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ich ja nicht dabei. Den FARC-Guerilla, der mich mit seiner MP bedrohte, habe ich mit einer riesigen amerikanischen 44er kampfunfähig in die Schulter geschossen; den anderen, der uns beschoss, traf ich auf der Flucht mit einem 38er Revolver am Hinterrad seines Motorrades. Der hat sich beim Sturz leider das Genick gebrochen.2 Ihr könnt mir glauben, solche Szenen lassen einen niemals los, aber es ist eben die bitterböse Kehrmedaillenseite unseres Berufes.«

      »Ich war noch nie in der Verlegenheit, schießen zu müssen«, sagte Robert. »Aber ich glaube, dass ich es tun würde, wenn keine andere Möglichkeit besteht!«

      »Lassen wir das.« Nili machte eine Handbewegung, als wollte sie ihre Erinnerungen an den Gebrauch einer Schusswaffe wegwischen. »Gehen wir lieber wieder an die Arbeit. Mir ist da gestern Abend etwas eingefallen, was uns weiterhelfen könnte. Mehr darüber sage ich euch, sobald wir wieder im Büro sind!«

       *

      Die drei Teamkollegen sitzen an ihren Bildschirmen und durchforsten die Liste der vermissten Personen aus dem ersten Quartal des vorigen Jahres.

      Nili fasst zusammen: »Wir suchen nach einem Mann, Alter zwanzig bis maximal vierzig, vorwiegend aus dem Norden unseres Bundeslandes.«

      Während sie sich auf die gesuchte Person konzentrieren, piept das Faxgerät und der Drucker geht in Betrieb. Margrit steht auf und holt die drei Blätter mit den Mitgliedsnamen des Steinburger Sportklubs.

      »Ein Plus für Frau Schindler!«, meint Nili, ohne von ihrem Bildschirm wegzusehen. »Stehen da auch die Firmennamen drauf?«

      Margrit sieht nach.

      »Ja, eine Cateringfirma aus Itzehoe, eine aus Heiligenstedten und die Schlachterei Reimers aus Olden »mAocohr.« sieh mal an, unser braver Meister Sigi und sein Bruno. Die befrage ich am Wochenende, da bin ich sowieso zu Hause. Sonst noch jemand?«

      »Zwei Discobeschaller sind gelistet: ein gewisser Peter Bruhns, PB-Disco aus Itzehoe, und ein Diskjockey aus Oldenmoor, DJ Mario.«

      Nili horcht auf. »Mario? Interessant! Wenn der mal nicht unsere berühmt-berüchtigte Marianne ist, nach der bisher ergebnislos gefahndet wurde.« Sie überlegt. »DJ Mario … Der Name kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich glaube, der hat damals den Feuerwehrball im Hotel Elbmarschen Hof animiert, zu dem ich eingeladen war. Ein gewitzter junger Kerl mit rotblonden Haaren radebrechte seine Ansagen wie aus der Pistole geschossen. Lasst uns sofort nachsehen, Leute, wo wir unseren Don Mario antreffen!«

      »Bingo! Ich hätte hier einen guten Hinweis!«, meldet Robert Zander einige Zeit später.

      Beide Frauen sehen zu ihm.

      »Der könnte passen: Dominik Baumann, Alter dreiundzwanzig Jahre, mit zweitem Wohnsitz in Oldenmoor, Mühlenweg 38. Beruf Einzelhandelskaufmann und Verkäufer im Herrenbekleidungshaus Wiese daselbst. Geburtsort und Hauptwohnsitz Elmshorn, wo auch seine Eltern und eine Schwester wohnen. Als vermisst gemeldet am 30. April letzten Jahres von seinem Arbeitgeber Herrn Wilfried Wiese sowie zwei Tage danach von der Vermieterin seines möblierten Zimmers, eine Frau Jutta Wendlandt. Und jetzt kommt’s: nebenberuflich als Musical Entertainer und Diskjockey Mario tätig. Ebenfalls werden vermisst der auf ihn angemeldete VW Transporter mit polizeilichem Kennzeichen PI-DJ 111, Farbe Rot-Gelb, mit seinem Firmenlogo sowie seine gesamte Beschallungsanlage und eine umfangreiche CD- und Plattensammlung. Weder von dem Vermissten noch von seinem Bulli wurde bis heute eine Spur gefunden. Schon wegen des Datums seines Verschwindens ist es ein absolut passender Parallelfall zu unserer Heide Mertens.«

      »Gute Arbeit, Robert!«, ruft Nili anerkennend. »Ist ein Bild von ihm zu sehen?« Sie steht auf und schaut auf Roberts Monitor. »Ja, das war er! Hundertpro!«, bestätigt sie.

