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ein; es war Tanz da und ziemlich voll. Hesse stieß mich an: „Guck mal da ’nüber, links der Tür, kennst du die in dem schönen blauen Kleide noch?“ – Meiner Seel, es war die große Glocke.

      Stracks ging ich auf sie los. „Kann ich die Ehre haben, Mademoiselle, mit Ihnen zu tanzen?“ (Fräulein war noch nicht Mode.) „Die Ehre ist auf meiner Seite“, sagte die große Glocke und lächelte. Wir kamen in ein angenehmes Gespräch; sie hatte mich sogleich wiedererkannt. Ich tanzte mich recht satt und Hesse, der seine Freude an mir gesehen, lobte meinen Tanz.

      Mehrmals ging ich auch ganz allein in Erfurt spazieren. Der Wall war damals offen, man konnte um die ganze Stadt herumgehen. Ich verlief mich im Gewirr der Gassen, hatte aber die caprice, niemanden zu fragen und fand mich auch nach Haus.

      So waren die vierzehn Tage bald hingeschwunden. Ich saß schon wieder in Gräfentonna und rauchte ein bißchen; denn ich wollte nicht bei Tage nach Hause kommen. Als ich Licht sah, trat ich in unsere Stube. Da saßen bald alle um mich herum und ich mußte noch eine Stunde erzählen.

      Andern Morgens fabrizierte ich Erfurter Gebäck und brachte es meiner Mutter. Es verkaufte sich gut und wurde lange beibehalten, bis wieder andere Figuren es verdrängten.

      Damals war ein Geselle aus Hirschfeld bei uns, ein Sohn wohlhabender Eltern. Er hieß Johann, wurde aber nur Hannchen genannt. Trotzdem er sechs Jahre älter war als ich, kapitulierte er schnell, wenn ich ihn packte und an die Wand drückte. Ich habe ihn später auf meiner Wanderschaft besucht. –

      Meine Mutter kaufte dem alten Nachbarn Schütz sein Haus für 250 Taler ab; er reservierte sich aber die Parterrestube und den Laden auf Lebenszeit. In diesem Hause wohnte damals ein Chorschüler, Zwinkau, der gut Flöte blies. Ich bekam Lust dazu, kaufte mir solch ein Ding und nach drei Monaten blies ich wie ein Alter.

      Oft war ich auch draußen in der Ufhover Pfarre. Mein Onkel galt viel in unserem Hause; und meine Mutter befragte ihn bei allerhand Vorfällen um Rat.

      Wir schrieben nun 1804. Es war um die Zeit der Kirschenreife, als ein Bauer bei dem Weimar-Eisenachschen Dorfe Hitzelsroda lebendig verbrannt werden sollte, weil er fünfmal Feuer angelegt hatte. Der Tag der Verbrennung war festgesetzt und bekanntgemacht worden; von allen Seiten zogen viel tausend Menschen dahin. Auf einem großen Wagen, den der Fuhrmann Seiling in der Holzgasse bespannt hatte, saß des Morgens um zwei Uhr eine fidele Gesellschaft. Erinnerlich sind mir noch: Zwinkau, Bransener, Traubott, drei lustige achtzehnjährige Chorschüler, Minor, ich und meine Schwester, einige Freundinnen von ihr, auch ein Walter und Triembach. Wir fuhren über Graula.

      Der Seiling hatte eine zwanzigjährige Tochter, Marth-Marie, die war groß und stark, aber ein bißchen dumm und sehr grob. Die Schüler hatten ihren Witz mit ihr; sie stand im Feststaat mit auf dem Wagen. Bransener ordnete eine Komödia an und verteilte die Rollen zum Donauweibchen. Sich selbst machte er zum Ritter Albrecht von Waldsee und sagte sehr höflich: „Liebe Jungfer Seilingen, Sie müssen aufpassen, Sie stellen Hulda, das Donauweibchen, vor.“ Das Donauweibchen schnitt aber ein falsch Gesicht dazu. Bransener belehrte weiter: „Wenn ich Sie gleich angeredet habe, so erwidern Sie: ‚nein, edler Ritter, heute nicht, kommen Sie morgen wieder!‘ “

      So nahm also die Oper ihren Anfang, indes wir durch den Wald fuhren. Bransener faßte Posto vor seiner Hulda. „O Hulda, schöne Hulda, komm in meine Arme!“ – und er breitete die Arme weit aus. Aber Hulda sank nicht hinein, sondern schlug zu und gab ihm eine furchtbare Maulschelle.

      „Dummkopf!“ sagte sie ganz trocken.

      So hatte Bransener seinen Denkzettel vom Donauweibchen weg; seine Backe war feuerrot und angeschwollen. Zuerst wollte er heftig werden, sah aber bald ein, daß hier nichts zu machen war. Viele Jahre ist er mit diesem seltsamen Liebesabenteuer geneckt worden. Er kam später als Lehrer nach Kammerforst, wo er vor wenig Jahren gestorben ist.

      Auf einem sehr großen Platze, vom Walde begrenzt, war der Scheiterhaufen kunstvoll aus Wellen [3–4 m lange Reisigbündel, mit denen die Backöfen geheizt wurden], Stroh und Scheitholz aufgerichtet. Unten liefen Gänge durch und eine breite Treppe führte hinauf. Die Zahl der Zuschauer, die hier zusammengeströmt waren, ist auf 40.000 – 50.000 geschätzt worden.

