Скачать книгу

Musterbeispiele für kuriose Unikate. Sie waren 2001 in der vom Kulturmanager Klaus Dona realisierten und von mir mitinitiierten Ausstellung „Unsolved Mysteries – Die Welt des Unerklärlichen“ im Wiener Schottenstift zu sehen. Hier wurden Hunderte archäologische Rätselfunde aus aller Welt erstmals im Original präsentiert und zur Diskussion gestellt. 2004 wanderte die Schau weiter in die Schweiz nach Interlaken in den „Jungfrau-Park“, der damals noch „Mystery-Park“ hieß.

      Ein großes Sammelsurium solcher OOPArt hortet der US-amerikanische Kreationist Carl Baugh in seinem 1984 gegründeten „Creation Evidence Museum“ in Texas. Vordergründig wohl aus religiöser Überzeugung. Neben dem „fossilen Hammer“, dem „eisernen Becher“ und der Kopie der eidesstattlichen Urkunde des Finders gibt es dort noch jede Menge weitere „Evolutionsfallen“ zu sehen, die am gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Ein versteinerter Schuhabdruck mit einem zertretenen Urzeitkrebs aus dem Erdmittelalter gehört genauso dazu wie ein menschlicher Riesenfinger und Steinplatten mit Hand- und Fußabdrücken, die angeblich aus der Saurierepoche stammen.

      Wenn die Fundstücke echt sind und immer wahrheitsgetreu berichtet wurde, die erdgeschichtlichen Zeittafeln stimmen und die Relikte tatsächlich so alt sind wie das Gestein, in dem sie aufgefunden wurden, haben wir ein Problem. Dann wären sie nämlich Abermillionen Jahre vor dem Auftauchen der ersten nachweisbaren menschlichen Vorfahren entstanden. Wie kann das sein? Könnten die Hinterlassenschaften von einer unbekannten Hochkultur stammen, die lange vor unserer Zeit existierte? Damit wäre unser vertrautes Weltbild auf den Kopf gestellt. Geologen und Paläontologen sind skeptisch. Sie halten eine neuzeitliche Herkunft vieler Spielarten von OOPArt für wahrscheinlicher. Aber wie können Objekte innerhalb von nur wenigen Jahrhunderten oder gar Jahrzehnten von Gesteinsmassen völlig umschlossen werden? Eine Theorie der Geowissenschaft besagt, dass ein chemisch-geologischer Prozess der Natur damit zu tun hat, der als Konkretion bezeichnet wird. Wenn mineralreiches Wasser verdampft, hinterlässt es feinkörnige Rückstände, die rasch anwachsen können, bis sie einen Gegenstand umschließen. Ein natürlicher Vorgang, der keine Millionen Jahre überbrücken muss, versichern Geologen.

      Das Dilemma bei der wissenschaftlichen Überprüfung: Es gibt keine Vergleichsanalysen der Gesteinsarten am Fundort, in denen die entdeckten Artefakte wie behauptet eingeschlossen waren. Gleiches gilt für fehlende Kohlebrocken mit den hinterlassenen Formabdrücken der fraglichen Gegenstände. Wir müssen dennoch nicht gleich an Schwindel und Scherze denken, aber eine Unsicherheit schwingt bei der Beurteilung archäologischer „Verrücktheiten“ immer mit: die überlieferten Fundumstände. Wie zuverlässig sind sie? Und: Ziehen wir aus den vorhandenen Daten immer die folgerichtigen Schlüsse?

      OOPArt aus Vöcklabruck

       Charles Fort

      Die Frage nach der Zuverlässigkeit alter Quellen stellt sich auch beim eingangs erwähnten legendären OOPArt-Fall aus Österreich. Es betrifft einen angeblichen „Würfel aus Stahl“, der historischen Aufsätzen zufolge im Inneren einer Kohleplatte steckte. Der Amerikaner Charles Fort (1874 – 1932), ein emsiger Sammler von Zeitungsberichten über unerklärliche Phänomene, erwähnte den Fall bereits 1919 in seinem „The Book of the Damned“. Die deutsche Übersetzung erschien 1995 unter dem Titel „Das Buch der Verdammten“. Fort schreibt von der Entdeckung eines „Metallwürfels“ und führt mehrere Quellen aus dem 19. Jahrhundert an, darunter Reportagen in den Wissenschaftsjournalen „Nature“ und „L’Astronomie“. Seither wird in Mystery-Kreisen darüber spekuliert, ob das Unikat ein Überbleibsel einer versunkenen Vor-Zivilisation ist.

      Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren brachte es der geheimnisumwitterte „Salzburger Eisenwürfel“ zu bemerkenswerter Berühmtheit. Dafür sorgten viele bekannte Mitstreiter alternativer Theorien von Robert Charroux bis Johannes von Buttlar. Sie berichteten darüber in ihren Werken und hatten dabei leider alte Artikel oder Kommentare von Kollegen ungeprüft übernommen. Keiner der grenzwissenschaftlichen Autoren hatte das Corpus Delicti jemals persönlich in Augenschein genommen. Was die Nachforschungen damals erschwerte: Das Artefakt galt zwischenzeitlich als verschollen.

