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Grund. Karim, mein Kapitän, wartete schon lange schläfrig und ungeduldig auf seinen Schlafplatz - und mich. Er hatte mir nachmittags ein Geschenk gemacht, indem er mir hoheits- und liebevoll, eine Feige überreichte. Feigen hatten für mich und meinen Mann seit jeher eine besondere Bedeutung, wie konnte er das ahnen? Sofort folgte ein Wehrmutstropfen. „Hier, noch eine für deine Freundin“, sagte er, und ich empfand zu meinem größten Erstaunen Eifersucht. Sophia sagte aber, „ich esse keine Feigen“ und so blieb mir auch die andere, was er lächelnd beäugte. Immerzu fühlte ich mich von ihm ausgetrickst, wie eine kleine, dumme Gans. In seinem Beisein hatte ich das Gefühl eines Schulmädchens, das verbotenerweise auf ihren ersten, heimlichen Freund traf.

      Tags darauf kamen wir nach Marmaris und von dort gelangten wir mit dem Bus zum Golf von Gökova. Hier war ein Ausflug mit einem kleinen Fischerboot vorgesehen. Wir tuckerten entlang eines unberührten Schilfparadieses und ich fühlte mich zurückversetzt in meine Kindheit, in der ich, zusammen mit meinem Opa, derartiges Land durchstreifte, das es, aufgrund der Flurbereinigung, heute leider nicht mehr gibt. An der Anlegestelle lagen malerisch bunte Fischerboote, flankiert von einigen Fischern, die Karim, im Boot stehend, wie ein Gladiator passierend, freundlich grüßte. Ich beobachtete seinen Einzug sehr aufmerksam und mir entging nicht, dass nicht jeder Einheimische ebenso freundlich zurück grüßte. Wir glitten an verträumt wirkenden kleinen Häusern mit blühenden Gärten vorbei, die mich zum Bleiben aufforderten. An einer kleinen runden Seestelle sprang Karim unversehens, zum Erstaunen der Touristen, ins Wasser und forderte uns auf, es ihm gleich zu tun. Schwups und schon war ich ihm gefolgt. Das Wasser war glasklar und eiskalt, da frisches Quellwasser von den Bergen. Man konnte die grünen Schlingpflanzen, die Brutstätten der Enten und Wasservögel im Schilf sehen. Ein unberührtes Naturparadies, wie es nur noch wenige gibt und in meiner Gegend leider ausgestorben ist. Danach fuhren wir an einen Strand. Mir war die Zeit zu schade, um mich den restlichen Touristen anzuschließen, die in ein Cafe gingen. Außerdem wollte ich das soeben Erlebte noch nachklingen lassen. So schlenderte ich durch einen liebevoll gestalteten, kleinen Basar und erstand dabei für ein paar türkische Lira schöne Schmuck-Handarbeiten. Auf dem Rückweg setzte ich mich auf eine Bank und genoss vor der herrlichen Strandkulisse ein Eis am Stiel.

      Wie aus dem Nichts tauchten Karim und sein Stewart auf, der mir einige persönliche Fragen in Englisch stellte. Nanu, was war in den gefahren? Der hatte auch einen Mund zum Reden, noch dazu war er gut gelaunt. Er wollte wissen, was ich arbeitete und wo. Bereitwillig gab ich Auskunft und auch er verriet mir einiges aus seinem Leben. Es wurde eine richtige Unterhaltung und mir wurde bewusst, die erste für mich, seit langer Zeit, die mich auch noch fesselte. Karim hörte aufmerksam zu, verfolgte jedes meiner Worte voller Interesse. Sein Steward war ein seriöser aufrichtiger Mann, selbst Kapitän, ohne Hintergedanken, das konnte ich spüren und leise dachte ich, „gar nicht so wie Karim.“ Der aber zog mich später beiseite und erklärte mir, dass der Mann geschieden wäre, weil impotent, sein Patent dem Militär zu verdanken hätte und deshalb auch unbrauchbar in der Praxis wäre, die er ausschließlich ihm zu verdanken hätte. Na, na, bisschen viel Negatives auf einmal, schoss es mir durch den Kopf, ich fand den Mann ganz gut. Ob er wohl was ahnte, von unserem Verhältnis? Gut möglich, sinnierte ich. Lautstark näherte sich unsere Gruppe, da war es auch schon wieder Zeit zurückzukehren. Der Koch empfing uns auf dem Boot mit einem speziellen Abendessen, das er, einem Show-Entertainer gleich, mit viel Geschick und Humor servierte. Nach einer wohl schmeckenden Kürbissuppe tischte er in einer Kasserolle, nach griechisch/türkischer Art gebratene, mit Reis und Hackfleisch gefüllte Paprikaschoten auf. Zu meinem Leidwesen blieb kein Krümel übrig. Dieses, auch ein Leibgericht von mir, konnte niemand so gut zubereiten, wie meine griechische Nachbarin, an die ich mich jetzt erinnerte. Alles vorbei, sie lebte mit ihrem Mann seit einigen Jahren, da beide in Rente, in Griechenland. Bald würde ich sie besuchen, nahm ich mir vor, und damit ein langes Versprechen einlösen.

