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ist sehr nett von Ihnen. Danke. Aber ich muss mit meinen Problemen selbst fertig werden“, flüstere ich und schenke ihm ein mattes Lächeln.

      „Manchmal hilft Reden. Kann den Focus verändern“, flüstert er zurück.

      Unser leises Gespräch scheint uns irgendwie zu verbinden. Eine winzige, geheime Gemeinschaft unter Schlafenden. Ich merke, wie ich mich langsam entspanne. Mein Herz schlägt wieder gleichmäßig und die Angst verschwindet. Ich fühle mich geborgen.

      „Es geht schon wieder besser.“

      „Das freut mich. Dann noch eine gute Nacht.“ Er rückt wieder von mir weg, nimmt die Brille von der Nase und schließt die Augen.

      Ich drehe meinen Kopf ein wenig zu ihm und betrachte ihn verstohlen von der Seite. Seine dunklen, lockigen Haare scheinen ein Eigenleben zu führen, denn sie kringeln sich widerspenstig in seine Stirn. Ein ovales Gesicht, mit einem Rest von Bräune, wahrscheinlich vom letzten Skiurlaub. Er scheint ein humorvoller Mensch zu sein, davon zeugt das Netz von Lachfalten, das sein Gesicht durchzieht. Ein Mann, an den man sich anlehnen kann.

      Fühle ich mich bei Clemens geborgen? Er hätte nie auf diese Weise reagiert. Probleme anderer Leute? Nur bei Bezahlung und auch nur in der Kanzlei. Meine Probleme? Damit bin ich bis jetzt immer zu Konrad gegangen. Merkwürdig, dass mir das erst jetzt richtig bewusst wird. Energisch lenke ich meine Gedanken von ihm weg. Nicht jetzt!

      Das Buch der Peruanerin. Mit dem muss ich mich auseinandersetzen.

       Kapitel 8

      Meine Gedanken driften wieder zurück zu dem Samstag, als Konrad mir das Buch in die Hand drückte und mich eindringlich bat, es zu lesen.

      Ich sehe mich in meinem Lieblingssessel sitzen. Das Buch lehnte an meinen Knien und ich tauchte ein in die Geschichte der Peruanerin.

      Das erste Kapitel erzählte, wie sie ihren Mann kennenlernte. Ein junger Anwalt, der in der Kanzlei ihres Vaters arbeitete und der ihr, wie sie schrieb, schon bei der ersten Begegnung den Kopf verdreht hatte.

      Ich überflog die beschriebenen Details, las über ihre Hochzeit und über den Kinderwunsch, der sich in den ersten Jahren nicht erfüllte. Ich blätterte weiter, überschlug wieder einige Seiten.

      Mittlerweile wurde es draußen langsam dunkel. Ich schaltete meinen Lesestrahler an und ging in die Küche, um mir zwei Brote zu streichen. Ich hatte Hunger, denn seit dem Stückchen Kuchen am späten Vormittag hatte ich nichts mehr gegessen. Um keine Zeit zu versäumen, nahm ich die Brote mit in meine Leseecke.

      Nach einem großen Schluck Kräutertee, nahm ich das Buch wieder zur Hand. Der Schreibstil und die Sprache gefielen mir, spannend war es auch, doch bis jetzt konnte ich noch nicht erkennen, was dieser Roman mit mir zu tun haben sollte. Was mich allerdings ein bisschen verwirrte, war, dass ich beim Lesen meinte, die Stimme meiner Mutter zu hören, und dass ich das Gefühl hatte, als sei es ihr Leben, über das ich las.

      Und dann wurde es mit einem Mal spannend. Der Wohnsitz der Familie hätte nach Beschreibung der Autorin unsere Villa sein können.

      Mein Herz schlug schneller. Was hatte das zu bedeuten?

      Warum hatte Konrad es mir gegeben? Wegen dieser Ähnlichkeiten?

      Und es wurde noch interessanter.

      Sie beschrieb einen anderen Mann, der ihr sehr nahe stand. Keinen Liebhaber, sondern einen Jugendfreund, mit dem sie sich gut verstand und der sie in die Welt der Bücher einführte. Er hatte einen Buchladen, in dem sie ihn bei ihren Einkäufen in der Stadt des Öfteren besuchte.

      Die Beschreibung hätte auf Konrad passen können, nur dass der Freund einen anderen Namen trug.

      Der Roman wurde mir immer suspekter, nein, er wurde mir immer unheimlicher, je mehr Gemeinsamkeiten mit meiner Mutter auftauchten.

