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einer an, die Polizei beschädigt Privateigentum. Das ist doch eine Straftat, oder?“

      „Los, auf geht’s“, sagte Hogan nur und zerrte Boudreaux zum Streifenwagen, während der lautstarke Protest des Jungen von den Wänden der umliegenden Gebäude widerhallte.

      „Passen Sie bloß auf den Hund meines Freundes auf, Sergeant“, rief Parker, als er sich gleichzeitig gegen Hogans unnachgiebigen Griff wehrte. „Hey, Polizeigewalt!“

      Hinter ein paar Fenstern des Mietshauses ging Licht an und irgendjemand rief etwas Unverständliches.

      „So, jetzt ganz vorsichtig, mein Kleiner“, sagte Beck zu dem kleinen Hund, aber der jaulte wieder laut auf, als sie versuchte, ihn hochzuheben. „Was hat der fiese Boudreaux bloß mit dir gemacht?“

      Wenn man den Hund anschaute, der nur aus Haut und Knochen bestand, dann war klar, dass er kurz vorm Verhungern war. Wieder kamen ihr die Tränen. Diese Art von Gefühlen kratzte an ihrer harten Fassade, an ihrer Gewohnheit, Dinge wie Zartheit, Fürsorge und Anteilnahme zu ignorieren. Sie hatte ihre ganz eigene Methode, mit ihren Gefühlen oder schmerzlichen Erinnerungen umzugehen – sie verdrängte sie. Ja, sogar besser noch, sie vergaß sie einfach.

      Aus ihrer Seitentasche holte sie jetzt eine Flasche Wasser, drehte den Verschluss ab und gab dem Hund ein paar Tropfen auf die Zunge. Er schluckte sie und sie gab ihm noch etwas mehr.

      „Auf jetzt, Beck, wir müssen los“, sagte Hogan zwischen den Stäben des Gitterzauns hindurch. „Ruf den Tierschutz an. Der kümmert sich dann schon um den Hund.“

      Aber Beck reagierte gar nicht. Wie konnte sie den kleinen Hund denn jetzt allein lassen? Er würde mit Sicherheit sterben. Der erbärmliche Zustand des Kleinen berührte sie tief und machte ihr verkrustetes Herz ganz weich. Wo sie sonst früher hart und kontrolliert gewesen war, war sie jetzt weich und sehr emotional.

      Die nächtliche Kälte senkte sich zwischen die Gebäude, und der Hund zitterte, sodass Beck ihre Jacke auszog und ihn damit zudeckte, bevor sie ihn mitsamt seinem Geruch nach Tod und Verwesung auf den Arm nahm.

      Als sie aufstand und zum Tor ging, schrie das kleine Tier laut auf, und sie wollte verdammt sein, wenn das, was sie da auf ihrer Hand spürte, nicht Tränen des Hundes waren.

      „Es tut mir leid. Es tut mir so leid, mein Kleiner. Ich kümmere mich um Hilfe. Bleib einfach bei mir. Drüben auf der Fünfzehnten ist ein Tierarzt …“

      Im Inneren des Streifenwagens rief Boudreaux gegen die Fensterscheibe: „Das ist mein Hund. Hören Sie, nur weil Sie Polizistin sind, können Sie noch lange nicht einfach jemandem den Hund klauen.“

      „Lebt er noch?“, fragte Hogan und warf einen Blick unter Becks Jacke.

      „Nur noch ein ganz kleines bisschen.“ Beck fluchte und trat mit einer solchen Wucht gegen die Autotür, dass Parker zurückschreckte. „Hast du den Hund etwa die Drogen mitsamt der Tüte fressen lassen?“, fragte sie ihn wütend.

      Jetzt nahm Hogan den jaulenden Hund auf den Arm und untersuchte ihn im Licht von Becks Taschenlampe etwas genauer. Sie streichelte ihm währenddessen über die Ohren, sagte, dass alles gut werde und kämpfte wieder mit den Tränen. Das Allerletzte, was sie Hogan oder Boudreaux zeigen wollte, war weibliche Emotionalität.

      „Er ist wirklich in übler Verfassung, aber ich hab schon Schlimmeres gesehen. Er ist einfach schwach und hungrig“, sagte Hogan. „Hat wahrscheinlich eben die Tüte ausgeschieden. Würde mich nicht wundern, wenn Boudreaux ihm gerade die nächste Ladung verpassen wollte. Oder schlimmer noch, sie ihm in den …“

      „So, das reicht!“ Beck zerrte Boudreaux an den Haaren vom Rücksitz des Streifenwagens, schleuderte ihn mit der Vorderseite des Körpers gegen den Wagen, bohrte ihm ihr Knie von hinten in seinen Oberschenkel und drückte sein Gesicht auf den Kofferraumdeckel. „Du glaubst also, dass dein Papi dich wieder rausboxen kann, was?“, fragte sie und knallte sein Gesicht auf das kalte Metall.

