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zugänglich. Horkheimer und Adorno sprechen in der Dialektik der Aufklärung von der „Entzauberung der Welt.“18

      Doch was ist Magie genau?

      Das Lexikon des Mittelalters definiert Magie folgendermaßen:

      Magie beruft sich als Denksystem auf die Vorstellung von den sympathetischen Strukturen des Kosmos. Die Verwobenheit von Makro- und Mikrokosmos schafft ein Netz von Kommunikationsmöglichkeiten zwischen dem Menschen und den Göttern bzw. Dämonen, wobei das magische Ritual eine bild- und zeichenhafte Handlung für diese ausführenden medialen Wesen darstellen.19

      Das symbolische Denken hat allerdings nicht nur in der Magie, sondern auch in der Denkweise des Mittelalters eine hohe Bedeutung. Das gesamte Mittelalter war durch symbolisches Denken geprägt. Jedes Zeichen ist mit einem realen Gegenstand identisch.20 Nach Neiske gaben „das allegorische Denken und die vielfältigen Interpretationsmöglichkeiten […] Sichtbarem und Unsichtbarem eine nahezu gleichartige Wirklichkeit.“21

      Im neoplatonischen Denken war „alles irdische Sein […] ‚Abbild‘ des Himmlischen.“22 Jedes Ding hatte sein Abbild im himmlischen Bereich, „aus dem es hervorgegangen war und auf das es allein durch seine Existenz symbolhaft-ontologisch zurückverwies.“23 Auch der Mensch war als „Mikrokosmos ‚Symbol‘ der Schöpfung.“24

      Für den mittelalterlichen, aber auch für den „archaischen Menschen“25 ist „das Symbol […] realer Inhalt, in sich Wirklichkeit und folglich ein unentbehrlicher Faktor des Denkens und Handelns.“26 Nach Gadamer verweist „das Symbolische […] nicht nur auf Bedeutung, sondern lässt sie gegenwärtig sein; es repräsentiert Bedeutung.“27 Des Weiteren „[meint] Repräsentation […] nicht, dass etwas stellvertretend oder uneigentlich und indirekt da ist, als ob es ein Substitut, ein Ersatz wäre.“28

      Hier ist es egal, ob im magischen Ritual eine Puppe den zu bezaubernden Menschen repräsentiert oder ob in der Eucharistie Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi transformiert werden. Die Puppe ist im Ritual dieser Mensch, Wein und Brot sind der Leib und das Blut Christi.29

      Alle magischen (und auch religiösen) Gesetze ziehen Kausalverbindungen, die nicht auf den allgemeinen Gesetzen der Logik beruhen. Irmgard Hampp sagt, das kausal Erscheinende sei „ein rein assoziativer Analogieschluß, weil primitives Denken vor allem assoziatives Denken nach äußeren Analogien“30 sei. Diese Denkweise zeigt sich auch in den Grundprinzipien der Magie, die in Kapitel 4.1. noch genauer erläutert werden.

      Des Weiteren kann man „Magie als willentliche Einflussnahme auf den Menschen (z. B. Schaden-Liebeszauber), auf die Umwelt (z. B. Wetterzauber) und als Reaktion auf alltägliche Bedürfnisse […]“31 ansehen.

      Magie und Zaubersprüche dienen hauptsächlich dazu, die nächste Umwelt des Menschen zu beeinflussen. Nach Irmgard Hampp setzt der Glaube an Magie ein Denken voraus, das „alle Dinge zur eigenen Person in Beziehung setzen läßt.“32 Die nächste Umgebung des Menschen, also „Familie, Haus und Hof, Nachbarschaft, Dorf oder Stadt“33, beschäftigt ihn am meisten. Um diese Umgebung kreisen die Gedanken des Menschen und wie er diese für sich positiv beeinflussen kann.34

      Die Zaubersprüche lassen sich in solche einteilen, die Hilfe gegen ein bestehendes Problem, zum Beispiel gegen eine Krankheit, bringen oder die vorbeugend, zum Schutz, dienen sollen. Des Weiteren nützen Zaubersprüche auch dazu, sich selbst einen Vorteil gegenüber anderen zu verschaffen oder gar um anderen Schaden zuzufügen.35 Der Zauberspruch soll also „Schutz und Hilfe, Vorteil und Schaden“36 bringen und Einfluss auf den Anwender selbst, aber auch auf seine Mitmenschen sowie auf Tiere, Pflanzen und Wetterbedingungen ausüben.37

