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in Volkenroda, später Wiegeleben.

      4 Johann Heinrich, geb. 1793, gest. 1850 an der Cholera, als Besitzer der Treischmühle.

      Er hinterließ fünf Kinder: August, Anton, Heinrich, Eleonora und Lina.

      Meine ältere Schwester, Frau Minor, hat keine Kinder. Meine jüngere Schwester, die Pastor Köttner, hatte drei. Davon starb ein Knabe klein und ein Mädchen unverehelicht. Das dritte, Lina, ist die jetzige Madame Klauwell, hinter dem Rathause.

      Etwas roh und wild ging es wohl bei uns in den neunziger Jahren zu. Was die Älteren über die französische Revolution und den Krieg lasen, das spielten wir Schuljungen ihnen praktisch vor. Vor den Toren der Stadt, im Felde, schlugen wir aufeinander los, daß das Blut darein lief und warfen uns mit Steinen Löcher in die Köpfe.

      Sobald ich zum Sextus, Herrn Ströhler, in die Schule kam, wurde ich angeworben und mußte unter dem Kommando des Generals Heinemann (jetzt noch lebender alter Cafetier) kleine Wagen mit Wurfsteinen beladen, hinter der Front herziehen, was stets Arbeit der Jüngsten war.

      Zwei Jahre saß ich bei Herrn Ströhler, dann führte er mich und Andreas Koch, als seine zwei besten Schüler, zum Quintus, Herrn Ratz, hinüber. Auch draußen im Felde war ich befördert worden und als Unteroffizier schon manchmal mit Blutflecken und Beulen nach Hause gekommen. Wieder zwei Jahre saß ich nun in Quinta, bei Herrn Ratz, wo wir schon viel Latein deklinieren und konjugieren mußten; auch wurde fleißig Geographie getrieben, was meine Liebhaberei war. Herr Ratz, an sich ein ganz gescheiter Mann, schlief leider oft während des Unterrichts und wir waren viel zu böse Jungen, als daß wir dies hätten ungenutzt hingehen lassen. Es wurde allerhand Allotria getrieben und von vielen drolligen Geschichten will ich nur eine hier erzählen.

      Auf dem Tisch lag die große Karte von Europa und die Neulinge sollten die Namen der Länder lernen. Herr Ratz sagte diese laut vor, indes er mit dem Finger auf das betreffende Land wies.

      „Portugal!“ rief er laut. Darauf die Jungen alle: „Portugal!“ Nun rückte der Finger auf Spanien: „Hispania!“ – Das Echo: „Hispania!“ – Herr Ratz nickte. „Frankreich!“ –: „Frankreich!“ – Das Haupt des Herrn Ratz sank tiefer; doch als ein dummdreister Bengel namens Musbach lachte, bekam er eine Dachtel. „Dummer Junge, paß auf! – Deutschland!“ –: „Deutschland! Ach, das ist unser Land“, sagten einige Jungen. „Du, Friede” wo muß en da Langensalz liegen?“ – Herr Ratz neigte den Kopf sachte auf die Karte, seine rechte Hand rutschte fort und der Finger kam zu den Samojeden, während der gute Mann, seiner selbst kaum noch bewußt, „Italien“ rief. Da brach ein mächtiges Lachen los; Musbach war der tollste und schrie: „Herr Ratz, Herr Ratz, das ist ja Rußland.“

      Nun fuhr der Lehrer auf und griff zum Stock. „Du Erzschlingel, du mußt Hiebe kriegen.“

      Musbach duckte sich, verlor aber den Stock nicht aus den Augen. Des Gestrengen Arm hob sich. Unglücklicherweise kam ein großes Loch im Rock dabei zum Vorschein. Wie das Musbach sah, fing er fürchterlich zu grölen an: „Ach, das große Loch, ach, Herrjeses, ach, Herrjeses!“ ...

      Herr Ratz konnte nicht zuschlagen; er drehte sich schnell um und rief ein paarmal: „Ruhe!“ – Wahrscheinlich hat er sich das Lachen verbissen, denn er war ein kluger und gutmütiger Mann.

      In diesen zwei Jahren ging das Kriegspielen immer schlimmer fort; auch die Erwachsenen hatten Gefallen daran, wenn wir mit Trommeln und Fahnen zum Tore hinausmarschierten. Wir hatten uns in Franzosen und Deutsche geteilt und jede Abteilung war manchmal fünfzig Jungen stark. Die Leute eilten ans Fenster und die Clemenser Soldaten [vom kurfürstlich Sächsischen Regiment Prinz Clemens] riefen manchmal die Wache ins Gewehr, wenn es durchs Mühlhäusertor ging. Nur die vielen Blessierten wollten den Eltern nicht gefallen und mancher durfte deswegen nicht mehr mit. Mein Vater aber sagte: „Das schadet den Jungen nichts, sie lernen vorsichtig sein und kriegen Courage.“

      Im Jahre 1797 nach Ostern fand das Examen für Quarta statt. Eine wilde Gewohnheit wollte, daß die Jungen, die aus Quinta nach Quarta versetzt wurden, sich mit dem Plumpsack durchschlagen mußten: Die Quartaner standen gewappnet im Gange; wir rückten scharf an, schlugen uns fürchterlich, trieben sie zurück und endlich zu ihrer Tür hinein, die sie fest hinter sich schlossen. Da wir die Tür nicht eindrücken konnten, so holten wir ein Scheit Holz aus dem Schulholzstall, rannten eine Füllung durch und die Tapfersten, Bayer, Heng und ich, krochen zuerst durch.

