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ist, dem jede politische Bewegung, als Mittel, unterzuordnen ist. (…) dass in dem streitenden Stand der Arbeiterklasse ihre ökonomische Bewegung und ihre politische Betätigung untrennbar verbunden sind.« (MEW 17, 468f.)

      Marx und Engels überdenken hier also genau das, was sie im Manifest zu vereinfacht skizziert hatten: die notwendigen Verschiebungen und die Konstellationen im Verhältnis zwischen den politischen und den ökonomischen Formen des Klassenkampfes. Die Zeitspanne, die dazwischen liegt, ist ziemlich lang – vom Elend der Philosophie bis zur Pariser Kommune, ein Zeitraum, in dem das marxsche Nachdenken über dieses entscheidende Thema »weiteren Schwankungen« – wie Poulantzas (1973, 58) es genannt hat – unterlag. Diese ›Schwankungen‹ sind sorgfältig zu betrachten.

      Die in dem obigen Zitat aus dem Elend der Philosophie gezogene Unterscheidung zwischen Klasse »an sich« und Klasse »für sich« erstarrte später zu einer Art Standardformel. Sie setzt das Ökonomische und Politische auf falsche Weise ins Verhältnis. Sie unterstellt, dass es eines Tages einen Moment geben könnte, in dem das ganze Proletariat das revolutionäre Klassenbewusstsein entwickelt haben wird, das ihm durch eine gegebene, ökonomisch-objektive Bestimmung vorgeschrieben ist; und dass man überhaupt erst dann von einer Existenz der Klasse auf der Ebene des politischen Kampfes sprechen kann. Wir haben bereits zuvor auf die Schwächen dieser säuberlichen Aufspaltung hingewiesen: einer Aufspaltung, die den »politischen Klassenkampf« ausschließlich für diesen Moment erfüllten Bewusstseins zu reservieren scheint; die dieses Bewusstsein zu direkt aus der ökonomischen Determiniertheit der Klassen ableitet; die das Erlangen einer »autonomen« Form von Klassenbewusstsein zum einzigen Prüfstein der politischen Existenz, einer Klasse macht und die Klassen als einheitliche historische Subjekte fasst.

      Die Unterscheidung zwischen »an sich/für sich« ist dann nützlich, wenn unterschiedliche Momente und Formen des Klassenbewusstseins definiert werden sollen, und vielleicht sogar dann, wenn man in ganz großen Zügen die Entwicklung weg von einer »korporativen« Form des Klassenkampfes markieren will. Dann müssten wir aber eine gelegentliche Äußerung von Marx in einer Weise weiterentwickeln, die mit der Stoßrichtung dieses Passus im Widerstreit läge. Denn die Unterscheidung zwischen »korporativ« und dem, was Marx später einen Kampf nennt, der eine »allgemeine, gesellschaftliche zwingende Kraft besitzt« (MEW 33, 333) ist keine Unterscheidung zwischen der Anwesenheit oder Abwesenheit von politischen Kämpfen und der »entsprechenden« Form von Klassenbewusstsein, sondern das genaue Gegenteil: eine Unterscheidung zwischen zwei verschiedenen Formen des Klassenkampfes, zwei Arten von Klassenbewusstsein, von denen jedes seine eigenen determinierenden Bedingungen hat, die in den materiellen Verhältnissen der Klassen im Kapitalismus begründet sind. Wie Marx und Engels gesehen haben – und wie Lenin noch genauer ausführte –, hat der Reformismus der Arbeiterklasse, das »trade-unionistische Bewusstsein« (oder was Lenin in Was tun? die »bürgerliche Politik der Arbeiterklasse« nannte [LW 5, 452]), seine eigenen Existenzbedingungen, seine eigene materielle Basis in der ökonomischen Lage der Arbeiterklasse im Kapitalismus. Es ist keineswegs eine Ebene oder Form des Klassenkampfes sozusagen »unterhalb« des politischen Horizontes; man könnte eher sagen, dass es die natürliche – oder wie Lenin es nannte, die »spontane« – Form des Kampfes der Arbeiterklasse ist, und dann, wenn es keine Mittel gibt, diesen Kampf auf eine »allgemeinere« Ebene zu heben. Wie solche Bedingungen allerdings aussehen, und wodurch die Formen des ökonomischen und politischen Kampfes auf ihre »allgemeinere« Ebene gehoben werden könnten, das ist in der Unterscheidung »an sich/für sich« nicht erfasst.

