine voller Eis, Streusand und zerbeulten Bierdosen. Der späte Winterhimmel hatte die Farbe von Schimmel angenommen.

      Boston. Es hieß, die Stadt wäre auf Müll gebaut worden. Tonnen von Müll einst in einen Sumpf gekippt. Sie zweifelte keine Sekunde daran.

      Sie suchte nach dem Licht auf der Spitze des Hancock-Wolkenkratzers, aber der Nebel hatte es ausradiert. Eine Taube kauerte hinter einer Parkbank, ein grauschwarzes Klümpchen Elend. Die Schaufenster eines Drugstore waren mit Plüschhasen, Plastikeiern und unerschwinglichen Chantilly-Chocoladen-Creationen dekoriert.

      Fröhliche Ostern, dachte sie. Wer sich bei diesem Wetter wiederbeleben lässt, ist wirklich nicht mehr zu retten.

      Die Tür des Reisebüros klemmte wie üblich. Als sie sie mit der Hüfte aufstieß, wäre sie dabei fast in den warmen, muffigen Raum gefallen. Marylou sah von ihren Papieren auf.

      »Guten Morgen. Können wir Ihnen behilflich sein?«

      »Ich brauche eine Fahrkarte in die Hölle. Nur Hinfahrt.«

      »Sie haben Glück. Es sind in letzter Minute noch zwei Plätze für eine Charter-Maschine frei geworden. Reisen Sie allein oder nehmen Sie den Herrn Gemahl mit?«

      »Allein.« Voll Widerwillen hängte sie ihren Schal und den durchnässten Mantel über einen Haken im Kleiderschrank. »Tut mir leid, ich bin zu spät.«

      Marylou wedelte mit der Hand, begleitet vom

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