      Die meisten der überlieferten Zaubersprüche beziehen sich auf die Heilkunde. Zu diesem Zweck gibt es Zaubersprüche für diverse Erkrankungen, die gleichzeitig für Mensch und Tier genutzt wurden. Da Tiere ebenfalls von Krankheiten betroffen waren, wurden die Zauber- und Segenssprüche auch auf sie angewandt. Bis ins 19. Jahrhundert und darüber hinaus versuchten die Bauern den ländlichen Alltag mit Zaubersprüchen zu beeinflussen.38 Das menschliche Urbedürfnis, das eigene Leben und den Besitz zu schützen, lässt Menschen zu Sprüchen Zuflucht nehmen, mit denen man das Haus segnen, es vor einem Brand schützen und vor bösen Menschen bewahren kann.39

      Anhand der überlieferten Zaubersprüche lässt sich ein Sachverhalt schnell erkennen. Zaubersprüche beziehen sich in der Regel auf profane Probleme, die sich aber durch Kontakt mit dem „Numinosen“40 lösen sollen. Wolfgang Hartung sieht „die schier unauflösliche Verflechtung von Profanem und Heiligem“41 als charakteristisch für die Weltsicht des „archaischen Menschen“ an. Wer ist aber der „primitive“ oder der „archaische Mensch“? Mircea Eliade definiert den „archaischen Menschen“ als Menschentyp, für den „der Mythos die eigentliche Grundlage des gesellschaftlichen Lebens und der Kultur“42 darstellt.

      Magie wird aber vor allen Dingen für Bereiche des Lebens angewandt, die unsicher sind, wie zum Beispiel „Krieg und Liebe sowie bestimmte Mächte des Schicksals und der Natur, wie Krankheit, Wind und Wetter.“43 Bei Vorgängen oder Tätigkeiten, bei denen „die Tätigkeit sicher, zuverlässig und unter der Kontrolle von rationalen Methoden und technischen Prozessen steht“,44 wird Magie nicht ausgeübt. Anlass für eine Magieausübung sind immer Bereiche, in denen „das Element der Gefahr“45 ersichtlich ist, zum Beispiel bei der Jagd oder bei einem schwierigen Herstellungsprozess.46

      Magie ist hier eine „wesentliche kulturelle Funktion“,47 da sie hilft, „Lücken und Unzulänglichkeiten zu überbrücken […], die vom Menschen noch nicht völlig beherrscht werden.“48 Dies geschieht, indem die Magie dem „primitiven Menschen“49 Selbstvertrauen einflößt. Er wird mit „einem festen Glauben an seine Erfolgskraft“50 unterstützt und die Magie befähigt ihn, „seine lebenswichtigen Aufgaben zuversichtlich auszuführen.“51

      Magischen Handlungen liegt eine bestimmte psychische Disposition zugrunde. Irmgard Hampp nennt den „magischen Glauben“52 im Gegensatz zum „religiösen Glauben“53 als Grundvoraussetzung dafür, Magie auszuüben. Im religiösen Glauben unterstellt sich der Mensch der göttlichen Macht und akzeptiert, dass er auf das Schicksal keinen Einfluss hat. Im magischen Glauben will der Mensch Einfluss nehmen, indem er versucht, eine übersinnliche Macht zu zwingen.54 Der Ausdruck des religiösen Glaubens ist, neben anderen Riten, das Gebet. Der magische Glaube drückt sich, neben anderen Formen der Magie, im Zauberspruch aus.55 Hampp bezeichnet die Magie als „Vorstufe der Technik“56, da der Zaubernde danach strebt, die „geheimen Mächte“57 zu kontrollieren und für sich zu nutzen. Magie ist der Versuch „des Menschen, die Welt zu begreifen, sich ihrer zu bemächtigen und sie zu bewältigen.“58 Nach Irmgard Hampp existieren die religiöse und die magische Weltsicht nicht getrennt voneinander, sondern als „ursprüngliches Neben- und Ineinander.“59 Beide Glaubensformen weisen Ähnlichkeiten auf:

      Beide [Glaubensformen] werden hervorgetrieben aus dem Gefühl der Abhängigkeit vom Numinosen, von übersinnlichen Mächten, und in beiden reagiert der Mensch auf das Abhängigkeitsgefühl mit einer Hinwendung zu diesen Mächten, sei es im Gebet, sei es im Zauberspruch.60

      Da beide Glaubensformen sehr ähnlich sind und religiöse und magische Handlungen ähnliche Formen haben, ist es manchmal schwer, sie exakt voneinander abzugrenzen. Ein gravierender Unterschied zwischen religiösem und magischem Denken ist aber die innere Haltung. Der Zaubernde will etwas (er)zwingen, der Betende bittet darum.

      Es

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