      Der Brief an Bolte hat einen ganz anderen Ansatzpunkt. Hinter der Formulierung »die Erobrung der political power« (MEW 33, 333) durch die Arbeiterklasse steht die marxsche Überzeugung, dass die politische Macht des von der Bourgeoisie errichteten Staates gebrochen werden müsse; und seine Betonung der »Diktatur des Proletariats«, die aus seiner Analyse der Pariser Kommune stammte, erhielt im Bürgerkrieg in Frankreich konkrete Gestalt. Aber noch interessanter ist, dass die Begriffe »ökonomisch« und »politisch« hier offenbar dazu verwandt werden, um zu kennzeichnen, wo der Klassenkampf in jeder spezifischen Konstellation sich jeweils auswirkt. Die Organisierung des Proletariats in der Produktion, zur Abwehr von Versuchen des Kapitals, die Ausbeutung durch die Verlängerung des Arbeitstages zu intensivieren, wird als eine »ökonomische Bewegung« definiert, während Versuche, das Gesetz über die Beschränkung des Arbeitstages zu verändern (deren Adressat daher der bürgerliche Staat selbst sein muss), eine »politische Bewegung« konstituieren. Hier wird alles in eine konkrete, historisch-spezifische Situation übersetzt, in der der Klassenkampf »wirksam wird«. Es fehlt jede Spur von Automatismus, wo über die Bewegung von einer Ebene zur anderen gesprochen wird. In allen diesen Zitaten wird die Frage auf die Tagesordnung gesetzt, unter welchen weiteren Bedingungen – und in welchen Formen – die antagonistischen Produktionsverhältnisse der kapitalistischen Produktionsweise auf die Bühne der Politik treten und die jeweils entsprechende Wirkung haben können. Die Begriffe, die es uns ermöglichen, die Quellen und die Mechanismen der »relativen Autonomie« der politischen Ebene des Klassenkampfes im Verhältnis zur ökonomischen zu begreifen, finden wir vor allem in Klassenkämpfe in Frankreich und im Achtzehnten Brumaire.

      Die ersten Kapitel der Klassenkämpfe wurden unmittelbar nach 1848 geschrieben. Obwohl Marx bereits hier davon überzeugt war, das Proletariat sei noch nicht »reif« zum Sieg, konzentriert sich dieser Teil der Analyse darauf, wie die bürgerlichen politischen Kräfte durch ihre eigenen inneren Widersprüche dazu getrieben werden, die Basis ihrer »reifen« politischen Herrschaft – das allgemeine Männerwahlrecht – zu zerstören und sich in der Folge vor der einzigen Alternative wiederfinden: Rückzug unter den Schutz von Napoleons Bajonetten oder proletarische Revolution. Das letzte Kapitel wurde jedoch später entworfen und veröffentlicht; sein Wechsel der Perspektive markiert einen zentralen und unumkehrbaren »Einschnitt«, den Fernbach den »vielleicht wichtigsten (Einschnitt) seiner gesamten politischen Arbeit als Kommunist« bezeichnet. Den Kern dieses Einschnitts hat Gwyn Williams so zusammengefasst:

      »Im Sommer 1850 kehrte Marx zu seinen ökonomischen Studien zurück, die ihn viele Jahre lang im British Museum untertauchen ließen. Er kam zu dem Schluss, dass der Revolutionskreis von 1848 durch eine spezifische Krise der neuen kapitalistischen Gesellschaft in Gang gesetzt worden war (…), dass die Rückkehr zum Wachstum eine neue Welle von Revolutionen extrem unwahrscheinlich machte, und, wichtiger noch, dass eine proletarische Revolution auf dem Kontinent so lange unmöglich sei, wie sich die kapitalistische Ökonomie und die kapitalistischen Produktionsverhältnisse nicht viel vollständiger entfaltet hätten. (…) Seine neue Perspektive gründete sich auf eine bedeutend reichhaltigere, die Strukturen mehr ins Zentrum rückende Analyse, die dann siebzehn Jahre später im Kapital ihren Höhepunkt erreichen sollte.« (1976, 112)

      Der Unterschied zu den Ausführungen im Manifest – wohl am klarsten ersichtlich in der Analyse, die Marx im Achtzehnten Brumaire bietet – liegt nicht darin, dass nunmehr die »Politik« auf Kosten der »objektiven Bedingungen«, die durch den Entwicklungsstand der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse im Kapitalismus bestimmt sind, hervorgehoben wird. Das Gegenteil ist der Fall. Die objektiven Determinationen und die Schranken dafür, welche Lösungen auf politischer Ebene »möglich« sind und welche nicht, werden in den späteren Arbeiten weitaus rigoroser formuliert, zusammenhängender erfasst und systematischer zur Geltung gebracht als in den früheren Texten. Die Herausarbeitung des »praktischen Begriffs« des Politischen, für die der Achtzehnte Brumaire zu Recht berühmt ist, wird durchgehend strukturiert von der Bedeutung, die Marx der »Determiniertheit« der politischen Entscheidungen durch die objektiven Bedingungen gibt. An dieser Stelle bricht Marx mit der Annahme, die beiden Ebenen würden einander genau entsprechen, so dass die Formen und Inhalte der einen vollständig im Rahmen der Bedingungen und Schranken der anderen gegeben seien. Indem Marx die Formen, die der Klassenkampf bei (wie Gramsci es nannte) »seinem Übergang auf die Ebene des komplexen Überbaus« annimmt, im einzelnen und auf provozierende Weise verfolgte, gebrauchte er zum ersten Mal jene Begriffe, die uns allein dazu befähigen, die Spezifik des Politischen zu »denken«.

      In knappen Worten: Die Krise von 1851 wird, in ihrer Gesamttendenz und ihrem Verlauf, grundlegend und entscheidend durch die objektive Entwicklung des französischen Kapitalismus überdeterminiert. Dieser setzt den äußeren Rahmen, innerhalb dessen die Formen des Politischen entstehen und auftreten.

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