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»Frauenkooperations-Seminare« sowie ein »Gleichstellungsaudit« gegen sexuelle Belästigung und begründet:

      »[Im] Erfolg von morgen […] die Hälfte der Menschheit übergehen zu wollen, halbiert die unternehmerische Energie und zerstört die Wurzel unternehmerischer Verhaltenskultur – das persönliche Engagement, Initiative mit Herz und Hirn« (60 f).

      Dies alles trifft jedoch die Frauenproblematik, welche mit der Weise zu tun hat, wie in einer Gesellschaft die Reproduktion von Menschen stattfindet und eingeplant ist, nur peripher. Waren Frauen im alten fordistischen Modell zuständig für die psychophysische Balance – für Freizeit, Gesundheit, Ernährung, Erziehung –, sind sie bei Hartz doppelt freigesetzt. Sie sind die Abhängigkeit vom Ernährer ebenso los wie diesen selbst. Jede kann sich gleichberechtigt in die Hochleistungsgesellschaft begeben und versuchen, die genannten Aufgaben an die Gesellschaft zu delegieren, die sie unter Privatisierungspraxen und Sozialstaatsabbau an sie zurückschickt, sodass sich in der Bewerbung ums Olympiateam sehr viele Behinderte finden, am Start mit Einkaufstüten und Babys im Arm. Kinder im alten Sinn tauchen kurz als Aufgabe auf, die mittels Training zu lösen ist, mit einer Anleitung, »wie werdende Eltern ihr individuelles ›work & life balance‹-Modell gestalten können« (60 f). Wieder geht es um Vereinbarkeit von Erwerbs- und Familienarbeit wie lange schon, diesmal als partnerschaftliches Konfliktmodell – da ist nichts, in das sich Gesellschaft einmischen müsste. Es ist offensichtlich, dass nur eine Minderheit von Frauen zu den Gewinnern zählen wird, während die Mehrzahl in Armut lebt, wie dies schon jetzt für die ›Alleinernährenden‹ der Fall ist. Die Zahlen im Mikrozensus von 2002 weisen Anteile von 68 Prozent, 70 Prozent und 80 Prozent Frauen bei Teilzeitarbeit, Niedriglohn-Jobs und Armut aus. Die doppelt freien Mütter bilden den Sockel der Armut. Dies geht natürlich nicht aufs Konto von Hartz, sondern entspricht einem Gesellschaftsmodell, in dem Natur als Steinbruch genutzt wird, in dem also die vorhandenen Ressourcen verbraucht werden, bis nichts bleibt. Frauen tragen durch ihren ›Naturanteil‹ an der Reproduktion die Effekte neoliberaler Revolutionierung von Gesellschaft mehr, haben mehr Grund gegen Hartz und seinen »neuen Menschentyp«, der auch die Agenda 2010 bestimmt, zu streiten.

      Gegen Hartz wird häufig eingewandt, er propagiere alte Familienwerte. Dies ist nur sehr bedingt richtig. Er benutzt vielmehr die mit Familie verbundenen Gefühle, um sein Projekt der »Job-Revolution« zu untermauern. Insofern kann auch sein Familiendiskurs als Studienobjekt für die Verschiebung von Sprache, Wörtern aus dem Gewohnten ins Profitunterworfene dienen. Es geht ihm darum, aus dem »beruflichen Umfeld ein Zuhause« zu machen, »die Heimat der Job-Familie« (78). »Job-Familien […] jagen der Zukunft voran« (72). Es gibt »Job-Eltern«, das sind Vorbilder in der Arbeit, »Job-Kids« (74), das sind die Lehrlinge. »Job-Familien sollen schon vom Wortsinn unterstreichen, dass ganz andere Bindungsformen nötig sind.« (75) »Im Zeitalter der Jobfamilien« werden Universitäten und Sozialleistungen »virtuell«. Auch ziehen »die Familienmitglieder neue Nachwuchskräfte an. In einer Job-Familie zu arbeiten, der die Zukunft gehört, macht Spaß« (78 f). Jeder hat »im Familien-Konzept […] einen persönlichen Entwicklungsplan« (79).

      Die Vorschläge der Hartzkommission gingen im Großen und Ganzen in die Agenda 2010 der Regierung ein, aber eigentümlicherweise nichts von Hartz’ Vision vom neuen Menschen. Da dieser aber das notwendige Fundament ist, auf dem die ganze Umgestaltung der Gesellschaft ruht, bleiben die Regierungspläne so bürokratisch leer, wie der Protest dagegen aus der defensiven Klage nicht herauskommt. Man sieht nur mehr die Kürzung von Renten, von Gesundheitsversorgung, von Bildung, von Sozialausgaben, von Arbeitslosengeld usw. Wie wäre es dagegen, sich in den Kampf um den neuen Menschen einzumischen? Wie wir uns als Menschen denken und imaginieren, wohin wir wollen, wer wir sind, dazu könnte man ein buntes Volksbegehren entfachen, streiten, mobilisieren, Stücke schreiben und Straßentheater aufführen, gar Charlie Chaplins Modern Times als Postmoderne Zeiten neu drehen. »Rennen, rackern, rasen«, »fit, fähig, flexibel, fantastisch« – ist dies der Traum, den wir für unsere Zukunft hegen?

