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sind, während die übrigen vier Flächen durch diese Abrundungen viel schmäler geworden und in der ganzen Länge mit einer tiefen Furche versehen sind. Sämmtliche Flächen und Furchen sind mit den für Meteoreisen so sehr charakteristischen Näpfchen oder Aussprengungen bedeckt, daher eine nachträgliche Bearbeitung durch Menschenhand ausgeschlossen ist.“

      Irdisch oder außerirdisch? In dem Gutachten werden Größe, Gewicht und Beschaffenheit erstmals genannt, die die These stützen sollten, wonach das Relikt angeblich aus den Tiefen des Alls stamme. „Das Eisen ist mit einer dünnen Haut von magnetischem Eisenoxydoxydul überzogen, welche eine feine Runzelung zeigt. Der Holosiderit hat 67 mm grösste Höhe, 62 mm grösste Breite und 47 mm grösste Dicke; er wiegt 785 gr, hat 7,7566 specifisches Gewicht, die Härte des Stahls und enthält ausser chemisch gebundenem Kohlenstoff eine geringe Menge Nickel, ist aber bisher nicht quantitativ analysirt worden. Eine kleine Schliff-Fläche, welche mit Salpetersäure angeätzt wurde, lässt die bei Meteoreisen sonst gewöhnlichen Widmannstätten’schen Figuren nicht erkennen, wohl aber zwei verschiedene Metalllegierungen. Hierdurch, sowie durch seine kubische Spaltbarkeit, welche auch die Ursache der regelmäßigen Form ist, kommt er den berühmten Meteoreisen von Braunau in Böhmen und Santa Catarina in Brasilien sehr nahe.“

      Wie aber sollte ein Meteorit in einer Kohlegrube gelandet sein? Der Bericht zu Adolf Gurlts Studie glaubt die Antwort zu kennen. Sie mutet für heutige Verhältnisse recht skurril an:

       „Die Braunkohle, in welcher der Holosiderit gefunden wurde, wird zu Wolfsegg unterirdisch abgebaut; derselbe kann also nur während ihrer Bildung in der Tertiärzeit in dieselbe hineingefallen sein und somit gehört er zu einem der seltensten Funde von Meteoriten aus einer älteren geologischen Epoche.

      Die langen Furchen auf den schmalen Flächen hatten besonders an eine nachträgliche künstliche Bearbeitung denken lassen; doch kommen solche rinnenartige Ausfurchtungen neben den Näpfchen bei den meisten Eisenmeteoriten vor. Die ganze äußere Erscheinung lässt sich durch die Annahme leicht erklären, dass der abgesprengte Eisenwürfel bei seinem Fluge durch die Atmosphäre, mit über 30 Kilometer Geschwindigkeit in der Sekunde, eine Rotation besaß, deren Axe rechtwinklig durch die Mitte seiner beiden Seitenflächen ging, daher diese nur an den Kanten abgesprengt wurde, während die ihn der Rotationsperipherie liegenden vier Flächen die tiefen Ausfurchtungen erhielten.“ War damit alles wissenschaftlich geklärt? Mitnichten. Ab diesem Bericht ging die Kontroverse um den „Eisenwürfel“ erst richtig los.

      Falsche Fährten

      Der Sitzungsbericht über Adolf Gurlts Expertise zum angeblichen Geschoss aus dem All enthält viele Mängel. Sie sind „hausgemacht“, weil der Gelehrte seinen Kollegen nicht das originale Beweisstück vorlegte, so wie das im Auftakt des Protokolls behauptet wird. Es waren lediglich Fotografien, die für eine Prüfung zur Verfügung standen. Ob Gurlt das Eisenrelikt überhaupt jemals selbst in der Hand gehalten hat, ist fraglich. Das geht aus den Recherchen von Hubert Malthaner und Adolf Schneider hervor. Die beiden Ingenieure besuchten 1973 das Heimathaus in Vöcklabruck und gehören zu den wenigen Autoren, die den ominösen Metallklotz tatsächlich im Original gesehen haben. Ihre Reportage über „Das Geheimnis des Salzburger Würfels“ wurde 1974 in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Esotera“ veröffentlicht.

       Der „Eisenwürfel“ 1974 als Coverstory im Magazin „esotera“

      Schon damals war bekannt, dass etliche Angaben von Adolf Gurlt nicht stimmen. Das Eisenrelikt sieht zwar wie ein geometrischer Körper aus, ist aber kein Würfel. Es entspricht vielmehr einer Trapezplatte mit aufgewölbten Seitenflächen, die etwa 50 dellenförmige Vertiefungen bedecken. Die vier schmalen Seitenflächen rund um das Objekt zeigen eine einheitliche Rinne von etwa 10 mm. Diese Eigenart im Gestein stiftete viel Verwirrung. Besonders nach der Veröffentlichung eines Artikels im französischen Wissenschaftsmagazin „Science & Vie“. In Ausgabe Nr. 516 vom September 1960 beschreibt der Autor Georges Ketman das Eisenrelikt mit den Worten „parallélépipède parfaitement régulier“ (ein „vollkommen regelmäßiger Quader“).