      „So dürfen Sie mich gar nicht behandeln“, sagte Boudreaux und wehrte sich so heftig gegen ihren Griff, dass sie ihre gesamte Kraft brauchte, um ihn festzuhalten.

      „Ach ja? Wer sagt das? Ich kann dich genauso behandeln, wie du den Hund behandelt hast.“ Jedes Molekül ihres Körpers war in Aufruhr. Wenn nicht sie die Schwachen und Wehrlosen verteidigte, wer sollte es dann tun?

      „Sergeant.“ Hogan zog sie von dem Verdächtigen weg und klang wieder wie früher. „Setz ihn wieder ins Auto.“

      Aber Beck schüttelte ihn ab. „Du hältst dich wohl für einen ganz tollen Typen, weil du Drogen vertickst, Boudreaux, was? Für wen, Vinny Campanile? Er ist das Böse in Person. Und wenn du kleine, unschuldige und wehrlose Tiere mit Drogen vollstopfst, ist das auch keine Garantie dafür, dass du am Leben bleibst oder er dafür sorgt, dass du nicht in den Knast kommst. Die Leute werden deinen Kopf fordern, wenn sie hören, was du getan hast.“

      „Das ist doch nur ein räudiger Köter“, sagte Boudreaux abfällig und richtete sich gerade so weit auf, dass er in ihre Richtung ausspucken konnte.

      „Der steht immer noch über der Gosse, in der du lebst“, bemerkte sie dazu nur.

      „Okay, wir haben unseren Spaß gehabt“, sagte Hogan jetzt, schob sie aus dem Weg und drehte den Jugendlichen wieder in Richtung der offenen Streifenwagentür. „So, Boudreaux, du steigst jetzt ins Auto und hältst den Mund.“

      Doch Parker lachte nur gackernd und schnauzte dann Beck an: „Es ist nur ein Köter. Ein stinkender Köter, den keiner haben will. Ich hatte eigentlich vor, ihn zum Abendessen zu grillen.“

      Außer sich vor Wut ging Beck auf Parker los und schlug ihm mit der Faust mitten ins Gesicht. Boudreaux schrie auf, torkelte nach vorn und schlug mit dem Kopf gegen die Kante der Autotür.

      „Sergeant …“ Hogan schob sie zurück und packte sie mit der Faust am Kragen, aber der Hund auf seinem linken Arm war ihm dabei im Weg und Beck war zu schnell.

      „Das ist für den Hund“, schnauzte Beck, die jetzt über Parker stand und ihm ihren Stiefel in die Rippen rammte. Als er sich krümmte, rammte sie ihm auch noch das Knie gegen die Nase. „Und das ist dafür, dass du dein Leben sinnlos vergeudest.“ Dann nahm Beck Hogan den kleinen Hund ab und flüsterte ihm in sein Schlappohr. „Du bist in Sicherheit.“

      „Sergeant …“ Hogan half Boudreaux vom Bürgersteig auf und schob ihn in den Streifenwagen. „Ich hab dir gesagt, du sollst den Mund halten“, wiederholte er, schlug die Tür zu und jagte Beck zur Melodie von Parkers gedämpften Beschwerden hinterher.

      „Rede mit mir, Beck. Was ist los?“

      „Ich bringe das arme Tier jetzt in die Tierklinik in der Fünfzehnten Straße“, antwortete sie und wurde mit jedem Schritt schneller. Noch nie hatte sie so sehr das Gefühl gehabt, im Recht zu sein.

      Aber Hogan zog sie energisch zurück und sagte: „Wir haben Boudreaux. Das ist seine vierte Festnahme und dieses Mal liefert er uns Vinny bestimmt ans Messer. Ein guter Jahresbeginn für uns. Wir brauchen diesen Erfolg. Ich brauche ihn. Komm bitte mit mir zurück aufs Revier. Dann decke ich dich auch in Bezug auf das, was gerade vorgefallen ist.“

      „Was willst du decken? Dass ich ihm gegeben habe, was er verdient hat?“ Aber sie wusste genau, was er meinte. Jemanden zu schlagen, der bereits in Handschellen war, war das schlimmste Dienstvergehen. Sie spürte schon jetzt förmlich den Stress, der auf sie zukam.

      „Tu, was du tun musst. Ich sorge jedenfalls jetzt erst einmal dafür, dass der Hund Hilfe bekommt.“

      „Warte doch, Beck“, sagte Hogan und klang jetzt eher wie ein Vater als wie ihr Streifenpartner.

      „Was ist denn eigentlich in dich gefahren? So was hat dich doch sonst nicht dermaßen aus der Fassung gebracht. Eigentlich hast du dich doch immer ganz gut im Griff.“

      Eine Träne löste sich aus ihrem Augenwinkel. „Das … das ist auch immer noch so. Aber vielleicht haben

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