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in Richtung der Einfahrt, und die Autorin lächelte dankbar.

       Kapitel 4: Das Problem

      Bitte achten Sie auf die Gleise, da stolpert man gerne mal drüber in der Dunkelheit«, warnte Tom, doch fast gleichzeitig hörte er das typisch metallische BONK, gefolgt von einem unterdrückten »Autsch«. Sofort leuchtete er mit dem Lämpchen seines Smartphones auf den Boden, um der Frau den Weg zu erhellen. »Entschuldigung, das hätt ich gleich machen sollen, aber ich bin das schon so gewohnt. Haben Sie sich sehr wehgetan?«

      »Nein, nein, alles gut«, antwortete die Autorin. »Ich wär fast hingefallen, bin aber gottseidank gegen irgendetwas Weiches gestoßen.«

      Tom wusste, dass auf dem Weg zu Vlarads Sarg nichts »Weiches« herumstand und schickte kurz eine telepathische Nachricht an alle anderen: Wer auch immer von euch das war, vielen Dank!

      Die Antwort war ein gutmütiges Gmmmhhh, und Tom hütete sich, das Licht seines Handys dorthin scheinen zu lassen, wo der Zombie in der schützenden Dunkelheit stand.

      »Alles okay, Frau Schuster?«, fragte er stattdessen und zeigte nach vorne. »Hier geht’s um die Ecke, und dann sind wir da.«

      »Alles okay, danke«, antwortete diese. Tom sah, dass sie die Nase rümpfte und sich dabei fragend umblickte.

      Einer Ahnung folgend schnupperte auch Tom in die Richtung, und schon tränten ihm die Augen von dem stechend süßlichen Gestank, den er nur allzu gut kannte. Hustend und sich die Augen wischend bedeutete er der Autorin, ihm zu folgen: »Ja, das … das … puh … ahem … das tut mir leid. Ab und zu lassen die Besucher hier drin vor Schreck schon mal eine Bockwurst oder Ähnliches fallen. Wenn wir das abends nicht finden, dann schimmelt’s, und das kann schon mal … Also, wir suchen heute Abend alles gründlich durch, und morgen riecht da nix mehr, versprochen! Bitte hier entlang.«

      Wie hätte Tom ihr auch erklären können, dass der bestialische Gestank von Wombies Kuschelhasen Odor stammte? Der hatte seit vielen Jahrzehnten kein Waschmittel mehr gekostet, da es niemand wagte, dem Zombie sein geliebtes Knuffeltier zu entwenden. Wombie war das friedfertigste Wesen auf dem gesamten Erdenrund – solange sich Odor bei ihm befand. War das abgewetzte, ehemals rosafarbene Gestanksinferno aber mal nicht aufzufinden, verwandelte sich der gutmütige Wombie in einen tollwütigen, zombieförmigen Panzer. Als dieser machte er alles platt, was so dumm war, ihm im Weg zu stehen.

      »Bo, da bimb bir«, sagte Tom.

      »Bitte was?«

      Tom nahm die Finger von der Nase. »Ich meinte: So, da sind wir. Hier will der Fotograf morgen die Fotos machen. Moment, ich schalte noch die Beleuchtung ein …«

      Er legte den Schalter um, und die Lampen tauchten die Deko in effektvolles Licht.

      »Hey, das sieht ja wirklich cool aus!«, lachte Tiffany Schuster begeistert. »Und da hinten war sogar ein Blitz über der Burg, sehr schön. Ja, so stellt man sich Draculas Schlafplatz vor. Und … wow! So stellt man sich Dracula persönlich vor, das ist ja unglaublich …«

      Verwundert hatte sich Tom zu ihr umgedreht, und nun staunte auch er: Hop-Teps Vlarad-Puppe sah so unglaublich echt aus, dass er im ersten Moment gedacht hatte, der Vampir selbst hätte sich regungslos hinter den Sarg gestellt.

      Die Autorin schien wirklich schwer beeindruckt zu sein, denn sie hatte sich an den Sarg gelehnt und musterte kopfschüttelnd den künstlichen Vlarad.

      »Perfekt … Absolut perfekt …«, sagte sie dann überraschend leise. »Der elegante Gehrock, das rote Halstuch um den blütenweißen steifen Kragen und die perfekte Haltung eines wahren Aristokraten. Dazu die hohen Wangenknochen und diese dunklen Augen, in denen man sich verlieren könnte … hach …«

      Vlarad, das solltest du hören, telepathierte Tom dem Vampir. Ich glaube, Frau Schuster ist ein richtiges Dracula-Fangirl und findet dich schon als Puppe zum Anbeißen.

