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      DER STURM

      Der längst angekündigte Sturm erreichte uns mit voller Wucht, kurz vor Mittag.

      Das Barometer fing an zu sinken, das Ding ging in kaum einer halben Stunde von 1040 auf 1000 Millibar und fiel, während der Himmel in der kürzesten Zeit rabenschwarz wurde unaufhaltsam weiter ab.

      Das Meer fing an zu brodeln und fast schlagartig befanden wir uns in der Scheiße.

      Die Biskaya hatte sich fast blitzartig von einem freundlichen blauen, der Südsee ähnlichen friedlichen Gewässer zu einer tobenden Bestie entwickelt.

      Es ging alles so schnell vor sich und der alte Arsch wurde so dermaßen überrascht, dass er sogar vergaß, die Fahrt des Schiffs zu reduzieren.

      Die Kondor, immer noch von meinen Deutz-Bullen nach vorne getrieben, tanzte wild hin und her, sie bohrte sich ein paar Mal in gewaltige Wellen hinein, kam aber immer brav wieder raus.

      „Wollen Sie den Motor zu Schrott fahren oder wollen Sie das Schiff versenken und uns alle umbringen, Kapitän?“, fragte ich scheinheilig, als ich sah, dass der Mann immer noch nicht mit der Fahrt runterging und wie hypnotisiert am Fenster auf das tobende Meer schaute.

      Vorsorglich, in Erwartung des Sturms, hatte ich an dem Sonntagmorgen die Jungs und Peter, unseren Bootsmann-Koch, angewiesen, sämtliche Außenschotten und Türen abzuschließen und dafür zu sorgen; dass in der Messe und im Kabelgatt alles gut weggestaut und abgesichert wurde.

      Luwala, jene Mischung aus Rottweiler und Mastino Napoletano, der unser Bordmaskottchen war, hatte ich in meiner Kabine eingeschlossen.

      Vorsorglich hatte ich auch eine Runde im Maschinenraum gedreht, dort aber war für mich die Welt in Ordnung, denn ich hatte die Gewohnheit, niemals lose Gegenstände herumliegen zu lassen, von dort also erwartete ich keine Probleme.

      Mein Problem – oder besser gesagt unser Problem – kam in Person des Steuermannes, der kurz vor dem Rest der Bande auf der Brücke erschienen war.

      Er musste mit seinem Kopf gegen irgendwas gestoßen sein, denn auf seiner linken Stirnseite war eine große Beule zu sehen.

      „Das ist die Strafe“, murmelte er vor sich hin.

      „Die Strafe für was denn, Steuermann?“, fragte ich alarmiert.

      „Die Pontons im Zwischendeck, Chief, ich habe sie aufgrund des schönen Wetters gestapelt gelassen und nicht in Position gebracht, die sind aber sehr gut gelascht worden“, antwortete er mir kleinlaut.

      „Du Vollidiot, was hast du dir denn da dabei gedacht?“, zischte ich ihm ins Gesicht.

      „Jetzt aber haben wir eine schöne Scheiße am Hals“, schimpfte Peter gleich los und schaute mich dabei kreidebleich an.

      „Aber, meine Herren, ich bitte euch. Es gibt doch keinen Grund zur Panik. Der Sturm ist doch gleich wieder vorbei, und die Pontons im Laderaum sind gut gelascht worden“, dekretierte der Kapitän.

      Mir reichte es, denn meine innere Warnanlage war wie von Sinnen am Bimmeln.

      Jener sechste Sinn, der tief in mir, der meine eigene Alarmglocke war, war mir bestens bekannt. Das letzte Mal, wo er mich gewarnt hatte, war damals im Barbizon-Hotel gewesen, bevor ich auf das Motorschiff El Castillo stieg, damals war es nur ein Warnsignal, diesmal aber bedeutete der Klang meiner inneren Alarmglocke nur ein Ding, nämlich: den Tod!

      „Nix da, mein lieber Kapitän, Sie gehen jetzt sofort auf ganz langsame Fahrt runter und Kopf auf See und ich geh in den Laderaum, ich will mich dort selbst vergewissern, was Sache ist, denn ich hab keine Lust, in der Biskaya abzusaufen.“

      Ohne lange herumzumäkeln, setzte der Alte den Bug des Schiffes noch mehr gegen den Wind und reduzierte die Fahrt um noch einige Umdrehungen.

      „Weniger geht nicht, Chief, ich brauch Ruderwasser. Passen Sie bitte auf!“, mehr sagte der alte Mann nicht und ich ging, gefolgt von Peter, nach unten.

