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„Es ist ja möglich, dass sie diese Beweise in seiner Wohnung gesucht haben.“

      „Aber was ist mit Thomas selbst geschehen?“, argwöhnt Nili, jetzt ebenfalls besorgt. „Ob sie ihn vielleicht entführt haben?“

      „Das ist denkbar, aber wenn, dann wohl nicht von hier aus, dafür gibt es keine Spuren.“ Waldi denkt weiter. „Wenn sie ihn allerdings irgendwo anders geschnappt haben sollten, dann wären sie so an seine Wohnungsschlüssel gelangt und hätten damit hineingekonnt, ohne Spuren zu hinterlassen.“

      Die beiden Polizeifahrzeuge ziehen an ihnen vorbei und Lattermann winkt ihnen freundlich zu.

      Nili wartet, bis die Autos um die Ecke gebogen sind. „Kommt, lasst uns noch einmal in die Wohnung gehen, vielleicht finden wir etwas, was sie übersehen haben.“

      „Bist du verrückt?“, kontert Waldi. „Erstens haben wir keinen Schlüssel, und zweitens ist die Wohnung versiegelt!“

      „Du irrst, mein Lieber!“, antwortet Nili mit einem breiten Lächeln. „Hinter der Haustür hing an der Wand ein Zweitschlüssel, den habe ich heimlich in meine Tasche gesteckt. Und der Kleber des Siegels ist sicherlich noch nicht ganz fest. Also los!“

      Lautlos schleichen sie die Treppe hinauf. Vorsichtig löst Nili das Siegelband vom Türrahmen, der Schlüssel passt. „Wonach suchen wir überhaupt?“, fragt Melanie.

      „Nach einem USB-Stick zum Beispiel“, meint Waldi.

      Sie gehen alles durch, aber es ist nichts Verwertbares zu finden. Waldi geht an die Musikanlage, öffnet das Fach des CD-Players und sieht darin ein Album der Beatles. „Sieh mal, Nili, eine meiner Lieblingsgruppen!“

      Nili nickt, hat aber ein Gedankenblitz. „Wo ist die Hülle zu dieser CD?“

      Sie suchen und finden die gesuchte Hülle von „Help!“, einem Digital-Remastering, in einem an der Wand neben der Anlage befestigten Bord. Darin steckt eine selbst gebrannte CD mit dem von Hand geschriebenen Titel „Meine Lieblingsmelodien“.

      „Eureka!“, ruft Melanie begeistert und steckt die Beatles-Hülle samt Inhalt in ihre Tasche. „Ich darf doch, oder?“

      „Aber selbstverständlich, Melanie. Wenn überhaupt etwas Brauchbares drauf sein sollte, sind es jedenfalls Interna aus deiner Kanzlei“, beruhigt sie Waldi. „Lasst uns jetzt aber schleunigst von hier verschwinden!“

      „Moment noch!“, ruft ihnen Nili aus dem Badezimmer zu, als sie schon im Hinausgehen sind. Sie wickelt einige Blätter von der Toilettenpapierrolle ab, packt eine Haarbürste darin ein und steckt diese vorsichtig in ihre Manteltasche. Dann verlassen sie die Wohnung von Thomas Greve so leise, wie sie hineingekommen sind, schließen die Tür ab und kleben behutsam das Siegelband wieder an seinen Platz.

       *

      Reporterin Anja Sieberth vom Kieler Tageblatt und ihr ständiger Begleiter, Fotograf Andreas Maler, sitzen in seinem alten Volvo Kombi.

      „Da kommt sie!“, meldet Anja. „Lass mich besser erst mir ihr allein sprechen. Wenn ich was Nützliches erfahre, rufe ich dich sowieso.“ Dann steigt sie rasch aus und geht der Frau hinterher. „Hallo, Steffi!“, grüßt sie, als sie diese eingeholt hat. „Ach, Anja, du bist es! Kann mir schon denken, weshalb du mich verfolgst!“

      „Ich weiß, ich weiß, Steffi, aber das, was euer Boss Harald Sierck bei der Pressekonferenz verlauten ließ, war ja doch mehr als mager. Gibt es wirklich nichts Weiteres über diese ‚grausam geköpfte Förde-Leiche‘ zu erfahren?“ Derart betitelt ihr Blatt den makabren Kadaverfund in seiner heutigen Ausgabe.