      Etwas wirklich Regelmäßiges, quasi ohne Makel, gibt es an dem Fragment nicht. Mit der falschen Übersetzung aus dem Französischen wurde die Verwirrung weiter gesteigert. „Parallélépipède“ mutierte zu „parallel pipes“. Bald darauf erfuhren erstaunte Leser in Zeitschriften aus aller Welt, dass ein russischer Archäologe beabsichtige „nach Salzburg zu reisen, um dort parallel liegende Röhren aus poliertem Stahl zu analysieren, die tief in den Adern eines Kohlebergwerkes eingebettet liegen und auf ein Alter von 30.000 Jahren datiert sind“. Ein Musterbeispiel dafür, dass Fake News kein Phänomen des Internetzeitalters sind.

      Was noch auffällt: Je nach Publikation weichen die Größenangaben des Wolfsegger Eisenstücks voneinander geringfügig ab. Das kann man innerhalb der Toleranzgrenze gelten lassen. Was aber hat es mit der immer wieder genannten Ortsangabe „Salzburg“ auf sich? Gemäß der Urquelle von Adolf Gurlt befand sich der Eisenfund im Besitz des Museums Carolino-Augusteum in der Stadt Salzburg. Das Museum existiert bis heute und wurde bis 2007 so genannt, heute heißt es „Salzburg Museum“, aber das Relikt aus Wolfsegg war dort vermutlich nie zu Gast.

       Sorgte 1960 für Verwirrung: „Fake News“ im Fachmagazin „Science & Vie“

      Die „Phänomene-Detektive“ Malthaner und Schneider glauben an eine Verwechslung der ähnlich klingenden Museumsnamen „Carolino“ und „Carolinum“. Belegt ist, dass das Original gemeinsam mit einer Replik aus Gips in den Jahren 1950 bis 1958 im „Museum Francisco-Carolinum“ zu Linz verwahrt wurde. Lag das Fundstück dort kurzfristig schon in früherer Zeit? Verwunderlich wäre das nicht. Im Carolinum-Palais, heute Sitz der Landesgalerie Linz, waren viele Jahrzehnte lang die naturhistorischen Schätze der Region untergebracht. In den 1960er-Jahren wurden die einzelnen Abteilungen in die „Oberösterreichischen Landesmuseen“ ausgelagert. Der Großteil der Sammlungen übersiedelte publikumswirksam ins Linzer Schloss.

      Der Meteoritenirrtum

      In der geowissenschaftlichen Sammlung des Schlossmuseums hätte der Wolfsegger Eisenfund eines der Prachtstücke sein können. Dann nämlich, wenn sich Adolf Gurlts Analyse über die kosmische Herkunft des Findlings bestätigen ließe. Bis heute wird auch im Internet das Gerücht verbreitet, der Wolfsegger Eisenklotz sei ein Meteorit. Mit absoluter Sicherheit ist er genau das nicht. Das wurde bereits im Jahre 1950 erkannt, als der Stein im Linzer Museum Francisco-Carolinum von Geologen genauer begutachtet wurde. Die Bestätigung gelang 1966 durch Wissenschaftler im Naturhistorischen Museum und der geologischen Bundesanstalt in Wien. Dabei wurde eine Probe aus dem Stück herausgeschnitten und mit der Mikrosonde eines Elektronenmikroskops analysiert.

       1967 wurde ein Stück des Eisenbrockens für Untersuchungen herausgeschnitten.

      Am 10. Jänner 1967 teilte der Leiter der Untersuchung, Dr. Grill, das Ergebnis mit: „Eisen mit wenig Mangan und Mangansulfiden, kein Nickel, kein Chrom, kein Kobalt, daher mit Sicherheit kein Meteorit.“ Der Befund lautet ernüchternd: „Reines Gusseisen!“ Der Wolfsegger Eisenklotz ist also ein gegossenes Kunstprodukt. Das bedeutet, es muss dazu das Modell einer Gießform aus weichem Material existiert haben, in Handarbeit hergestellt aus Ton oder Wachs. Derlei wurde nirgendwo entdeckt. Da der Eisenklotz aber in einer Gießerei gefunden wurde, liegt der Verdacht nahe, dass er dort erst im 19. Jahrhundert geformt wurde. Doch wozu?

      Eine andere These lautet: Der Klumpen sei mit ähnlichen Brocken im Bergbau als Ballast bei einfachen Förder- und Bohrmaschinen zum Einsatz gekommen. Dabei sei er zufällig zwischen die Kohleplatten geraten. Wäre möglich. Was indes stutzig macht: Wenn das gusseiserne Gewicht lediglich ein unbedeutender Gegenstand war, der alltäglich im Bergbau

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