      Auch das nächste Kapitel, in dem sie schilderte, dass dieser Freund sie ermunterte, ihre Geschichten und Märchen an einen Verlag zu schicken. Sie entwickelte sich zu einer beliebten und erfolgreichen Kinderbuchautorin.

      Ich klappte das Buch zu, erleichtert darüber, dass der Text darin eingesperrt blieb, bis ich entscheiden würde weiterzulesen. Meine Hände zitterten und mein Herz klopfte holperig.

      Das könnte meine Mutter geschrieben haben, wenn sie nicht tot wäre. Ach Quatsch! Aber es sind Ähnlichkeiten vorhanden, wahrscheinlich hatte Konrad das gemeint.

      Eine Frau, die ein ähnliches Leben wie meine Mutter geführt hatte oder sollte ich eher sagen, eine Frau, die das Leben meiner Mutter geführt hatte?

      Ich schüttelte über meine verwirrten Gedanken den Kopf. Das nahm langsam bedenkliche Formen an. Das waren Zufälle, nichts als simple Übereinstimmungen, die nichts zu bedeuten hatten.

      Das Telefon klingelte. Ich nahm das Gespräch an, froh für die Unterbrechung.

      „Hier Konrad. Hast du schon mit dem Roman angefangen?“ Ein leichtes Vibrieren war in seiner Stimme zu hören.

      „Ja.“

      „Und? Wie weit bist du?“

      „Dass sie Kinderbücher schrieb“, antwortete ich knapp. „Aber ich weiß nicht, was das Buch mit mir zu tun haben soll. Es geht mir auf die Nerven.“

      „Ich komme vorbei. Lies weiter und dann blättere auf Seite 215. Da wird es interessant! Bis später.“

      Bevor ich noch etwas sagen konnte, hatte er schon aufgelegt.

      Seufzend begab ich mich ins Schlafzimmer und zog eine andere Hose an. Der Pulli konnte bleiben, entschied ich.

      Zurück im Wohnzimmer setzte ich mich wieder in meinen Sessel und schlug die nächste Seite auf.

      Endlich war sie schwanger. Sie freute sich sehr darauf und die Ehe schien ein bisschen besser zu werden.

      Der nächste Satz brachte mich völlig aus dem Konzept. Schnell blätterte ich weiter und schlug die Seite auf, die mir Konrad empfohlen hatte.

      Dieses Kapitel, das ich mit klopfendem Herzen überflog, setzte dem Ganzen die Krone auf. Die Autorin beschrieb, wie sie mit ihrem Mann Urlaub in Peru machte.

      Wie meine Mutter!

      Sie war anscheinend gar keine Peruanerin.

      Mittlerweile klopfte mein Herz wie verrückt und ein dumpfer Druck breitete sich in meinem Magen aus. Ich klappte das Buch zu und trug es in den Flur. Nur weit weg. Das konnte doch nicht sein! Das waren zufällige Übereinstimmungen, mehr nicht.

      Ich ging aufgeregt hin und her. Hoffentlich kam Konrad bald. Das Buch würde ich nicht mehr aufschlagen. Ich merkte, wie eine diffuse Angst von mir Besitz ergriff.

      Aber was ist denn los, fragte ich mich. Um mich abzulenken, ging ich in die Küche und schaltete den Wasserkocher an. Ein Lavendeltee würde mir sicher guttun. Gerade als ich das heiße Wasser über den Teebeutel goss, klingelte es an der Haustür. Ich betätigte den Türöffner und kurz darauf erschien Konrad.

      „Hallo, meine Süße, da bin ich und schau, was ich uns mitgebracht habe.“ Er schwenkte eine Rotweinflasche hin und her.

      „Den kann ich brauchen“, brachte ich leicht ächzend heraus.

      Konrad sah mich ernst an. „Du hast es also gelesen?“

      Ich ging voraus in die Küche, wo ich meinen Tee, zwei Rotweingläser und den Flaschenöffner auf das Tablett stellte. Konrad blieb mir dicht auf den Fersen.

      „Und, hast du?“

      „Ja, ich hab’s gelesen.“

      Wir gingen ins Wohnzimmer. Konrad ließ sich mit einem tiefen Seufzer in den Sessel sinken. Ich kuschelte mich auf das Sofa, das ihm gegenüberstand und blickte ihn erwartungsvoll an.

      „Was bedeutet das alles?“, fragte ich.

      „Was denkst du?“, stellte

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