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Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Kapitel 21

       Kapitel 22

       Kapitel 23

       Kapitel 24

       Kapitel 25

       Kapitel 26

      Prolog

      Als Nora auf den Hof fuhr, sah sie Ralfs roten Pick-up vor dem Pferdestall stehen. Die Fahrertür war offen. Da hatte er es wohl eilig, dachte sie beiläufig und stieg aus.

      Im Stall schien es dunkel zu sein. Die schwere Holztür mit der schönen, alten Schnitzerei war nur angelehnt. Vor Jahren hatte sie das auffällige Stück bei einem Trödler entdeckt und mithilfe ihres Kollegen restauriert. Angeblich stammte die Tür von einem niedersächsischen Bauernhof. Sie bestand aus zwei Teilen, und man nannte sie Klöntür. Der obere Teil ließ sich separat öffnen. Bei schlechtem Wetter, wenn die Pferde nicht auf die Weide gelassen wurden, konnten sie wenigstens hinausschauen. Jetzt aber war Sommer, und die beiden Stuten blieben auch nachts draußen.

      Nora wollte die Tür schließen. Da hörte sie ein Geräusch, ein lautes Rascheln im Stroh. War noch eine Katze drinnen? Oder etwa der Marder, der neuerdings auf dem Dachboden hauste? Sie packte die dreizackige Heugabel, die an der Wand lehnte, öffnete die Tür ganz und trat ein. Stallgeruch schlug ihr entgegen und sie musste gegen das Halbdunkel blinzeln. Das Bild, das sich ihr im nächsten Augenblick bot, war bizarr. Einige Sekunden lang starrte sie ungläubig auf das Paar, das sich zu ihren Füßen im Stroh wälzte. Unfähig zu schreien, sog sie scharf die Luft ein. Sie wollte nicht glauben, was sie sah, nämlich, dass der halbnackte Mann da unten im Stroh ihr Mann war. Ihr Ralf, leicht übergewichtig, saß rittlings auf einer Frau. Sie schloss kurz die Augen, weil sie hoffte, das Bild würde verschwinden. Währenddessen kämpfte sie gegen die aufsteigende Übelkeit an, die eiskalten Schweiß in ihre Poren trieb. „Der Klassiker!“, stöhnte sie lautlos. Jetzt fehlte nur noch, dass er sagen würde: „Ich kann dir das erklären. Es ist nicht so, wie es aussieht.“

      Sie stierte auf ihn herab, zu gelähmt, um irgendein Wort hervorzubringen. Auf die Heugabel gestützt, gelang es ihr nicht, den Blick von dem Paar abzuwenden. Ihre natürliche Scham schien ihr in dieser Ausnahmesituation abhandengekommen zu sein, stellte sie irritiert fest.

      „Ich kann dir das erklären…“, ertönte es von unten.

      Sie warf die Heugabel weg und erbrach sich ins Stroh. Dann ergriff sie die Flucht.

      Teil I

      1

      „Igitt! Was für ein Schietwetter!“, fluchte Nora leise vor sich hin. Als sie den Motor abstellte und die Arme des Scheibenwischers ihres alten Golfs aufhörten, verzweifelt zu rudern, war die Frontscheibe sofort regenblind. Der Mai fing ja gut an! Sie stieg aus dem Auto, bemüht, nicht gleich in eine Pfütze zu treten und spannte den Schirm auf. Besser, sie gewöhnte sich schon mal daran. Auf Island würde es auch nicht anders sein: wenig Sonne, viel Regen und Wind, Norddeutschland in verschärfter Variante sozusagen. Trotzdem klopfte ihr Herz bei dem Gedanken daran sofort etwas schneller. In gut fünf Monaten war es endlich soweit. Ihre Auszeit oder modern ausgedrückt, ihr Sabbatical, sollte beginnen. Die erste Station ihrer Reise war Reykjavik. Sie hatte nicht lange überlegt, als Ralf eine gemeinsame Weltreise vorgeschlagen hatte. Er war fest entschlossen, seine Tierarztpraxis zu verkaufen und sich fortan nur noch der Pferdezucht zu widmen. Sie wusste, dass ihm dieser Schritt nicht leichtfallen würde. So von hundert auf null, das ging eben nicht, hatte er ihr erklärt. Früher oder später musste es sein, und letztendlich hatte er genug von der schweren Arbeit eines Landtierarztes, die durchaus körperliche Spuren hinterlassen hatte. Nora fand auch, dass er seine Knochen den tretenden Rindern und ausschlagenden Pferden genug hingehalten hatte. Von seichten Vorabendserien war die Realität des Berufes weit entfernt. Sollte er in tausend Jahren ausgegraben werden, so prophezeite sie ihm, würden die Archäologen denken, sie hätten angesichts der Verletzungen einen Ritter vor sich. Ihr Ritter, ja, das war er eigentlich noch immer.

      Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen, damals vor dreißig Jahren. Er war als junger Absolvent in ihr Heimatdorf gekommen und hatte seine langjährige Beziehung am Studienort zurückgelassen. Nora hatte gerade ihre von Anfang an verkorkste Verlobung gelöst und war mit ihren Eltern zum Dorffasching gegangen, fest entschlossen, sich gut zu amüsieren. Der Fasching im alten Feuerwehrhaus war legendär. Jung und Alt kamen dort zusammen, extra angereiste ehemalige Einwohner und auch ein paar Leute aus benachbarten Orten füllten bald die Tanzfläche.

      Nora hatte sich als Burgfräulein verkleidet, ziemlich einfallslos angesichts des Mottos „Mittelalter“, und sich nach etlichen Tänzen mit Kollegen ihres Vaters allein an die Bar gesetzt, gegenüber der Eingangstür. Sie trank einen Wermut und wollte wieder aufstehen, weil es zog. Da sah sie ihn hereinkommen: groß, das dunkle Haar kurzgeschnitten, runde Brille, in einem komischen, zu kurzen Umhang und mit einem zum Ritterhelm umfunktionierten Motorradhelm unter dem Arm. Sie hatte ihn angestarrt wie eine Erscheinung. Ihre Augen schossen Blitze in seine Richtung ab; ihr Gehirn sendete unablässig eine Botschaft: Das ist er!

      Erleichtert registrierte sie, dass er sich neben sie auf den schäbigen, ungepolsterten Barhocker setzte. „Bin ich zu spät?“, hatte er lächelnd gefragt.

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