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– nein, musste – der kleine Schminke kommen. Wieder hörte ich Britta im Geiste meckern: „In sieben Jahren soll die Familienplanung aber schon abgeschlossen sein.” Mir war bewusst, dass sie hierbei nicht nur an einen Schminke-Junior dachte, sondern an mindestens drei.

      Die Summe auf der Ausgabenseite war noch erschreckender als ich erwartet hatte: Meinem Auge bot sich das Bild eines typischen Staatshaushaltes, bei dessen Betrachtung die Frage berechtigt ist, wovon in der Vergangenheit alle Kosten bestritten wurden.

      Es half nichts. Wenn wir bei der Bank nicht hochkant hinausfliegen wollten, musste drastisch gekürzt werden. Eines war klar: Britta, das Weib, verschuldete mich! Als erstes warf ich den Otto- und den Quelle-Katalog in den Müllschlucker. Beinahe hätte ich den Sonderkatalog mit der Spätübergangsmode von Hess übersehen. In diesem Katalog fand ich eine ausgefüllte Sammelbestellung von sage und schreibe 467,50 Euro!

      Im Grunde ging es nicht um die Frage, ob ich mir eine Eigentumswohnung leisten konnte: Es ging darum, ob ich mir diese Frau weiterhin leisten konnte! Britta musste diese Verschwendungssucht von ihrer Mutter geerbt haben. Schwiegermutter Margot hatte schon in den 60er Jahren, also in einer Zeit, in der andere Familien samt Schwiegermutter und Erbtante einmal in der Woche am Samstag durch die Wanne geschleust wurden, zweimal am Tag geduscht! Verschwendung pur! Seit Margot plötzlich mit 56 an Krebs gestorben war, fand Schwiegervater Gerhard Gefallen am gnadenlosen Geldhorten. Bei Britta hatte sich durch den Tod ihrer Mutter und das Verhalten ihres Vaters ihre Verschwendungssucht sogar noch verstärkt.

      Warum hatte ich mich nicht in eine einfache, biedere, graue Maus verguckt mit einer Lkw-Ladung Aussteuer und einem kleinen Depot in der Schweiz? Aber graue Mäuse sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Herr Hupe, unser Treppenterrier, der im Finanz­amt die Post in die einzelnen Zimmer verteilt, erzählte mir neulich von seiner Elisabeth. Elisabeth war eine reinrassige graue Maus und im seligen Alter von 47 Jahren, als er sie heiratete. Nach fünf Jahren Ehe sah sie ihn nach dem Abendbrot plötzlich komisch an und sagte, sie wolle jetzt reiten lernen. Und zwar ein richtiges Pferd mit Sattel und allem drum und dran. Als er begriffen hatte, dass sie es wirklich ernst damit meinte, flehte er sie an, schrie sie an, aber es nützte nichts. Sie blieb stur. Wozu will eine graue Maus reiten lernen? Es gibt eben Frauen, die sich als graue Mäuse verkleidet haben…

      Nachdem ich von Brittas Budget noch ein paar Kosmetikartikel gestrichen und den teuren Kurzhaarschnitt gegen eine wild wachsende Langhaarmatte ausgetauscht hatte, sah die Ausgabenseite schon viel freundlicher aus. Ihren monatlichen Gang zu Coiffeur Monique musste ich ihr natürlich auch noch abgewöhnen. Wenn aus unserer Finanzierung etwas werden sollte, musste Britta sich in Zukunft von Elwine die Haare schneiden lassen. Anspruchsvollere Gemüter hätten sich von Elwine nicht einmal ihre Ligusterhecke schneiden lassen, aber dafür war Elwine mit ihren Dumpingpreisen für Familien mit einer knappen Finanzierung immer eine gute Empfehlung.

      Selbstverständlich war auch ich bereit, bemerkenswerte Opfer zu bringen. Obwohl es mich wirklich Überwindung kostete, strich ich bei der Position „Autopflege” die Softhäutchen für die Lackoberflächenmassage und das zweite Ei morgens in der Kantine.

      Mit der Besoldungstabelle berechnete ich nun meine Einkommensentwicklung für die nächsten zehn Jahre. Bislang konnte man sich immer darauf verlassen, dass sich in einem Beamtenleben in einem Zeitraum von zehn Jahren keine gravierenden Änderungen ergaben. Meiner Erinnerung nach bestanden die bemerkenswertesten Veränderungen der letzten Jahre in der Einführung einer dritten Wurstsorte in der Kantine – das musste vor ungefähr vier Jahren gewesen sein – und der Abschaffung des Vordruck EST 12 WB. Vordruck EST 12 WB wurde endgültig aus dem Verkehr gezo­gen, weil selbst die mit „gut” beurteilten Kollegen ihn nicht verstanden hatten. Aber wenn man die Pressemitteilungen über geplante Einsparungen in jüngster Zeit verfolgte, konnte einem schon schwindelig werden und selbst dem unbekümmertesten Idioten war klar, dass sich da ein verheerendes Unwetter zusammenbraute und meine kleine Oase stark bedroht wurde.

      Ein gesunder Optimismus setzte sich dann aber doch bei mir durch und ich plante für das sechste Jahr eine Beförderung ein. Zum Glück ging es bei den Beförderungen nicht um die erbrachte Leistung. Befördert wurde, wer lange genug abgehangen war. Sicher, in den letzten Jahren hatte die Leistungsbeurteilung immer mehr Gewicht bekommen. Aber ich war mittlerweile nicht nur abgehangen, ich hatte bereits schon Moos angesetzt. Mein Optimismus war somit durchaus begründet.