      »Kaum zu glauben, Nili! Sie hatten wohl mal wieder recht!«

      »Okay, mag sein, Robert. Aber gefunden haben wir die beiden damit noch lange nicht! Das mit Marios Verschwinden muss kurz nach meiner Versetzung von Oldenmoor zum LKA passiert sein, weil ich selbst nichts davon erfahren habe. Wie gesagt, übermorgen bin ich sowieso in Oldenmoor und werde bei der Gelegenheit meine Ex-Kollegen befragen. Also, Leute, mal sehen, was wir noch herausfinden! An die Arbeit!«

       2. ›Hein Gröhl‹

      Da es bereits kurz nach fünf Uhr nachmittags ist, hat Nili heute ausnahmsweise Glück und findet sofort einen freien Parkplatz für ihren Cross Polo gleich gegenüber der Bezirkskriminalinspektion Itzehoe an der Großen Paaschburg. Sie betritt das Gebäude und der Beamte am Empfang winkt ihr freundlich zu, greift zum Telefon und zeigt zugleich mit erhobenem Zeigefinger in Richtung der Treppe, die ins Obergeschoss führt. Nili winkt mit ebenso freundlichem Lächeln zurück, sie ist ja keine Unbekannte in dieser Behörde. Oben kommt ihr Kriminaloberrat Heinrich Stöver mit ausgestreckter Hand entgegen und begleitet sie in sein Büro.

      »Es freut mich sehr, Sie schon wieder zu sehen, sehr geehrte Frau Hauptkommissarin! Nehmen Sie bitte Platz. Was darf ich Ihnen anbieten? Tee, Kaffee, Wasser, einen Fruchtsaft?«

      »Danke, Herr Kriminaloberrat, ein Glas kaltes Mineralwasser, wenn möglich.«

      Nachdem Stöver ihre Bitte aus seinem Kühlschrank erfüllt und sich selbst von der Karaffe mit schwarzem Tee bedient hat, setzt er sich. »Sie kommen also in der Sache der Vermissten Frau Heide Mertens. Bedauerlicherweise kann ich Ihnen nicht viel aus eigenem Wissen berichten. Sehen Sie, ich war damals Ausbilder und Dozent an der Polizeischule in Eutin, ich lehrte dort Polizeirecht, Deutsche Geschichte und Englisch, als ich ohne irgendwelche Vorwarnung hier nach Itzehoe versetzt wurde, um den plötzlich erkrankten Kollegen Thumann kommissarisch zu vertreten. Als ich hier eintraf, waren bereits mehrere Monate seit dem Verschwinden des Mädchens vergangen und die ermittelnden Kriminaloberkommissare Gehrke und Neumann traten auf der Stelle – es fanden sich einfach keine neuen Spuren. Auch als wir die beiden Kieler Kollegen der Moko II zur Unterstützung dazubekamen, ergab dies nichts wirklich Brauchbares. Als dann auch noch KOK Gehrke aufgrund lebensgefährlicher Messerstiche, ausgeführt von einem Drogenabhängigen, verletzt ausschied und Neumann wegen der anstehenden Polizei-Strukturreform in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde, stand ich hier sprichwörtlich vor einem Scherbenhaufen. Deswegen blieb unserem damaligen Staatsanwalt Doktor Pepperkorn nichts anderes übrig, als die Ermittlungen zu besagtem Fall vorerst auf Eis zu legen. Zu jener Zeit geschahen einige andere Fälle, denen wir uns ebenso dringend widmen mussten, und unsere knapp gewordene Belegschaft war an allen Stellen im Übermaß gefordert. Mit der Strukturreform wurde aus meiner hiesigen bis dahin vorübergehenden die endgültige – eine mir eher ungeliebte – Aufgabe, dieser Bezirksdirektion als deren Leiter vorzustehen. Vor allem der Aufbau einer neuen Kripo hielt mich in Atem. Wenigstens hatte ich das Glück, dass die tüchtigen Kriminaloberkommissare Hauke Steffens aus Oldenmoor und Dörte Westermann, die ich von der hiesigen Schutzpolizei holte, zu uns kamen, um den neuen Kader aufzubauen. Ich brauche Ihnen ja nicht zu verraten, dass ich mich selbst für solch eine Führungsposition nicht gerade als einen von der Natur befähigten Menschen halte. Mir ist sehr wohl bekannt, dass meine Beamten meine oft ungehaltene und schroffe Art missbilligen.« Er schaut Nili prüfend an und fährt dann fort. »Sehen Sie, der liebe Gott hat mich nicht gerade mit einer normalen Dosis an Langmut beglückt, im Gegenteil, meine Geduldschwelle ist eher niedrig ausgefallen. Etwaige Nachlässigkeit, Inkompetenz oder das Fehlen von schnellen und brauchbaren Hinweisen machen mich wütend, und entsprechend ungehalten sind meine Reaktionen. Mir ist nicht verborgen geblieben, dass man mich deswegen eher fürchtet als achtet und mich hinterrücks mit einem nicht gerade gefälligen Spitznamen bedacht hat. Ich sehe, Sie lächeln, geschätzte Frau Masal, und glauben Sie mir, ich bin darüber gar nicht einmal erbost – immerhin verfüge ich trotz allem über eine gewisse Portion Humor –, denn der ›Hein Gröhl‹ trifft eigentlich den Nagel auf den Kopf!«

      »Chapeau, Herr Kriminaloberrat! Ich hätte wirklich nicht gedacht, dass Sie das derart sportlich hinnehmen! Aber im Gegensatz zu Ihnen glaube ich schon, dass man Ihre Arbeit schätzt und würdigt. Jedenfalls darf ich hier zum Beispiel Staatsanwalt Pepperkorn zitieren, der gelegentlich über Sie urteilte: ›Wenn er wieder heruntergekommen ist, ist er ein sehr wacher und prima Polizist!‹

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