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teils durch Freisetzung der von der Maschine verdrängten Arbeiter, eine überflüssige Arbeiterpopulation«. (430) Diese schrankenlose Ausbeutung der Arbeitskraft ruft in Teilen der herrschenden Klasse »eine Reaktion« hervor, die zur »Spaltung der Bourgeoisie selbst« führt, eine Spaltung, die die Arbeiter in ihrem Kampf ausnutzen, indem sie die Fabrikgesetzgebung mit der gesetzlichen Beschränkung des Arbeitstages erzwingen. Ferner erwähnt Marx, dass die Kapitalisten diese Begrenzung politisch vehement bekämpften; sie erklärten, die Produktion sei unter diesen Umständen »unmöglich«. Aber es war genau der Zwang zur Begrenzung, zu der »die anschwellende Empörung der Arbeiterklasse den Staat zwang« (432), der das Kapital dann dazu antrieb, »durch gesteigerte Produktivkraft der Arbeit den Arbeiter zu befähigen, mit derselben Arbeitsausgabe in derselben Zeit mehr zu produzieren« (432). Damit überschritt das Kapital – in unterschiedlicher Weise und ungeplant – die entscheidende Schwelle von der Ära des absoluten zur Ära des relativen Mehrwerts.

      Die Auswirkungen sind ungeheuer: Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals; Senkung des Wertanteils in jeder einzelnen Ware; Intensivierung des Arbeitsprozesses; »dichtere Ausfüllung der Poren der Arbeitszeit« (432); »erhöhte Anspannung der Arbeitskraft« (ebd.); Beschleunigung des Produktionsprozesses; gewaltiger Anreiz zum technischen Fortschritt und zur Anwendung der Wissenschaft als materieller Produktivkraft; die Vorteile, die die Herrschaft der »Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung und Kontinuität der Arbeit« für das System der Kontrolle hat. Soweit nur einige der Auswirkungen, wie Marx sie beschreibt. 1858, hält Marx fest, berichtete der Fabrikinspektor: »Die großen in Maschinen jeder Art eingeführten Verbessrungen haben die Produktivkraft sehr gesteigert. Ohne allen Zweifel gab die Verkürzung des Arbeitstags (…) den Stachel zu diesen Verbessrungen.« (438) Am Ende des 13. Kapitels kehrt Marx zu den Auswirkungen der um die Jahrhundertmitte verabschiedeten Fabrikgesetzgebung zurück; hier beschäftigt er sich ausführlich sowohl mit ihren technischen als auch mit ihren sozialen Folgen (Erziehung, Kinder, Familie). Was also im Manifest als eine einfache Abkoppelung der Ebene der Produktionsweise von der des politischen Kampfes erscheint, wird hier in eine widersprüchliche »Einheit« zusammengebracht: eine Einheit, die zeigt, wie, während sich das Wertgesetz durchsetzt, das Kapital blind und unbewusst voranschreitet, wie es gezwungen ist, sich weiterzuentwickeln, indem es seine eigenen selbstgesetzten Grenzen und Schranken durchbricht; wie sein »politisches« Bewusstsein oftmals von seinem inneren Trieb und seinen inneren Notwendigkeiten abweicht. Damit ist die Regenerationsfähigkeit des Kapitals sehr anschaulich beschrieben: Wie es permanent dazu gezwungen ist, seine eigenen widersprüchlichen Impulse mit sozialen und ökonomischen Organisationsformen zu verknüpfen, die es zum Vorteil seiner eigenen »Logik« entsprechend zurechtbiegen kann. Damit zeigt sich auch, wie das Kapital, um die Interessengegensätze innerhalb der eigenen Reihen zu meistern – vor allem aber auch, um jene »spezifischen« Fortschritte, die die Arbeiterklasse ihm aufzwingen kann, im Rahmen seines Systems zu halten und unter Kontrolle zu bringen –, ein anderes Repertoire entwickelt: es entdeckt neue »Lösungen«. In diesem Kapitel verabschiedet sich Marx entschieden von jeder Vorstellung, die die »Logik des Kapitals« als ein simples, gradliniges, funktionales »sich Entfalten« sieht, oder als etwas, das von der »Logik des Klassenkampfes« zu trennen sei, als handele es sich um zwei unverbundene Fäden.

      Aus dieser historisch-analytischen Darstellung löst Marx den fruchtbaren theoretischen Keim heraus, um ihn im folgenden Kapitel in einer theoretisch »reineren« Form zu entwickeln: die »Produktion des absoluten und relativen Mehrwerts«. Die gesamte Entwicklungstendenz wird knapp und präzise zusammengefasst:

      »Die Verallgemeinerung der Fabrikgesetzgebung als physisches und geistiges Schutzmittel der Arbeiterklasse« – das Ergebnis eines unmittelbar politischen Kampfes – »verallgemeinert und beschleunigt (…) die Verwandlung zerstreuter Arbeitsprozesse auf Zwergmaßstab in kombinierte Arbeitsprozesse (…), also die Konzentration des Kapitals und die Alleinherrschaft des Fabrikregimes.« (525f.) »Sie zerstört alle altertümlichen und Übergangsformen, wohinter sich die Herrschaft des Kapitals noch teilweise versteckt, und ersetzt sie durch seine direkte, unverhüllte Herrschaft. Sie verallgemeinert damit auch den direkten Kampf gegen diese Herrschaft.« (526)

