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Kunst, teils auch schon ihrer Konsumtion und Kommunikation zugrunde liegen. Maschen, die uns vertraut oder ungewöhnlich vorkommen, die kaum je explizit erwähnt werden, obgleich uns unser Umgangswissen mit Kunst sagt, dass wir schon unzählige Male darauf gestoßen sind.

      Nur wäre es eitler Irrtum, zu glauben, solche Phänomene gehörten gar nicht in den Spitzen-, sondern nur in den erwähnten Breitensport der Kunst, bloß weil sie dort besser sicht- und greifbar wurden! Denn an der Basis erhalten sich solche M. d. K. nur ungenierter und häufiger in Reinkultur. Hat man sie dort aber erst einmal benannt und analytisch auf den Punkt gebracht, so wird man sie unschwer auch in den höheren Etagen des Kunstbetriebs wiederfinden. Nur dass es dort oft peinlichkeitsvermeidende Mischungen mehrerer und mithin Abtrübungen einzelner Maschen sind, die dem Künstler helfen, sich die Gunst eines für Abgegriffenheiten sensibilisierten Publikums zu erhalten.

      Wie man sich denken kann, entsprechen etlichen M. d. K. gewisse Legitimationsmuster aufseiten der Kunstkritik oder der Kunstgeschichtsschreibung. Das könnte uns zu der Überlegung verleiten, ob nicht, statt die Verantwortung allein bei den Künstlern bzw. der Kunst zu suchen, mit eben so viel oder mehr Recht von Maschen der Kunstgeschichte bzw. der Kunstkritik auszugehen wäre. Beispielsweise dürfte einem künstlerischen ›Häufungshumbug‹ der verbale Häufungshumbug aufseiten manch sprachschäumender Katalogautoren in nichts nachstehen. (Denn man könnte spekulieren, ob nicht beides Indiz der nämlichen Selbstverschlagwortung von Sinnproduzenten im Zeitalter internetbasierter Aufmerksamkeitsökonomie geworden sei.) Doch führen die meisten Kapriolen der Kunst, so sie von der Kritik nicht ohnehin ignoriert werden, die Kapriolen der zugehörigen Kunstliteratur nur im Gefolge. Deswegen bleibt mein Hauptinteresse bei den Maschen in der Kunst selbst, erst in zweiter Linie gilt es ihrer Verzahnung mit gesprochenen wie geschriebenen Worten zur Kunst. Dass es ungeachtet dessen auch originäre Maschen der Kunstkritik bzw. der Kunstgeschichtsschreibung gibt, die nun wirklich zuallererst auf das Konto der schreibenden Zunft gehen, sei damit keineswegs bestritten. Nur sind solch eingefahrene Muster des Ausdeutens oder Belobigens von Kunst doch ein anderes Thema, dem sich Autoren wie Beat Wyss oder Christian Demand auf anregende Weise widmen.

      An einem Vorverständnis dessen, was eine M. d. K. ungefähr sein könnte, ließen es die meisten der Fragen und Anregungen, mit denen ich im Vorfeld konfrontiert wurde, nicht mangeln. Eher haperte es an einer Vorstellung davon, wie viel eine Masche sinnvollerweise jeweils sollte fassen können.

      Zum einen bezogen sich etliche Ratschläge auf etwas tendenziell viel zu Kleines, das ich der Einfachheit halber als ›Individualmaschen‹ bezeichnen würde: Kopfüberstellungen figürlicher Motive bei Baselitz, Günther Ueckers Eigenart, mit Nägeln zu arbeiten, Thomas Hirschhorns Faible für Paketklebeband, Jonathan Meeses Teutonen-Eintopf usw. Vermutlich gibt es so viele Individualmaschen, wie es profilierte Künstler gibt. Nur enthalten sie kaum Prinzipielles – was sollte schon das Prinzipielle‹ einer unablässigen Verwendung von Nägeln sein? Vor allem aber sind Individualmaschen für Nachahmer nur mäßig attraktiv. Je markanter und nachahmenswerter nämlich das Nachgeahmte ist, desto wahrscheinlicher wird der Nachahmende als Epigone gelten.

      Zum anderen erhielt ich Tipps, die auf etwas viel zu Großes, ja auf Allerweltsaspekte zielten. Ich würde hier behelfsweise von ›Megamaschen‹ sprechen. In diese Gruppe flächendeckender künstlerischer Geschmacksverstärker gehört beispielsweise ›sex sells‹ oder auch jene omnipräsente Rückgriffsmentalität, die im Präfix ›Retro‹ Ausdruck findet. Auf einen erheblichen Anteil jüngerer Kunst träfe gewiss das eine oder das andere (oder auch beides) zu. Nur wäre mit solchen Megamaschen nichts wirklich Spezifisches oder Treffliches über die persuasio eines Werkes ausgesagt, über die Art, wie es uns als Betrachter um den Finger wickeln will.

      Die M. d. K., um die es im vorliegenden Buch gehen wird, sind daher weder von so grober Art, dass die Bestimmung ihrer Implikationen trivial bis müßig würde, noch derart punktuell, dass ihnen alles Prinzipielle abginge und Nachahmer kompromittiert dastünden.