      „Ehrlich, Steffi, wir wissen noch nicht, um wen es sich handelt. Eine Vermisstenmeldung liegt uns bis dato nicht vor und neue Spuren konnten auch nicht gefunden werden. Die KTU hat alles sehr gründlich abgesucht und der Pathologe hat berichtet, was er ohne den Kopf und die Hände des Opfers sagen konnte. Wir tappen wirklich komplett im Dunkeln. Das Letztere bleibt natürlich unter uns – versteht sich doch, oder?“

      Anja nickt. Sie sieht nochmals in ihrem Notizblock nach. „Also: nicht identifizierte männliche Leiche, Alter um die vierzig, geschätztes Gewicht circa achtzig Kilo, wahrscheinlich etwa einssiebzig bis einsfünfundsiebzig groß, Schuhgröße dreiundvierzig. Vermutlich kurz vor der Silvester-Mitternacht nach Besuch der NDR-Fete mit einer Axt oder ähnlicher Tatwaffe hingerichtet. Tatort noch unbekannt.“

      „Das hast du ja alles gut zusammennotiert. Du kannst doch wirklich nicht behaupten, mein Kriminalrat hätte euch nicht genügend Daten geliefert. Dann zieh mal los und mach daraus einen spannenden Bericht. ‚Wer war der geheimnisvolle Tote, der vom Axt-Mörder bestialisch hingerichtet wurde?‘ Ihr seid doch die Gruselspezialisten!“

      „Schon gut, aber Fotos haben wir keine, leider!“

      „Wäre prima, wenn wir welche hätten!“ Kriminaloberkommissarin Steffi Hink hat einen Einfall. „Sag mal, Anja, warst du mit deinem Adlatus Maler nicht Silvester in der Halle 400, und hat er nicht dort fotografiert? Könnte ich Kopien von den Fotos haben?“

      „In Ordnung, Steffi. Du musst mir aber heilig versprechen, mir als Erste Neuigkeiten in dem Fall mitzuteilen. Dann lasse ich dir die Bilder zumailen.“

      „Abgemacht, versprochen!“

      „Ich bringe Ihnen heute meinen Obduktionsbericht persönlich vorbei, Herr Kriminalrat.“ Gerichtsmediziner Professor Klamm überreicht Harald Sierck die Akte.

      „Welch eine Ehre, sehr geehrter Herr Professor, herzlichen Dank!“

      „Na ja, es hat sich einfach so ergeben, ich hatte hier in der Nähe zu tun, da dachte ich mir, ich schau mal kurz herein und begrüße Sie. Außerdem haben wir bei der toxikologischen Analyse inzwischen eine bedeutsame Entdeckung gemacht.“

      „Prima, Herr Professor, darf ich gleich meine Mitarbeiter dazuholen, die den Fall bearbeiten?“ Sierck greift zum Telefon. Kurz darauf kommt Oberkommissar Sascha Breiholz ins Zimmer und begrüßt Professor Klamm. „Wo ist KOK Hink?“

      „Sie ist gerade außer Haus gegangen, wollte aber bald wieder da sein!“

      Wie auf ein Stichwort stürzt Steffi Hink herein. „Tut mir leid, Chef, ich musste nur kurz etwas erledigen. Hallo, Herr Professor, Sie hier?“

      „Ja, da staunt ihr, nicht wahr? Der Herr Professor ist so nett und bringt persönlich seinen Obduktionsbericht vorbei und hat uns obendrein etwas Bedeutendes mitzuteilen. Dann sperrt man die Lauscher ganz groß auf!“

      „Also“, begann Professor Klamm, „als wir die Leiche obduzierten, fanden wir glücklicherweise einen Rest Urin in der Blase des Verstorbenen. Wir haben diesen vorsichtshalber sofort eingefroren und zur Untersuchung in unser toxikologisches Labor geschickt. Dort konnte unsere wackere Frau Siemsen mit Hilfe der Gaschromatografie gerade noch winzige Spuren von Gamma-Hydroxynbuttersäure nachweisen. Das war ein Glücksfund, denn dieser Stoff, auch ‚Liquid Ecstasy‘ oder ‚K. O.-Tropfen‘ genannt, baut sich normalerweise binnen weniger Stunden im Körper ab. Weil aber das Wasser der Förde nur etwa 5 Grad Celsius hatte, ist es wahrscheinlich diesem Umstand zu verdanken, dass diese Reste überhaupt noch nachgewiesen werden konnten.“

      „Also, was sagt uns das, Leute?“ Sascha Breiholz fasst zusammen: „Nun, folgendes Szenarium wäre denkbar: Das Opfer ist bei der NDR-Silvesterfete. Irgendjemand schüttet ihm K. O.-Tropfen in seinen Drink. Willenlos geworden, wird er unauffällig aus der Halle 400 herausgeschleppt und man verfrachtet ihn zum Tatort, haut ihm Kopf und Hände ab und wirft den Leichenrest in die Förde.“

      Stilles Nachdenken.

      „Ja, könnte passen.“

      Sierck und Klamm nicken.

      Steffi Hink meint dazu: „Aber: Wer war der Tote? Motiv für die Tat? Wo ist der Tatort? Und natürlich: Wer ist oder sind die Täter?“

      „Genau das sollt ihr jetzt herausfinden!“ Kriminalrat Sierck setzt hinzu: „Also los, an die Arbeit, Leute!“

      „Und

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