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und Philip starrten sie sprachlos an.

      Isabella erholte sich als Erste von dem Schrecken. »Komm, beruhige dich. Das Zeug ist nur für mich bestimmt. Eigenbedarf, verstehst du?«

      »Nein, ich verstehe nicht!«, schrie Brigit und griff nach ihrem Handy.

      Die zweite Sektflasche, die Brigit mitgebracht hatte, stand ungeöffnet auf dem Couchtisch.

      Lächelnd löste sich Isabella aus Philips Umarmung, griff nach der Flasche und schlug sie ihrer Freundin über den Schädel.

      Entsetzt schaute Philip abwechselnd Isabella und Brigit an, der das prickelnde Gesöff übers Gesicht lief, als sie wie in Zeitlupe zu Boden sank.

      Sektflaschen sind weniger effektvoll als Espressomaschinen, dachte Isabella beim Anblick ihrer stöhnenden Freundin, die jetzt zappelnd auf ihrem abgetretenen Parkettboden lag.

      »Magst du einen Joint«, fragte sie Philip.

      Langsam wich das Entsetzen aus seinen Augen. Ein Lächeln erschien auf seinen Lippen.

      »Gerne«, sagte er. »Aber sollten wir nicht die Rettung rufen? Sie muss ins Krankenhaus.«

      »Am Heiligen Abend? Da sind auch in den Spitälern alle besoffen. Sie wollte ohnehin nicht alt werden, hat andauernd davon geredet, sich umzubringen. Im Grunde habe ich ihr einen Gefallen getan. Lassen wir sie in Schönheit sterben. Obwohl, schön fand ich Brigit noch nie. Oder bist du anderer Meinung?«

      Philip beantwortete diese alles entscheidende Frage in ihrem Sinne: »Sie war nie mein Typ, ist viel zu fett.«

      »Anscheinend will sie aber noch nicht sterben. Sollen wir ihr eine Überdosis verpassen? Ich habe genügend Stoff …«

      »Keine schlechte Idee! Sie bekommt den goldenen Schuss verpasst und dann werfen wir sie in den Wienfluss. Eine einsame alte Frau mehr, die Weihnachten nicht überlebt hat.«

      Isabella liebte seinen Sarkasmus.

      »Ich habe ihren Wohnungsschlüssel. Wir brauchen nichts zu riskieren, schleppen sie einfach zurück in ihre Wohnung, legen sie auf die Couch und schalten den Fernseher ein. Es wird Tage dauern, bis man sie findet. Ich befürchte, dass sie nicht viel Bargeld zuhause herumliegen hat, aber einige ihrer Antiquitäten oder ihren Schmuck könnten wir sicher verscherbeln.«

      »Du bist unglaublich!« Philip nahm sie in die Arme und küsste sie.

      Isabella machte sich von ihm los. »Hilf mir lieber, sie in den Sessel zu setzen, damit wir ihren Arm leichter abbinden können …«

      »Okay, okay«, unterbrach Philip sie und fasste Brigit unter den Achseln.

      »Verdammt, ist die schwer!«

      Brigits rechte Hand traf seine Wange. Erschrocken ließ er sie wieder zu Boden gleiten.

      »Mach schon, Philip! Ich will nicht, dass sie so lange leiden muss. Schließlich ist sie meine beste Freundin«, feuerte Isabella ihn an.

      Er schaute ziemlich unsicher drein und rieb sich seine gerötete Wange.

      Isabella blieb nichts anderes übrig, als selbst mitanzufassen. Zu zweit schafften sie es schließlich, die halbtote Brigit in den Vintage-Stuhl zu verfrachten.

      »Übrigens werden wir beide demnächst richtig Kohle machen. Ich habe heute wertvolle Gaben von einem der Heiligen Drei Könige bekommen.« Sie deutete auf die Säckchen am Boden.

      Philip war es nicht vergönnt, sich lange an dem Anblick all dieser Schätze zu erfreuen. Isabella reichte ihm sogleich ein Päckchen Heroin und warf einen Blick auf Brigit, die leise vor sich hin röchelte. Das enge schwarze Kleid war hochgerutscht, entblößte ihre dicken Schenkel. Ihre Arme hingen schlapp an den Sessellehnen herab.

      »Bitte erledige du das, ich kann nicht mehr!«, seufzte Isabella. »Die Spritze und alles andere, was du benötigst, findest du in der untersten Schublade meines Küchenkastls.«

      Während Philip ihre Freundin ins Jenseits beförderte, drehte sie sich einen dritten Joint.