      Mit meinem Buchvorhaben konfrontiert und wohl mit Blick auf sein eigenes Werk, fragte mich ein erfahrener Künstler etwas gereizt, ob denn die Spezialisierung auf ein bestimmtes Material in der Kunst auch schon einer ›Masche‹ gleichkomme. Und Kollegen von der Kunstgeschichte wollten wissen, wie es um den Einbezug allgemein bekannter Symbole oder die Verwendung bereits fest eingeführter Zeichen stehe. Ob bereits die Entscheidung eines Malers für ein bildtypisches Format eine Masche impliziere, weil damit konventionalisierte Wirkungen übernommen würden, usw. Was in all diesen Fällen nottat, war eine Abgrenzung gegenüber Konzepten und Kategorien, die man zur begrifflichen Nachbarschaft von M. d. K. zählen kann. Zwar hoffe ich, dass die Lektüre dieses Buches und seiner zahlreichen Einträge es jedermann unmissverständlich klarmachen wird, was als M. d. K. gelten darf und was nicht. Dennoch will ich entsprechende Hinweise geben. Da ein Vorverständnis bereits erreicht ist, kann ich mich auf die jeweils zu skizzierende differentia specifica beschränken.

      Die erste und leichteste Unterscheidung, die es zu treffen gilt, ist die zwischen einer Masche und einem Mittel. Beispielsweise mag sich ein Künstler des ›Mittels‹ der Zentralperspektive bedienen. Wären aber M. d. K. tatsächlich nichts anderes als derart grundlegende, so diverse wie legitime ›Mittel‹ des Kunstschaffens, so müsste ihr Nachweis völlig trivial erscheinen. Und auf solche Maschen (alias Mittel) zu verzichten, könnte den Künstlern wirklich nur ein Narr abverlangen.

      Lohnender erscheint die Unterscheidung zwischen einer Masche und dem, was man als ›Voreinstellung‹ oder in der Sprache der elektronischen Musik und der Popdiskurse als ›Preset‹ bezeichnet hat. Durch den Einsatz mehrerer solcher Presets vermag ein Musiker heute im Handumdrehen passable Rhythmen oder klangliche Effekte zu erzielen, ohne dass er über größeres handwerkliches oder musikalisches Können verfügen müsste. Was läge näher, als hier wenigstens eine Verwandtschaft zur Masche zu mutmaßen? Doch machen Presets aus ihrem Einsatz gar kein Geheimnis. Oftmals handelt es sich um nichts weniger als unhintergehbare Grundelemente oder Vorgaben eines Mediums, mit denen umzugehen gerade den Reiz ausmachen kann, betreffe es nun LEGO-Steine oder die fixierten Minimalintervalle eines Tasteninstrumentes. Zu Presets könnte man aber auch Module rechnen, die ein Architekt vielleicht frei gewählt hat, denen er sich in der Folge aber selbst unterwirft. Und natürlich operieren unzählige Symbole, Zeichen sowie andere konventionalisierte Modi, die ein Künstler verwenden kann, als Presets in dem Sinne, dass damit bereits kodifizierte Bedeutung in ein Werk übernommen werden kann, also vorverpackte Sinneinheiten, die ein Künstler nicht neu erfinden muss. Würde, um es an einem Beispiel zu verdeutlichen, ein Künstler Horribles in märchenhaftem Gewande darbieten und sich dazu gewisser Rotkäppchen-Stereotypen bedienen, so hätten wir es wahrscheinlich mit alles andere als verwerflichen, nämlich der Wiedererkennbarkeit halber durchaus angebrachten ›Presets‹ zu tun. Dem Künstler indes zu bescheinigen, insgesamt verfolge er eine nicht sonderlich originelle Strategie der ›Idyllbrechung‹– das hieße bereits, über eine ›Masche‹ zu diskutieren.

      Was findet sich sonst noch in der begrifflichen Nachbarschaft? Hier überlappt sich manches, und es ist zum Teil ein Streit um Worte. Was nichts anderes heißt, als dass es beim Begriff der ›Masche‹ kaum um völlige, sondern nur um größtmögliche Angemessenheit gehen kann. Denn da gibt es beispielsweise auch noch das ›Prinzip‹ und das ›Muster‹– Begriffe, auf die ich mitunter verfalle, wo sie besser passen oder ausreichen. Mit beiden teilt die Masche das den Einzelfall übersteigend Verallgemeinerbare. Vom Prinzip unterscheidet sie sich allerdings dadurch, dass sie weder als leitender Wert, etwa als Maxime, noch auch als Formel taugt (wir können uns ein Prinzip der Schwerkraft, aber keine Masche der Schwerkraft vorstellen!). Und im Unterschied zum starren Muster denken wir uns die Masche doch geschmeidiger, schließt sie Funktionen nicht aus. Blieben noch der Kniff, der Trick oder das Manöver, mit denen die Masche zwar das nötigenfalls Unredliche teilt, insbesondere das günstige Verhältnis von geringem Aufwand und passabler Wirkung. Nur ist die Masche eben nichts Singuläres oder Situationsgebundenes, und eigentlich ist sie selten von gewitztem Vorsatz geprägt.

      Aus dieser insgesamt verzwickten Zwischenstellung wird, so hoffe ich, etwas plausibler, warum ich am flapsigen Begriff der ›Masche‹ festhalte. Zumal damit auch eine gewisse Offenheit gewahrt ist, was den Grad an vorauszusetzender Absichtlichkeit betrifft: Eine Masche

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