      Sie erzwingt Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und Ökonomie, spornt zu technischen Innovationen an und steigert damit auch die Intensität der Arbeit und die »Konkurrenz der Maschinerie mit dem Arbeiter« (ebd.). Sie zerstört die materielle Basis des Kleinbetriebes und der häuslichen Produktion. »Mit den materiellen Bedingungen und der gesellschaftlichen Kombination des Produktionsprozesses reift sie die Widersprüche und Antagonismen seiner kapitalistischen Form« (ebd.). Wenn dies aussieht wie eine in letzter Minute erfolgte Rückkehr zum Manifest, dann nur, weil der widersprüchliche, doppelte Druck der kapitalistischen Entwicklung und sein ihm innewohnendes antagonistisches Wesen den Kern in beiden Konzepten ausmacht. Der Fluchtpunkt Kapital zeigt, dass die sogenannte »Vereinfachung der Klassen und des Klassenkampfes« – oder das, was wir jetzt die komplexe Vereinfachung der Klassen und die Logik des Klassenkampfes innerhalb der »Logik« der historischen Entwicklung des Kapitals nennen müssen – vollständig und unwiderruflich transformiert wurde. Was die marxistische »Klassentheorie« angeht, haben wir damit ein ganz neues Terrain betreten.

      III

      Wie wir gesehen haben, ist das Verhältnis zwischen dem ökonomischen und dem politischen Aspekt des Klassenkampfes einer der wichtigen Punkte, die im Manifest nicht zufriedenstellend geklärt werden. Marx fragt tatsächlich nach der »Organisation der Proletarier zur Klasse, und damit zur politischen Partei« (MEW 4, 471) – als seien die politischen Aspekte nur eine fortgeschrittenere Form des »Ökonomischen«, als bedürften sie keinerlei begrifflicher Veränderung oder Ausweitung des theoretischen Rahmens. In der Deutschen Ideologie sagt Marx über die Kapitalistenklasse, dass »die einzelnen Individuen nur insofern eine Klasse (bilden), als sie einen gemeinsamen Kampf gegen eine andere Klasse zu führen haben; im übrigen stehen sie einander selbst in der Konkurrenz wieder feindlich gegenüber.« (MEW 3, 54) Im Elend der Philosophie bezeichnet Marx den utopischen Sozialismus als typisch für eine Zeit, in der »das Proletariat noch nicht genügend entwickelt ist, um sich als Klasse zu konstituieren und daher der Kampf des Proletariats mit der Bourgeoisie noch keinen politischen Charakter trägt« (MEW 4, 143). Er nennt das Proletariat »diese Masse«, die bereits als Klasse im Gegensatz zum Kapital steht, aber noch keine »Klasse für sich« ist. Im Achtzehnten Brumaire schreibt Marx:

      »Insofern Millionen von Familien unter ökonomischen Existenzbedingungen leben, die ihre Lebensweise, ihre Interessen und ihre Bildung von denen der andern Klassen trennen und ihnen feindlich gegenüberstellen, bilden sie ein Klasse. Insofern ein nur lokaler Zusammenhang unter den Parzellenbauern besteht, die Dieselbigkeit ihrer Interessen keine Gemeinsamkeit, keine nationale Verbindung und keine politische Organisation unter ihnen erzeugt, bilden sie keine Klasse. Sie sind daher unfähig, ihre Klasseninteressen im eigenen Namen (…) geltend zu machen.« (MEW 8, 198) 1871 schrieb Marx in einem Brief an Friedrich Bolte, der wiederum die Frage der Fabrikgesetzgebung berührte:

      »Das political movement der Arbeiterklasse hat natürlich zum Endzweck die Erobrung der political power für sie, und dazu ist natürlich eine bis zu einem gewissen Punkt entwickelte previous Organisation der working class nötig, die aus ihren ökonomischen Kämpfen selbst erwächst.

      Andrerseits ist aber jede Bewegung, worin die Arbeiterklasse als Klasse den herrschenden Klassen gegenübertritt und sie durch pressure from without zu zwingen sucht, ein political movement. Z.B. der Versuch, in einer einzelnen Fabrik oder in einem einzelnen Gewerk durch strikes etc. von den einzelnen Kapitalisten eine Beschränkung der Arbeitszeit zu erzwingen, ist eine rein ökonomische Bewegung; dagegen die Bewegung, ein Achtstunden-etc. Gesetz zu erzwingen, ist eine politische Bewegung. Und in dieser Weise wächst überall aus den vereinzelten ökonomischen Bewegungen der Arbeiter eine politische Bewegung hervor, das heißt eine Bewegung der Klasse, um ihre Interessen durchzusetzen in allgemeiner Form, in einer Form, die allgemeine gesellschaftlich zwingende Kraft besitzt. Wenn diese Bewegungen eine gewisse previous Organisation unterstellen, sind sie ihrerseits ebensosehr Mittel der Entwicklung dieser Organisation.« (MEW 33, 332f.)

      Marx ging es hier darum, bestimmte Beschlüsse des Generalrats der Internationale, dessen Statuten er formuliert hatte, zu klären. Wenige Tage später

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