      Das Merkwürdige ist, dass Reproduktionsarbeit weit weniger als Erwerbsarbeit unmittelbarer Gegenstand meiner politischen und wissenschaftlichen Forschungsarbeit wurde. Und doch gab es überhaupt keine Veröffentlichung, in der sie nicht irgendwo eine Rolle spielte. Indem sie nicht im Zentrum stand, stellte sie aber auch in Frage, ob es weiterführend sei, ein Zentrum anzunehmen. Das beginnt hier mit dem ersten Text, der sich autobiographisch-politisch die Frage nach der historischen Verortung der Frauenpolitik stellt, die wir betrieben haben. Man spürt die Notwendigkeit, einen Anker in der Geschichte zu finden, die Suche nach einem Vorbild, als das unsere Frauengruppe fast natürlich keine Hausfrau wählte – wo kämen die je als Vorbild vor –, aber eine Mutter, Pelagea (nach Brecht und Gorki). Aber diese sprengt alle gewöhnlichen Vorstellungen von Müttern, sie wird im Laufe der Handlung Revolutionärin, und auf diese Weise kommen alle großen Fragen nach Partei, Revolution und Staat vor. In diesem Aufsatz erfährt man, wie die Gruppe die eigenen Erfahrungen nicht wichtig fand und sie schließlich doch zur Grundlage weiterer Forschung und Politik machte; er zeigt auf diese Weise auch, wie die persönlichen Fragen zusammenhängen mit der Politik im Großen. Man erfährt, wie das Nachdenken über die Frau im Hause zur Frage nach der Macht im Staat wird, aber auch, dass diese Erkenntnis nicht praktisch werden kann ohne Selbstkritik und Selbstveränderung jeder Einzelnen. In einer Zeit, in der die Frage, was Feminismus sein könnte, wieder aktuell geworden ist, ist dieser Text eine notwendige Grundlage. – Der Beitrag zu Knabenspielen als Menschheitsarbeit stieß in die damalige feministische Debatte wie in ein Wespennest. Zunächst veröffentlicht in einer Diskussionszeitschrift, erhielt er eine geradezu niederdrückende Menge an zerreißenden Kritiken, die schwer nachzuvollziehen sind, wenn man ihn heute studiert. Offenbar wurde sein Grundimpuls durchaus verstanden, nämlich die gesamte Denkstruktur zum Verhältnis von Kapitalismus und Patriarchat, also auch die theoretischen Grundlagen des akademischen Feminismus umzustürzen und an die Stelle eine Theorie der Geschlechterverhältnisse zu setzen, die Letztere als Produktionsverhältnisse begreift. Man liest in den einzelnen Formulierungen noch leichtes Zögern. Ich habe das Thema nicht mehr losgelassen, sondern weiter daran gearbeitet und es zehn Jahre später in einem grundlegenden historisch-kritischen Beitrag veröffentlicht (vgl. HKWF 2003, 436 – 497; eine Kurzfassung folgt am Schluss dieses Buches). Die Vier-in-einem-Perspektive taucht hier als eine Art visionärer Horizont und noch etwas unfertig als Leitfaden praktischer Politik auf. – Der Beitrag zur Neuen Mitte scheint veraltet, da er über Schröder und Blair spricht, ist jedoch hochaktuell. Im Zentrum stehen die Familienvorstellungen des Blair-Beraters Giddens; aus ihnen werden scharfe Maßstäbe für eine sozialistische Politik entwickelt, an denen auch die Auffassungen von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi gemessen werden. Keine der Fragen an sie ist überholt. – Der vierte Text scheint die Ebene der großen Politik zu verlassen, um sich in die Niederungen alltäglicher Erfahrungen zu begeben. Er ist ein Experiment, indem er ganz persönliche Erlebnisse mit sozialpolitischen Analysen im Großen in den Umbrüchen des Gesundheitswesens verknüpft. In dieser Weise ist er auch ein Vorschlag an alle, selbst so zu verfahren, um in schwierigen Situationen handlungsfähig zu bleiben. Schwäche wird als Analysemittel benutzt und so Erfahrung mit Kritik der politischen Ökonomie verbunden und Politik mit dieser.

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