      Weniger berechenbar war Brittas Einkommensentwicklung. Wer sagte mir, dass sich Britta nicht beim Sport so unglücklich verletzte, dass sie keine Fitnesskurse mehr geben konnte? Oder noch schlimmer: Britta wurde unverhofft schwanger! Kalter Schweiß lief mir den Rücken hinunter. Vielleicht sollte ich vorsorglich beginnen, ihr die Pille ins Müsli zu mixen! Selbstverständlich mochte ich Kinder. Aber Stufe II ein paar Jahre vorzuziehen wäre Wahnsinn!

      Im neunten Jahr konnte es noch einmal richtig eng werden. Zur Not könnten wir unser Auto verkaufen. Und wenn ich öfter die Fahrgemeinschaft für die Fahrten ins Büro wechselte, brauchte ich nicht mal Spritgeld zu zahlen. Da gab es sicherlich noch Einsparpotenzial. Im zehnten Jahr plante ich endlich den Abschluss von Brittas Studium ein und ihren Einstieg ins Arbeitsleben. Britta studierte Sozialwissenschaften mit den Nebenfächern Sport und Freizeitpädagogik. Irgendwann war vielleicht doch damit zu rechnen, dass sie richtiges Geld nach Hause brachte – wobei ich bei dieser Fächerkombination durchaus meine Zweifel hegte.

      Am Ende war ich von meinem Plan hellauf begeistert. Nächstes Wochenende konnte also die Suche nach einer Eigentumswohnung beginnen.

      Aus dem Bücherschrank nahm ich Brittas Lieblingsbuch zur Hand: Leitfaden für positive Transformationsformeln. Verschwörerisch murmelte ich die Transformationsformel für eine abgeschlossene Ziel-Imagination: „Das habe ich gemacht. Das habe ich gut gemacht. Das habe ich sehr gut gemacht. Ich bin eins mit meinem Plan und was ich will, das schaffe ich auch!”

      4. Die Frauenbeauftragte

      Kurz vor 14:00 Uhr klingelte Frau Hoppe-Reitemüllers Telefon. Es war Frau Doggenfuß, die Vorzimmerdame des Finanzamt-Vorstehers. Sie solle sofort zum Vorsteher kommen. Ausschließlich Frau Doggenfuß benutzte den Titel „Vorsteher” wenn sie vom Finanzamts-Vorsteher sprach. Für alle anderen war er „Der Kopf”. Nicht nur im übertragenen Sinne war Regierungsdirektor Niemeier der Kopf des Finanzamtes. Er hatte einen beinahe schon als abnorm zu bezeichnenden riesigen Schädel, dessen kantiges Profil durch eine eckige Goldrandbrille noch verstärkt wurde.

      Frau Doggenfuß redete stets in einem Befehlston, der unbedingten Gehorsam forderte und jede noch so höfliche Nachfrage scharf unterband. Frau Hoppe-Reitemüller ließ deshalb sofort die gerade angebissene Nussecke fallen und machte sich auf den Weg zum Fahrstuhl.

      Auf dem Flur kam ihr Hartmut Schminke mit einer Tasse Kaffee entgegen. Es ist schon auffällig, dachte Frau Hoppe-Reitemüller, immer wenn ich den Schminke sehe, holt er Kaffee oder bringt ihn gerade zur Toilette. Beim Frühstück in der Kantine ist er auch immer der Erste und der Letzte, genau wie sein Vater. Warum sie den Sohn überhaupt eingestellt haben, ist mir ein Rätsel! Bei dem Bockmist, den der alte Schminke verzapft hat. Ab mittags hing Kalle Schminke doch nur noch am Getränkeautomaten im Keller und hat sich eine Pulle nach der anderen genehmigt. Und wenn er abgefüllt war, hörte man das Geschnarche aus seiner Akten-Registratur noch drei Zimmer weiter.

      Sie sah dem kleinen, rundlichen Mann hinterher. Etwas weniger Bauch und mehr Hintern würden ihm gut stehen, überlegte sie und dachte an Norberts Hintern. Norberts Hintern gehörte zu Norberts wirklichen Qualitäten. Nicht, dass Frau Hoppe-Reitemüller Norbert nur wegen seines Hinterns geheiratet hätte, aber in dem Sympathiepaket, welches für Norbert den Ausschlag gegeben hatte, war sein Hintern sicherlich kein zu vernachlässigender Pos­ten gewesen. Es hatte auf sie schon immer einen unwiderstehlichen Reiz ausgeübt, ihrem Norbert mit Daumen und Zeigefinger in seinen fleischigen Hintern zu kneifen. Aber seitdem Norbert bei seiner Versicherung seinen Stuhl für die junge Hauptsachbearbeiterin hatte räumen müssen und in den vorzeitigen Ruhestand enthoben worden war, hatte er sich stark verändert. Irgendwann hatte er sich die Kneiferei verbeten. Und als ihr dann doch einmal die Finger ausrutschten, hatte er ihr sogar angedroht, sich von ihr scheiden zu lassen. Und sie wusste, er meinte es damit ernst.

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