      Von der Tür auf der Steuerbordseite zum Arbeitsdeck und von dort bis zur Einstiegstür zum Laderaum waren es ein paar Meter. Unter diesen Umständen aber waren es ein paar sehr gefährliche und lebensbedrohliche Meter. Der Kapitän hatte das Schiff aber so manövriert, dass die Kondor mit ein paar für mich lebenswichtigen Graden rechts der Wellenrichtung lag.

      „Pass bloß auf dich auf, Meister!“, bat mich Peter, der genauso wie ich durch das Bullauge an der Tür die Sequenz der Wellen beobachtete.

      Wir ließen uns Zeit und erst, als ein paar größere Wellen an uns vorbeizogen und das Arbeitsdeck wieder frei von Wasser wurde, öffneten wir das wasserdichte Schott zum Deck und ich war, während Peter hinter mir die Tür wieder schloss, draußen am Deck.

      Wie ich es schaffte, in den Laderaum zu gelangen, ohne über Bord gespült zu werden, weiß ich bis heute nicht, ich weiß nur, dass ich es schaffte und dass ich heute, fast fünf Jahre später, darüber berichten kann.

      Mehr weiß ich nicht.

      „Verdammt kurz und schnell, diese Wellen!“, dachte ich, als ich die Sprossenleiter zum Laderaum runterging.

      Unten im Zwischendeck war das ganze Getöse des Sturms und des gestressten Schiffes fast unerträglich.

      Die Gefährlichkeit und Mystik der Geräusche, die sich da abspielten, war mit nichts, was ich vorher auf See gehört hatte, zu vergleichen.

      Es klang fast wie Musik; nein, es war Musik: Eine tödliche Symphonie, die mir fast das Blut in den Adern gefrieren ließ, spielte sich da in meinen Ohren ab und für einen kürzesten Augenblick hörte ich wie hypnotisiert gebannt zu.

      Erst danach schaute ich mich um.

      Die Pontons achtern waren im Laderaum zwar gestapelt, die lagen aber auch fest gegen die Aufbauten, die waren so gut einzeln am Schott gelascht worden, dass die nirgendwohin gehen konnten, so, als ob die ein fester Teil des Schiffes gewesen wären.

      Diese Pontons waren immer dort, so wie die waren, und wurden in ihren jeweiligen Positionen in dem Zwischendeck eingesetzt, nur wenn es im Raum Teilladung zu stauen gab, sonst nicht.

      Was ich aber sah, als ich nach vorne schaute, raubte mir für einen kurzen ewigen Moment fast den Verstand: Die vordersten zwölf Pontons, die man nur frei im Raum stapeln und laschen konnte, hatten ihre Ketten gesprengt. Sie lagen nun, vom schaukelnden Schiff herumgewirbelt, über- und untereinander. Sie waren durcheinander eingekeilt und gestapelt, Vorkante Laderaum Backbord und bewegten sich mit ihren scharfen Kanten knirschend gegen den Schiffsrumpf.

      Fast wie in Trance schnappte ich mir von irgendwoher so viel Holzbretter, wie ich nur finden konnte und setzte sie, wohl achtend, wohin ich mit meinen Füßen ging, zwischen die scharfen Kanten der Pontons und die Schiffsaußenhaut.

      Mit Gottes Hilfe fand ich auch auf Anhieb einige größere Holzkeile und einen Vorschlaghammer, wie besessen hämmerte ich so viele Holzklötze zwischen die eisernen Pontons und das Deck, wie ich nur konnte.

      Mir ging es primär darum, eine weitere Verschiebung der Teile zu vermeiden und erst als es mir schien, dass das Ganze doch etwas ruhiger da lag, ging ich wieder nach oben, um Verstärkung zu holen.

      „Ich machte mir langsam Sorgen um dich, Meister!“, sagte Peter, als ich wieder bei ihm war.

      Unterwegs nach oben informierte ich ihn, was im Laderaum los war und was ich getan hatte. Ich sagte ihm auch, dass wir gleich wieder da runter mussten, um die losen Pontons mit Ketten und Spant-schrauben an den Spanten des Schiffes so zu verankern, dass die sich nicht mehr bewegen konnten.

      Auf der Brücke war der alte Arsch gerade dabei, freudig und munter seinem Steuermann und die Jungs eine Lehrstunde in Ozeankunde zu geben.

      Er erklärt denen gerade, wie sich die Wellen auf hoher See verhalten und wo der Unterschied zwischen einem Längs- und einem Querläufer zusehen und interpretieren war.

      „Vorne, die Pontons, die ihr so gut gelascht und

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