      Du glaubst wirklich, Hop-Teps Plastikvampir kann das Blut einer Frau in solch wogende Wallungen bringen?, antwortete ihm Vlarad überraschend amüsiert. So sehr ich sein einzigartiges Talent schätze: Das vermag unser ägyptischer Künstlerprinz dann doch nicht.

      Einer düsteren Ahnung folgend trat Tom näher an die Figur heran und musterte sie für mehrere Sekunden. Zunächst fiel ihm auf, dass die vorhin noch so wichtige Bodenplatte fehlte und die Puppe dennoch problemlos aufrecht stand. Das linke Auge blinzelte kaum merklich just in dem Moment, als hinter ihr der Lichteffekt aufblitzte.

      D… das ist gar nicht die Puppe!, telepathierte Tom erschrocken. Du bist es selbst, Vlarad?

      Allerdings, kam die tonlose Antwort. Ich konnte mir die Gelegenheit doch nicht entgehen lassen, das Fräulein Bestsellerautorin selbst in Augenschein zu nehmen. Die Gelegenheit ist einfach zu günstig – und das, ohne dass mich jener Fotofuzzi vor die Linse bekommt und mein Konterfei die Seiten einer Schmiergazette veredelt. In einem Wort: Perfekt!

      Tom kämpfte gegen den Impuls an, sich mit der flachen Hand auf die Stirn zu schlagen und sie anschließend zusammen mit einem lang anhaltenden Stöhnen über das Gesicht herunterzuziehen. Stattdessen zwang er sich zu einem hoffentlich ganz besonders unauffälligen Lächeln. Die Autorin sollte auf keinen Fall irgendetwas bemerken!

      »Hey, alles okay? Ist dir übel?«, hörte er da plötzlich Tiffany fragen. Tom schaute sie verwundert an. »Was? Nein. Wieso? Seh ich so aus? Mir geht’s supi! Haha. Alles bestens, warum?«

      Tom bemerkte im gleichen Augenblick, dass das vielleicht ein bisschen zu viel des Guten gewesen war. Die Autorin sah ihn misstrauisch an und machte dabei ein paar Schritte auf ihn zu.

      »Irgendwas stimmt nicht mit dir …«, sagte sie leise, und Tom wurde es plötzlich ziemlich warm um die Stirn.

      »Mit … mit mir? W… warum? Nein, ich meine, ja doch. Da stimmt alles, echt«, stammelte er und ärgerte sich gleichzeitig, dass er sich so leicht aus der Bahn werfen ließ.

      »Hm«, machte Tiffany, und das Misstrauen war ja auch vollkommen gerechtfertigt. Schließlich stand hinter ihr tatsächlich ein leibhaftiger Vampir, der nun jede Chance hätte, ihr hinterrücks in den Nacken zu beißen.

      Vlarad würde so was niemals tun, und das hatte mehrere Gründe. Erstens hatte sich der Graf eine strikt vegane Diät auferlegt, weil er keinem Lebewesen etwas zuleide tun wollte. Und zweitens würde er sich der Autorin jetzt wohl kaum zu erkennen geben, wo er ihr ja eigentlich nicht einmal hatte begegnen wollen!

      Im Umkehrschluss bedeutete das für Tom: Er musste sich jetzt etwas ausdenken, um Tiffany Schuster davon zu überzeugen, dass alles in bester Ordnung war.

      »Also …«, begann er lahm, um etwas Zeit zu schinden. »Da ist nichts. Ich meine, nichts was Sie nicht … was Ihnen … Ich meine …«

      Tiffany hatte gerade die Hand gehoben, um dieses armselige Schauspiel zu beenden. Doch sie kam nicht dazu, auch noch etwas zu äußern, denn von einer Sekunde auf die nächste war sie verschwunden – und mit ihr die vermeintliche Vampirpuppe.

      »Äh…«, machte Tom völlig verdattert und drehte sich danach wenig elegant einmal komplett im Kreis, um sich auch wirklich gründlich umzusehen. Aber tatsächlich war da weder eine gnubbelige Vampirromanschreiberin noch ein hagerer Original-Vampir. Er war ganz und gar alleine.

      MIMIWELFHOPTEPWOMBIE!, telepathierte Tom panisch in alle Richtungen. Gleichzeitig spürte er, wie ihm der kalte Schweiß ausbrach, als hätte jemand eine Schleuse geöffnet.

      

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