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bemerkte, dass du Greve aus der Schulzeit kanntest?“

      „Ja, in der Tat.“ Während sie ihren Cappuccino schlürfen, erzählt Nili, dass sie gestern mit ihrer Freundin Melanie Westphal – die sie ja vom Mordfall des Bruders auch kennen und bei der sie im Hause wohnt – zu Abend gegessen hat und diese das Verschwinden ihres Angestellten erwähnte. Sie rief dann bei Thomas’ Eltern in Sankt Margarethen an, aber diese wussten ebenso wenig über den Verbleib des Sohnes. Darauf beschlossen sie, ganz spontan mal in dessen Wohnung nachzusehen, und stellten dabei den Einbruch fest. Sie alarmierten dann sofort die Polizei.

      Steffi lächelt. „Okay, so weit die offizielle Version. Und was war da noch? Wir wissen, Melanie und du wart in Begleitung von Waldi Mohr dort, stimmt’s? Er war es immerhin, der bei Lattermann anrief und den Einbruch meldete.“

      Nili fühlt die starke Hitze, die an ihren Ohren emporsteigt. Nur gut, dass sie die Wollmütze darüber aufhat. „Na ja, stimmt, hatte ich das nicht bereits erwähnt? Habt ihr übrigens schon eine Spur von Thomas?“

      „Leider nein, deswegen führen wir ja dieses Gespräch.“

      Nili überlegt einen Moment, greift in ihre Manteltasche und holt die in Klopapier eingewickelte Haarbürste hervor. „Hier, vielleicht hilft euch das weiter. Fragt mich bitte nicht, warum ich sie an mich genommen habe, es war eine automatische Eingebung, aber ich musste auf die Toilette, und als ich da saß, fiel mein Blick auf diese Bürste. Vielleicht könnt ihr mit der DNA etwas anfangen.“

      Sascha fixiert Nili. „Danke, könnte uns vielleicht weiterhelfen. Hast du noch etwas für uns?“

      Nili überlegt rasch, wie weit sie ihre Kollegen einweihen darf. „Mm, ja. Jetzt, wo du fragst, Sascha. Vor etwa zwei Wochen rief mich Thomas auf meinem Handy an. Er meinte, er habe da etwas Sonderbares bei einem der Kanzleimandanten entdeckt und wolle sich mit mir, allerdings wegen der ihm gebotenen Schweigepflicht nur ganz inoffiziell, beraten. Ich war damals sehr beschäftigt, also vereinbarten wir, dass er mich Anfang Januar nochmals anrufen würde, was allerdings bis heute nicht geschehen ist.“

      „Ist das alles?“

      „Ich wüsste wirklich nicht, was da noch sein könnte“, schwindelt sich Nili haarscharf davon.

       *

      Äußerst gespannt sitzen Heinz Westphal, Ehefrau Antje und Tochter Melanie in ihrem Wohnzimmer vor dem Bildschirm von Melanies Laptop. Diese hat bisher vergebens versucht, den Zugangscode zu den gespeicherten Dateien auf der CD-ROM herauszufinden, die Thomas Greve so sorgfältig in seiner Wohnung kaschiert hatte. „Verflixt! Welches Passwort hätte er denn noch verwenden können?“ Sie haben schon alle möglichen ohne Erfolg eingegeben.

      „Lass uns eine Pause machen, Melanie, es hat ja so keinen Zweck!“, räsoniert Antje.

      „Ich glaube, deine Mutter hat recht. Am besten, jeder zieht sich jetzt in sein Stübchen zurück und notiert weitere Vorschläge, die ihm durch den Kopf gehen. Dann kommen wir später wieder zusammen und versuchen es noch mal.“

      „Hallo, Melanie, was gibt’s? Ich bin gerade beim Haarewaschen, ruf dich gleich zurück! Oder besser noch, komm doch zu mir rauf, wenn du zu Hause bist!“

      Einige Minuten danach klopft es an der Tür und Nili öffnet, während sie sich noch die Haare mit einem Handtuch trocknet. „Ich muss unbedingt zum Frisör, diese Mähne macht mich noch verrückt! Wenn Waldi doch nicht so sehr an meinen langen Haaren hängen würde, ich hätte lieber wieder einen kurzen Bubischnitt!“

      „Jetzt, in diesem kalten Winter? Eine Kurzhaarfrisur war doch eher für Südamerika angebracht!“

      „Hast recht, Melanie. Also, was hast du für mich?“

      Wortlos öffnet Melanie den Deckel ihres mitgebrachten Laptops und zeigt auf das Startmenü mit dem Titelbild der Beatles-CD. In dessen Mitte befindet sich der leere Rahmen, in den das geheime Codewort einzutippen ist, mit dem man den Zugriff auf die Dateien erhält. „Was hast du denn schon alles versucht?“

      „Hier ist die Liste!“ Nili schaut auf die etwa fünfundzwanzig Passwörter, mit denen sie es vergeblich versucht haben. „Mm, ‚Thomasgreve‘ hattest du schon. Versuchs mal mit den Namen der Eltern – ‚Magnusgreve‘, ‚Geschegreve‘ – oder der Schwester – ‚Swantjegreve‘.“

      Wieder kein Erfolg.

