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wurde aber so richtig im ungarischen „Csardas“ ausgelebt: Zwei Schritte rechts, zwei Schritte links, heftig drehen und stampfen.

      Besonders im Winter und im Fasching – Faschingsdienstag bis 22 : 00 Uhr – wurde getanzt und gestampft „ … bis die Pelzkapp’ wiedich werd“: Bei der feurigen Lebenslust der Kerneier wurde sogar die „Pelzkapp’“ – die traditionelle Kopfbedeckung der Männer im Winter – „wiedich“; dies bedeutet so viel wie „närrisch“, wie es im deutschen Karneval heißt, oder „narrisch“ (im österreichischen Dialekt) oder schlicht und einfach „verrückt“.

      Wer in Kernei oder in einer donauschwäbischen Gemeinde etwas auf sich hielt und seine Bedeutung unterstreichen wollte – oder wer schlicht und einfach nur die Nachbarn beeindrucken wollte –, der ließ sich nach einem Ball oder einer Faschingsfeier von einigen Musikanten „hom spielen“ (heim spielen): Die Musikanten begleiteten den oder die Besucher des Tanzabends spät in der Nacht oder im Morgengrauen auf dem Heimweg bis nach Hause und spielten auf. Zu Hause angekommen wurde weitergetrunken, weitergegessen und weitergetanzt „… bis die Pelzkapp' wiedich werd“.

       Kapitel 5

       KINDHEIT, JUGEND UND ERSTER UMSTURZ

      Ich kam am 28. Februar 1929 in Kernei als Zweitgeborener des Michael Toth und der Magdalena Toth, geborene Gärtner, auf die Welt. Damals bestand eine hohe Säuglingssterblichkeit; Säuglinge, die bei der Geburt oder danach verstarben, wurden in einer Nottaufe – die Buben auf Adam und die Mädchen auf Eva – getauft. Mein älterer Bruder – der Erstgeborene – hieß deshalb Adam; er verstarb im Säuglingsalter.

      Noch bevor ich 5 Jahre alt wurde, verstarb meine Mutter am 21. Februar 1934 an Blinddarmdurchbruch. Eine Todesursache, die heute undenkbar wäre; sie zeigt die schlechte medizinische Versorgung der damaligen Zeit auf. Mein Vater stand damals mit 3 Kindern – mit meinen beiden jüngeren Schwestern Regina und Magdalena und mir – ohne Mutter da; er heiratete abermals. Seine 2. Frau ist 1936 im Kindbett gestorben. Daraufhin heiratete er eine Witwe mit 2 Kindern, mit der er in der Folge noch zwei gemeinsame Kinder hatte. So lebte ich mit dem Vater, der Stiefmutter, meinen Schwestern Regina und Magdalena, meiner Halbschwester Theresia, den Halbbrüdern Josef und Martin (letzterer war später im Lager verhungert) und den Stiefbrüdern Sebastian und Anton. Wir wohnten als Großfamilie; auch die Großeltern und die Urgroßmutter lebten im Haus.

      Wir wohnten in der „Zwercharoih“ (Zwischenreihe) 44. Offiziell hieß diese Straße im Königreich Jugoslawien „General Petra Zivkoviza Ulica“; nach dem ersten Umsturz im Frühjahr 1941 sollte die Straße bis zur Vertreibung „Hermann Göring Gasse“ heißen.

      Trotz der vielen Todesfälle hatte ich eine schöne und – vielleicht aus heutiger Sicht etwas verklärt – idyllische Kindheit. Wenn es schön war, spielten wir draußen. Die Spielzeuge hatten wir alle selbst gebastelt. So spielten wir „Pilickas“: Wir hatten ca. 20 cm lange Holzstücke, die links und rechts zugespitzt wurden, angefertigt. Jeder Spieler versuchte, diese mit einem Stock in der Luft weiterzubringen; pro Treffer (Berührung) gab es 5 Punkte.

      Dann spielten wir „Verstecklas“, also – auf Hochdeutsch – „Verstecken spielen“; dieses Kinderspiel ist wohl seit Jahrhunderten unverändert.

      Zum Zeitvertreib spielten wir auch „Klick‘rers“: Runde Kugeln mussten dabei in ein Erdloch gerollt werden. Auch dieses Kinderspiel gibt es wohl überall auf der Welt.