      Als Freund fantastischer Ideen muss ich mich selber an der Nase nehmen. In meinem Sachbuch „Geheimnisvolles Österreich“ schrieb ich im Jahre 2006: „Skeptiker halten den ‚Salzburger Würfel‘ eher für eine ‚Laune der Natur‘ oder einen gewöhnlichen Eisenklumpen von einer Industriemaschine. Ein Pech, dass dieses Beweisstück für Untersuchungszwecke nicht mehr zur Verfügung steht. 1886 bis 1910 war es in einem Salzburger Museum ausgestellt. Mit Ende des Zweiten Weltkrieges verlieren sich die Spuren. Jahrzehnte später soll das Relikt im Oberösterreichischen Landesmuseum Linz und danach im Heimatmuseum von Vöcklabruck aufbewahrt worden sein. Seit einigen Jahrzehnten ist das anormale Ding erneut unauffindbar.“

      In Wahrheit befand sich das Metallstück seit 1958 im Heimathaus von Vöcklabruck in Oberösterreich. Was ich damals verabsäumte, holte ich im März 2017 mit einer Anfrage im Museum nach. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kurator Helmut Kasbauer bestätigte, dass sich „der Wolfsegger Eisenfund nach wie vor im Museum befindet, allerdings nicht als Ausstellungsstück, sondern im Depot“. Bei einem persönlichen Treffen, so Helmut Kasbauer ermutigend, könne ich den „Stein des Anstoßes“ selbst unter die Lupe nehmen. Ein Lockruf, dem jeder Sonntagsforscher gerne folgt.

      Der älteste Report

      Die Odyssee um den deklarierten „Salzburger Stahlwürfel“ ist eine tollkühne Geschichte. Sie ist es wert erzählt zu werden, weil sie uns vor Augen führt, wie leicht die Verzerrung alter Berichte, missverstandene Übersetzungen, falsche Ortsangaben, aber auch ausufernde Fantasie in die Sackgasse führen können. Es ist wie beim Kinderspiel „Stille Post“, bei dem die Nachricht einer Person ins Ohr des Nachbarn geflüstert wird. Dieser gibt dann das Halbverstandene auf die gleiche Weise an andere Teilnehmer weiter. Am Ende der Fahnenstange kommt etwas Irrwitziges heraus, das mit der ursprünglichen Information nur mehr wenig zu tun hat.

       Protokoll zum „Salzburger Eisenwürfel“ aus dem Jahr 1886

      Um die Spreu vom Weizen zu trennen, ist es wichtig, die Urquelle zu kennen. Sie führt zum Bauingenieur Dr. Adolf Gurlt, der sich als Geologe für das seltsame Eisenrelikt interessierte und dazu am 7. Juni 1886 vor der „Niederrheinischen Gesellschaft für Natur- und Heilkunde“ in Bonn referierte. Das Dokument zum Sitzungsbericht des Vereins befindet sich im Archiv der Universität Erlangen. Es ist der älteste Report zum kuriosen Eisenklotz und zugleich Quelle für alle weiteren Berichterstattungen. Das Protokoll ist relevant und hilft bei der Wahrheitsfindung.

       „Dr. Gurlt legte einen merkwürdigen Eisenmeteorit, sogenannten Holosiderit, vor, welcher sich in tertiäre Braunkohle eingeschlossen vorfand. Derselbe ist Eigenthum des städtischen Museums Carolino-Augusteum in Salzburg und wurde an dasselbe von Herren Isidor Braun Söhne zu Schöndorf bei Vöcklabruck in Oberösterreich geschenkt. Er wurde um die Zeit von Allerheiligen 1885 in der Gussstahl- und Feilenfabrik dieser Firma von einem Arbeiter zufällig entdeckt, als derselbe einen Block fester Braunkohle, die aus dem Bergwerke zu Wolfsegg, der Wolfsegg-Traunthaler Bergwerksgesellschaft gehörig, stammte, der bequemeren Heizung wegen zerschlug.“

      Weiters erfahren wir aus der Akte, dass der Eisenklotz mehreren Sachverständigen zur Begutachtung vorgelegt wurde. Doch deren Expertisen fielen unterschiedlich aus. Einige Gelehrte hielten den Fund für ein „Kunstprodukt“ aus „Meteoriteneisen“, das nachträglich durch Menschenhand bearbeitet wurde. Dafür spräche die „sehr regelmäßige Gestalt“ des Eisenstückes, heißt es. Andere Experten bezweifelten diesen Verdacht und stützten sich auf eine nähere Untersuchung, aus der angeblich deutlich hervorginge, „dass man es hier mit einem nicht bearbeiteten Eisenmeteorit oder einem Holosiderit zu thun hat, der keine steinartige Meteormasse enthält“.

      Was besonders interessant ist: In dem

Скачать книгу