      „‚Tierarztgreve‘?“

      Ihnen wird der Zugriff verweigert.

      Nili geht selbst an die Tastatur und tippt nach weiteren fünf oder sechs Missgriffen „dr.swantje.greve“ ein. Es ertönt die bekannte Beatles-Melodie „Help!“ und dabei öffnet sich das Menü mit fünf Datei-Icons.

      „Mensch, Nili, das war mal wieder spitze! Wie bist du darauf gekommen?“

      Nili erzählt von dem ehemaligen Familiendrama der Greves, dass Thomas sein Veterinärmedizinstudium hinwarf, um auf BWL umzusatteln, und dass dann seine Schwester für ihn eingesprungen war.

      Auch nachdem die Westphals gemeinsam die von Thomas Greve gespeicherten Dateien durchgesehen haben, will ihnen nichts Besonderes auffallen.

      Heinz Westphal schüttelt den Kopf. „Er hat einfach einige Rechnungskopien und Aufzeichnungen aus den Steuererklärungsunterlagen der Tiedemann Holding kopiert und hier gespeichert. Ich kann daraus keine Unregelmäßigkeiten erkennen.“

      „Ja, schade, dass er es uns nicht persönlich erläutern kann“, bedauert Melanie. „Zu mir sprach er von besonderen Auffälligkeiten, die man nur zwischen den einzelnen Positionen herleiten könne, denn sie seien sehr geschickt getarnt worden. Es muss einen Grund dafür geben, dass er gerade diese Dateien so sorgfältig versteckt hat, sonst ergibt das Ganze ja eigentlich keinen Sinn!“

      „Tut mir leid, Melanie, ich kann hieraus keinen ernst zu nehmenden Zusammenhang erkennen. Jochen Tiedemann erschien mir immer als absolut integrer Kaufmann. Wenn ich irgendwelche Bedenken über Angaben oder Abrechnungen für die Steuererklärung bei ihm meldete, wurden diese sofort entweder berichtigt oder sogar zurückgezogen.“

      „Also, Papi, was wollen wir tun?“

      „Nichts mehr, mein Kind. Betrachten wir diese Sache als abgeschlossen, zumindest so lange, bis uns Thomas erklären kann, was ihm hier aufgefallen sein soll. Hoffen wir, dass er bald wieder auftaucht!“

       *

      Aufmerksam lauscht Oberstaatsanwalt Hinrich Harmsen dem, was ihm Kriminalrat Harald Sierck und seine Mitarbeiter Sascha Breiholz und Steffi Hink über den mysteriösen Mordfall in der Silvesternacht berichten. „Wir haben es mal wieder einem Zufall – oder vielleicht besser gesagt ebenfalls dem besonderen Spürsinn einer LKA-Mitarbeiterin – zu verdanken, dass wir heute mittels einer DNA-Analyse den unbekannten Toten endlich zweifelsfrei identifizieren konnten. Es handelt sich um den Steuerberater Thomas Greve, Jahrgang 1972, Sachbearbeiter bei der Steuerkanzlei Westphal, der nach dem ebenfalls erfolgten Einbruch in seine Privatwohnung als vermisst galt. Er besuchte zuletzt die Silvesterfeier in der Halle 400. Danach verliert sich allerdings seine Spur, die wir bisher leider noch nicht aufnehmen konnten, aber wir arbeiten hart daran.“

      „Welcher Zufall, und wen meinten Sie mit dieser LKA-Mitarbeiterin?“

      Sierck lächelt Harmsen breit an: „Die Kollegin sollte Ihnen eigentlich bestens bekannt sein, geehrter Herr Oberstaatsanwalt!“

      „Ach was! Sagen Sie bloß, es handelt sich um Kriminalhauptkommissarin Masal!“ Er lässt sich den bislang bekannten Hergang von den Kriminaloberkommissaren Steffi Hink und Sascha Breiholz ausführlich berichten. Nach einer Denkpause meint Harmsen: „Ohne Ihnen irgendwie auf die Füße treten zu wollen, geschätzter Herr Kriminalrat, was halten Sie davon, Frau Masal als Unterstützung hinzuzuziehen? Ich meine, sie kannte den Toten, ist mit Familie Westphal gut befreundet und wohnt sogar in deren Haus. Und wie Sie schon richtig bemerkten, besitzt sie einen ausgesprochen feinen Spürsinn. Das sollten wir nutzen, meinen Sie nicht auch?“

      „Was

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