      Unser Wagen hielt etwa 300 Schritte vor der Treppe; wir standen darauf. In vielen Dörfern wurden die Glocken geläutet; der Delinquent mußte wohl eine gute Stunde durch die bunte Menschenallee gehen, bis er zum Richtplatze kam.

      Mehrere Pfarrherren begleiteten ihn bis an die Treppe, dann führten die Schinderknechte ihn hinauf. Oben drehte er sich herum; er war ein magerer, kreideblasser Mann von ungefähr 45 Jahren. Die Knechte schoben ihn zurück in eine Öffnung. Man sah, wie sie bald darauf Scheitholz nahmen und von oben in die Öffnung hineinstießen, die sie dann mit Strohschütten zudeckten. Alsdann stiegen sie hinunter, um anzuzünden. Es ward ein großes Feuer und der Rauch ging auf uns los. Da fuhren wir sachte fort, so gut, als es bei dem Gedränge möglich war. In einer Stunde kamen wir nach Eisenach, wo wir uns an Kirschkuchen labten und Schnaps dazu tranken.

      Als wir auf dem Rückweg wieder am Richtplatz vorbeifuhren, war alles niedergebrannt, bis auf einen dicken, wohl zwanzig Fuß hohen Stamm, woran oben noch ein Haken saß, an welchem sie den Mann wahrscheinlich erhängt hatten. Man sagte, es sei in letzter Stunde noch die Begnadigung von Weimar gekommen, daß er nicht lebendig solle verbrannt werden.

      Der Böhmen war damals der einzige Vergnügungsort bei Langensalza, aber immer so überfüllt, daß meist an Bier oder Gefäße gar nicht zu denken war. Viele nahmen sich deshalb das Nötige selbst mit hinaus, wenn sie auf den Böhmen wollten. – Der Rautenkranz war der eigentliche Volksgarten der Stadt. Da sah man ganze Familien auf dem Rasen sitzen und sich dort vergnügen, wenn die Lauben schon voll waren. Drei Kegelbahnen waren im Gang und immer besetzt und vorn in einer großen Stube stand ein Billard, worauf ich gelernt habe. Es wurde fast nur en quatre à la poule gespielt, ging lustig zu dabei und viel Spaß wurde getrieben. Einmal hatte ich im Billardspiel einen Hasen gewonnen, wählte von zweien, die an der Wand hingen, den schwersten, fand aber zu Hause, da er abgezogen wurde, einen tüchtigen Stein darin.

      Das Kunststückemachen war damals sehr beliebt. Ich verstand, ein Geldstück verschwinden zu lassen und auf Verlangen der Zuschauer mußte es sich an einem Ort, den sie bezeichneten, wiederfinden. Diese Kunst hat mich später in den Wanderjahren in den Verdacht gebracht, ein Verbündeter von dem mit dem Pferdefuß zu sein.

      Ein anderes Stückchen, das uns manchmal ein Dutzend Bouteillen Bier, auch einmal Wein einbrachte, war dies: wir suchten uns unseren Mann aus und wetteten mit ihm, daß wir ihn in einen Kreis von wenigen Fuß Durchmesser bannen wollten, so daß er nicht von der Stelle könnte, solange er den linken Daumen an die Nase halte. Darauf zogen wir mit Kreide einen Kreis um den Pfeiler, der in der Mitte der Saales stand, führten unser Opfer hinein und legten seinen linken Arm um den Pfeiler und den linken Daumen an seine Nase. Er war richtig gebannt, solange der Daumen an der Nase lag und hatte die Wette verloren. Mittrinken durfte er aber, soviel er wollte und konnte.

      So ging die Zeit hin und das Jahr 1805 war da. Da ich gern tanzte, so konnte es nicht fehlen, daß ich die Bekanntschaft junger Mädchen machte und weil ein junger unbefangener, noch nicht spekulierender Mensch sich am liebsten zu denen hält, die ihm gefallen, erging es mir auch so. Aber meiner Mutter gefiel es nicht, als sie hörte, wo ich mich verfangen; sie meinte, das sei keine vorteilhafte Partie für mich zum Heiraten. Ich lachte aus vollem Halse dazu. Sie glaubte mir auch wohl, daß ich an dergleichen nicht denke, war aber der Meinung, dann müsse man sich auch nicht immer um eine und dieselbe halten oder gar ins Haus zu den Eltern gehen, wie sie von mir gehört habe – und so gab es manchmal kleinen Krieg wegen dieser Angelegenheit.

      Ich hatte aus einem der vielen Bücher, die ich schon gelesen, den Grundsatz aufgegriffen, man müsse selbst aus den Übeln und Unannehmlichkeiten des Lebens noch Nutzen ziehen, indem man suche, ihnen die vorteilhafteste Seite abzugewinnen. Es lag nicht fern – und ich kam bald auf den Gedanken – daß meine Mutter, da sie mich von den Mädchen abziehen wollte, mir um so leichter die Erlaubnis zum Wandern geben würde.

      Die Osterfeiertage, deren damals (so wie bei Pfingsten und Weihnachten) noch drei gefeiert wurden, brachten wieder

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