      Danach zeigte sie ihm den toten Schwarzen unter ihrem Bett.

      »Leider müssen wir noch eine zweite Leiche entsorgen, aber das wird dir hoffentlich nichts ausmachen. Am besten wir bringen ihn auch in ihre Wohnung. Damit würden wir den Bullen die Arbeit erleichtern. Eine tödliche Auseinandersetzung zwischen einem Dealer und einer seiner Kundinnen … Die alte Kaffeemaschine und die Scherben von der zweiten Sektflasche müssen wir auch mitnehmen. Wir dürfen jetzt ja keinen Fehler machen«, nuschelte sie. Die Haschzigarette hing lässig in ihrem linken Mundwinkel.

      »Don’t bogart that joint my friend«, sagte Philip und griff nach dem dicken Glimmstängel.

      Felix

       Das Fest der Liebe

      »Rums!! – Da geht die Pfeife los

      Mit Getöse, schrecklich groß.

      Kaffeetopf und Wasserglas,

      Tobakdose, Tintenfaß,

      Ofen, Tisch und Sorgensitz –

      Alles fliegt im Pulverblitz. –«

       Wilhelm Busch

      Mama ist eine frustrierte alternative Hausfrau, Papa ein arroganter oberflächlicher Werbefuzzi. Sie haben erst spät geheiratet. Mama war schon ziemlich alt, als sie mit mir schwanger wurde, und Felix war dann sowieso ein Unfall in der Menopause.

      Meine Oma ist eine dumme, fette, alte Schachtel, mein Opa ein unverbesserlicher Hitlerjunge. Aber das größte Scheusal der Familie ist mein kleiner Bruder Felix. Nicht einmal die schlimmsten meiner Feinde sind auch nur halb so ekelhaft wie er.

      Sie nennen mich Joe. Ich bin vor kurzem vierzehn geworden und vom Gesetz her gezwungen, noch ein paar Jährchen in diesem Irrenhaus auszuharren.

      Vor einem Jahr sind wir in diese alte Bruchbude im Wienerwald gezogen. »Herrschaftsvilla im Grünen, absolute Ruhelage.« Das Dach war undicht, die Gasheizung defekt. Alle Leitungen und Installationen sind schrottreif. In der Küche behelfen wir uns mit einem »umweltfreundlichen« Kohleofen. Wohn- und Schlafzimmer werden mit weniger umweltfreundlichen elektrischen Radiatoren beheizt. Da es kein ordentliches Badezimmer gegeben hat, haben sie ein Badehäuschen im Garten errichten lassen. Später soll noch ein Pool dazukommen.

      Papa findet dieses Chaos sehr romantisch. Er ist fast nie zu Hause. Normalerweise verlässt er uns um sieben Uhr morgens und kehrt erst knapp vor Mitternacht zurück. Gerade vor Weihnachten macht er jede Menge Überstunden, und abends muss er sich dann mit seinen Mitarbeiterinnen in den Bars der Innenstadt entspannen. Zumindest hat Mama das mal behauptet.

      Ich vermisse unsere Stadtwohnung. Wir leben hier völlig isoliert. Manchmal komme ich mir wie in einem Gefängnis vor. Die Fenster im Erdgeschoß sind vergittert und das nächste Haus ist kilometerweit entfernt.

      Seit wir im Grünen wohnen, hat Mama ihre Liebe zur Natur entdeckt. Sie ist eine sehr anpassungsfähige Frau. Vor allem passt sie sich den Launen meines Herrn Papa an. Vielleicht hat er sie auch deswegen geheiratet.

      »Wir sollten endlich naturverbundener leben und unsere Ernährung umstellen …«, hatte Papa gemeint.

      Von einem Tag auf den anderen begeisterte sich Mama für gesunde Küche und biologisch-dynamischen Gartenbau.

      »Joe, du hast heute Morgen dein Glas frischgepressten Karottensaft schon wieder nicht getrunken!«

      Dem Philodendron bekommt das Säftchen viel besser. Ich befürchte nur, dass demnächst süße kleine gelbe Rüben aus der Hydrokultur sprießen werden.

      Aber verglichen damit, was sich seit vier Wochen bei uns abspielt, ist ihr Bio-Tick völlig harmlos. Seit Anfang Dezember ist der Teufel los. Nach den Aktivitäten meiner Mama kann man die Uhr richten. Exakt am Ersten begann ihre manische Phase.

      Papa

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