      Wir bekamen zwar Beulen und blaue Flecken, machten aber die Tür auf und unser Korps drang ein. Nun schlugen wir uns noch eine Viertelstunde dermaßen, daß wohl keiner dabei war, der es nicht vier Wochen nachher noch gefühlt hätte.

      So war die damalige Zeit. Jetzt geht’s anders zu – ob aber besser, das wage ich nicht zu beurteilen.

      Der Herr Quartus Nohr verstand, sich in Respekt zu setzen und es ging nicht mehr so wild zu wie vorher. In der Hauptsache lernten wir Rechnen, Schreiben, Geschichte und Latein. Geschichte trug er erzählend vor und wir hörten alle gern zu, wenn er von der Entdeckungsreise des Kolumbus und anderen Abenteuern berichtete.

      Wenn er einen verbundenen Kopf sah, verbot er uns zwar das Werfen mit Steinen, doch das Kriegspielen nicht, denn er war der Meinung, daß wir alle noch vor die Franzosen müßten. Er wußte uns auch an der Ehre zu fassen. Nur die rohesten Jungen bekamen Stockschläge. Die meisten deuchte es Strafe genug, wenn er einen mit seinen großen schwarzen Augen scharf ansah und dabei den Kopf schüttelte. Das hieß: ,Ei, ei, wie hast du dich vergessen ... Nun, ich hoffe, du wirst es nicht wieder tun.‘

      Und wirklich! man nahm sich wenigstens fest vor, es nicht wieder zu tun.

      Eine stärkere Strafe war das Knieen vor der Tafel, danach kam eine kleine Bank zum Alleinsitzen in der Ecke, die ‚Reue und Buße‘ überschrieben war und die wir nur die Jammerbank nannten. So ging ein Jahr hin.

      Um diese Zeit fing ich an, mich fester an den Vater zu hängen. Er nahm mich mit, wenn er über Land ging, um Holz oder Schweine zu kaufen. Das Schulversäumnis schlug Herr Nohr nicht hoch an, denn er meinte, es sei auch Schule, so mit dem Vater über Land zu gehen. Als ich aber einmal dies nur vorgegeben hatte, in Wahrheit jedoch mit einem kleinen Kriegskorps als Hauptmann nach Schönstedt ausgerückt war, um die Bauernjungen zu verprügeln, mit denen wir im Kriege lagen, da hatte unglücklicherweise Herr Nohr meinen Vater gesprächsweise danach gefragt, ob er mich am Donnerstag mitgenommen habe.

      Nun, es ging noch so ab. Von meinem Vater bekam ich ein paar Hiebe und die Aussicht auf gewaltige Schläge, wenn ich wieder Lügen ausheckte; Herr Nohr drohte mir mit der Jammerbank, auf der ich bis dahin noch nie gesessen hatte.

      Um diese Zeit hielt mein Vater einen Gesellen, namens Christian Döbling aus Salzungen, der von guter Familie war und bei meinem Vater in Ansehen stand. Ich stand wiederum bei ihm gut angeschrieben und wir gingen zuweilen ohne meinen Vater über Land. Wenn es nun mal mit mir nicht richtig war, so half er mir durch. Später habe ich ihn auf meiner Wanderschaft besucht, was ich an seinem Ort erzählen werde.

      Mein Vater und Nachbar Buschmann lasen Zeitungen; General Bonaparte, um den sich damals alles drehte, stand in Ägypten. Ein Buchbinderlehrling bei uns machte Bonapartehüte aus Pappe und blauem Zuckerpapier für achtzehn Pfennig. Wer von den Jungen soviel auf die Beine bringen konnte, der kaufte sich einen und setzte ihn auf, wenn’s zu Felde ging.

      Am Kriegstor, auf der linken Seite, wenn man hinausgeht, stand früher das alte Torschreiberhaus. Der Torschreiber Bube, ein Mann von 50 Jahren, gab Unterricht in Rechnen und Schönschrift. Zu ihm brachte mich mein Vater im Jahre 1798, weil diese Künste in der Schule über Latein und Religionslehre etwas vernachlässigt wurden. Zwei Jahre lang habe ich an vier Abenden in der Woche die Nachhilfestunden beim Torschreiber zur Zufriedenheit meines Vaters besucht. Die Stube war klein. Wir lernten zu vier Knaben, wovon ich der jüngste war. Zwei davon sind mir noch im Gedächtnis: der Vater vom jetzigen Bürgermeister Kramer und Friede Köhler aus der Treischmühle. Mein Vater wollte nicht, daß ich auf Schönschrift zuviel Zeit verschwende, meine Mutter hingegen sah es gern: sie kaufte mir einen schönen Malkasten und alles, was dazu gehört.

      Alle Frühjahr kam das kurfürstlich Sächsische Regiment Prinz

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