      Gleich Morgen wollte ich ihnen eine Karte schreiben aus dieser herrlichen Gegend der Ägäis, die schließlich bis 1923 griechisches Territorium war. Der Koch war noch nicht fertig mit seinem Überraschungsabend und brachte selbst gebackenen Kokos-Kuchen und duftendes Gebäck. Zum Abschluss gab es frisches Obst, wie man es so wohlschmeckend nur in südlichen Ländern vorfindet. Durchgehend entertainte er uns mit diversen Varieteeinlagen und Spielen, wie ein Profi-Animateur. Wir waren allesamt bester Stimmung. Nicht so der Kapitän, dessen Mimik sich immer mehr verfinsterte. In dieser Nacht ging ich zu ihm, aber er war nicht da. So blieb ich allein, schnappte mir eine seiner zwei Decken und legte mich auf die andere Seite seines Nachtlagers. Bald darauf musste ich wohl eingeschlafen sein. Ein ständig sich wiederholendes, beängstigendes Geräusch des Prustens weckte mich mitten in der Nacht. Ich hielt den Atem an und lauschte. Ja, da, keine Täuschung, ich hörte regelmäßige, undefinierbare Laute, die aus der Tiefe kamen. Nach einer Weile nahm ich, mit stockendem Atem, allen Mut zusammen und schaute vorsichtig über Bord. In pechschwarzer Nacht konnte ich ein Dingi wahrnehmen, in dem ein Mann stand; daneben ein Taucher. Jetzt war mir das Geräusch klar, es kam vom Atemgerät der Taucherflasche.

      Leise schlich ich ans Vorderdeck und weckte den Koch, der dort schlief. Ich deutete ihm, mit mir zu kommen, um ihm zu zeigen, dass das Boot gestohlen wird, so meine Vermutung. Als er das Dingi sah, lachte er leise und sagte, „das ist der Kapitän mit seinem Steward.“

      Sofort legte ich mich wieder ins Bett. Es dauerte nicht lange, da kam Karim im Taucheranzug an Bord, dem er sich klatschend zu Boden fallend, entledigte. Er verstaute seine mit der Harpune erlegte Beute, indem er das prall gefüllte Fischernetz auf den Boden warf, um es dann, umgeschichtet, in der großen Gefriertruhe zu verstauen. Vollkommen nass und halb erfroren legte er sich zu Bett, nicht ahnend, dass ich am Fußende gegenüber lag. Ich wartete bis er sich zur Seite rollte und schlich mich kurz darauf zu ihm. Igitt! Er fühlte sich an wie ein Fisch aus dem Eismeer, währenddessen ich fast kochte vor Aufregung über das Erlebte. Es dauerte auch nicht lange, bis wir beide den entsprechenden Temperaturausgleich hergestellt hatten. Diese Nacht war unwiderruflich die abenteuerlichste meines Lebens. Er wäre wohl besser als Hai geboren, dachte ich bei mir. Wie überlebt er nur die Tauch-Stunden im dunklen Meer? Seine lautlose, unaufdringliche und doch so gierige, raubfischähnliche Art, einem Angriff gleich, ließen immer wieder den Vergleich aufkommen. „Ich jetzt gut, du hier, du meine zweite Frau, ich weiß. Wir jetzt bisschen Schlafen, morgen früh weg.“ Mit einem „Danke, lieber Gott“, gen Himmel gerichtet, schlief ich wohlig an seiner Seite ein.

      Nach so einer Woche, in der er, während wir Touristen Ausflüge unternahmen, jede freie Minute zum Tauchen nutzte, war mir klar, dass dieses aufregende Abenteuer hier sein Ende finden müsste. Wiederholung ausgeschlossen. Langsam wurde mir bewusst, dass ich meinen Eid gebrochen hatte und mit einem Türken schlief, ohne mich auch nur einen Deut über Konventionen zu scheren, die mein bisheriges Leben bestimmten. Begierig kostete ich jede Minute mit ihm aus. Eine einzigartige kurze Zeit, von der nur noch wenig blieb. Mehr konnte, wollte ich nicht denken. Tags darauf steuerten wir eine Bucht mit magischer Aura an. Ich schwamm an Land und plötzlich tauchte „Er“ aus dem Nichts auf, wo kam er bloß her? Ich hatte ihn, wie üblich, nicht bemerkt. Seine ständige Kontrolle über mich machte mich rasend. Gemeinsam erkundeten wir die Gegend, er machte mich auf Bergziegen aufmerksam, die in schwindelnden Höhen mühelos herumliefen.

      Endlich, an einem ausgedörrt daliegenden Baumstamm, am ganzen Körper bebend, liebten wir uns in freier Wildnis, wie wilde Tiere. Mental war ich in eine Zeit der Antike versetzt, die schizophren auf mich wirkte. Ich fühlte, hier musste früher ein Haus gestanden und Leute darin gelebt haben. Wo waren sie jetzt? Sollte ich hier mein Traum-Haus bauen? Soweit ich erkennen konnte, war diese Bucht nur vom Meer aus zugänglich. Später erfuhr ich von Karim, dass oberhalb der Berge eine Strasse hierher führte und noch später, bei einer anderen Gelegenheit, zeigte er mir meine möglichen Nachbarn.

      Es wäre durchaus möglich gewesen, diese Bucht käuflich zu erwerben, was ihm sehr entgegen gekommen wäre, da er einsame Buchten über alles liebte. Die großen runden Steine am Strand machten eine Rückkehr zum Boot schwer und so glitt ich lieber ins Wasser um zurück zu schwimmen. Wieder war er abhanden gekommen, tauchte aber alsbald auf der anderen Bootsseite auf. Er war unter dem verankerten Bootsseil durchgetaucht. Sein Brustkorb war enorm, seine Kondition auch. Lange Zeit danach gestand er mir, dass er nur unter Wasser frei und glücklich wäre; wo sonst, er war eben der verkörperte Neptun. Noch wusste ich

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