      In Erinnerung geblieben sind mir zwei Auszählreime aus der Kindheit:

      „Oons, zwa, drei,

       hicka, hacka, hei,

       hicka, hacka, Pfefferkern

       Peter hot sein Weib verloren,

       da Seppi hat’s g’funna

       die Mäus traga Trummla,

       uff‘ dem Dach sitzt a Spatz,

       der sich bald zu bucklig lacht.“

       „A, B, C, D, E,

       die Katz‘ läuft im Schnee,

       der Hund hinna nach,

       die Katz‘ lasst a Fartz,

       der Hund springt fart.“

      Bei Schlechtwetter und im Winter spielten wir Karten – vom Kleinkind bis zur Uroma.

      Gefahren kannten wir in dieser durch die Großfamilie behüteten durchaus idyllischen Kindheit nicht; dies sollte sich durch die Kriegswirren noch radikal ändern.

      Mit 5 Jahren besuchte ich die „Ovoda“ (den Kindergarten). Er war deutschsprachig; wir hatten aber Pflichtstunden in Serbo-Kroatisch.

      Ich war besonders stolz, ein „Messdiener“ (Ministrant) zu sein – und ich war ein eifriger Messdiener: Beim Glockenläuten, das wir noch händisch mit Stricken und Seilen durchführen mussten, bei Begräbnissen, Hochzeiten und bei allen Messen im Jahreskreis. Gerne erinnere ich mich, dass ich als Ministrant auf einer Primiz des Peter Halter war; dieser ist nach der Vertreibung in Kanada (Windsor) verstorben, wo ich ihn noch vor einigen Jahren besuchen konnte.

      Die Volksschule („Narodna Scola“) war damals 6jährig; die beste Note war eine Fünf, die schlechteste eine Eins. Wir hatten gemischte Klassen („Buwe und Madle“); in einer Klasse waren zwischen 60 und 65 Schüler und Schülerinnen. Der Unterricht erfolgte in unserer Muttersprache Deutsch; pro Woche hatten wir 2 x 2 Stunden Unterricht in Serbo-Kroatisch.

      In der ersten Klasse hatte ich Amalia Lovrec (eine Serbin) als Lehrerin; wir nannten sie „Malschi“. Ihre Unterrichtsmethode war hart aber effektiv; diese wäre nach heutigen pädagogischen Grundsätzen nicht mehr erlaubt. So konnte ich zunächst nur die Buchstaben aneinanderreihen, nicht aber die Buchstaben zu Worte verbinden und fließend lesen. „Malschi“ stellte sich neben mich: Ich „las“: „SSS …ooo … nnn … eee“ oder „KKK … eee … iii … rrr … nnn … eee … iii“. „Malschi“ gab mir eine „Watsch“ (Ohrfeige). Darauf stotterte ich und wiederholte – wenn auch schon etwas flüssiger –, worauf ich wiederum eine „Watsch“ bekam. Nach einigen Tagen, als ich wieder vorlesen musste, stand die Lehrerin „Malschi“ wieder bedrohlich neben mir: Als ich zu „lesen“ beginnen versuchte, erhob „Malschi“ ihre Hand zur Züchtigung. Plötzlich konnte ich die Buchstaben zu Wörtern zusammensetzen und fließend „Sonne“ oder „Kernei“ lesen. So hatte ich lesen gelernt. Diese harte Erziehungsmethode hat mich noch lange geprägt. Auch wenn wir Gott sei Dank heute alle – auch bezüglich der Erziehungsmethoden – gescheiter geworden sind, muss ich ehrlich sagen, dass mir – so glaube ich – die Lehrerin „Malschi“ nicht geschadet hat.

      In der 2. und 4. Klasse hieß der Lehrer meiner Erinnerung nach „Faimer“. Zumindest in den ersten Klassen hatte ich nur Fünfer und Vierer; ein Fünfer war die beste Note und ein Vierer die zweitbeste.

      In der 3. Klasse hatten wir einen Vetter (Cousin) meiner Mutter, nämlich Gabriel Gärtner, als Klassenlehrer; ihn mochte ich nicht besonders.

      In der Volksschule wurden wir in unserer Muttersprache Deutsch unterrichtet; wir hatten aber 2 x 2 Stunden pro Woche, in der wir Serbo-Kroatisch gelernt haben. Auch mussten wir die Schriftarten Korinth, Latein und Zyrillisch lernen.

      Ab 1941 habe ich eine ungarische Schule besucht: Ich war der einzige „Schwob“. Zu Schulbeginn konnte ich kein Wort Ungarisch; nach einem halben Jahr war ich nahezu perfekt in

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