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alten U-Boot-Kriegsfilm, in dem soeben der erste Angriff erfolgt war. Der tonnenschwere Stahlkoloss müsste sich nun zur Seite neigen und zu sinken beginnen – das Hotel blieb jedoch glücklicherweise an Ort und Stelle.

      Als er das Treppenhaus hinter sich gelassen hatte, änderte sich Shanes Stimmung abrupt. Dutzende Hotelangestellte rannten gehetzt durch die Gegend, telefonierten oder sprachen mit Technikern in blau-weißen Overalls. Ein Geruch, den er zuerst der Küche zugeschrieben hatte, stieg ihm in die Nase. Es roch brenzlig, sogar sehr brenzlig.

      Die Techniker und Sicherheitskräfte versammelten sich am Durchgang zum Solarkontrollzentrum und starrten gebannt auf die schweren Stahlschotten. Was machten sie da? Warum öffnete niemand den Durchgang? Die Antwort erhielt er wenige Sekunden später, als sein Bewusstsein die Ereignisse in einen sinnvollen Zusammenhang brachte.

      Es war bereits später Vormittag, die Präsentation, von der ihm Estella noch gestern Abend vorgeschwärmt hatte, hatte er also verpasst, aber der Rest der Gruppe musste sich auf der anderen Seite der Stahlschotten befinden. Und der stechende Geruch in der Luft ließ keinen Zweifel daran, dass es brannte.

      Estella!

      Kalter Schweiß lief Shane den Rücken herunter. Wenn ihr etwas zustieß …! Schuldgefühle suchten ihn heim. Wäre er doch nur rechtzeitig aufgestanden!

      Bill Fritzsch, der hünenhafte Sicherheitschef, stürmte heran und stieß die Techniker beiseite, die sich an der Türsteuerung zu schaffen machten.

      »Alle mal herhören!«, brüllte er und baute sich vor der versammelten Mannschaft auf. »Die Löschkräfte gelangen nicht ins Innere des Kontrollzentrums. Alle Zugänge sind verriegelt.«

      »Unmöglich! In einem Brandfall schalten sich die Verriegelungen automatisch ab. Sie dürften überhaupt nicht aktiviert sein«, erwiderte einer der Senior Chiefs von der Technikcrew.

      »Sie sind es aber, ob es uns nun gefällt oder nicht! Sehen Sie zu, dass Sie das in den Griff bekommen.«

      Der Senior Chief wollte bereits davoneilen, als ihn Fritzsch noch einen Moment zurückhielt. »Was ist mit den Überwachungskameras? Können wir ermitteln, wo sich die Gäste zu diesem Zeitpunkt aufhalten?«

      Der grauhaarige Mann schüttelte den Kopf. »Alle Kameras sind ausgefallen, selbst die im Hotelbereich.«

      Shane drängte sich durch die Menge und schnitt Fritzsch das Wort ab. »Sind sie dort draußen?«

      »Wir wissen nicht, wo sich die Gäste zurzeit aufhalten oder ob sie es bis zum Gebäude zurückgeschafft haben. Sicherheitskräfte sind bereits auf dem Weg, aber sie können das Gelände nicht betreten, solange die Kollektoren überlasten.«

      »Dann schalten Sie sie ab.«

      »Wenn wir jetzt abschalten, riskieren wir, dass die gesamte Kollektorfläche beschädigt wird.«

      »Zum Teufel mit den Kollektoren, da draußen befinden sich Menschen!«, brüllte Shane.

      »Wir tun unser Möglichstes«, entgegnete Fritzsch ausweichend.

      »Vielleicht ist Ihr Möglichstes ja nicht genug«, meinte Shane grimmig. »Können die Löschkräfte das Kontrollzentrum denn nicht von hier aus erreichen?«

      »Nein, sie hätten keinen Zugang zu den Hydranten.«

      »Europäische Sicherheitsauflagen gelten hier draußen wohl nicht«, bemerkte Shane sarkastisch. »Aber lassen wir das. Wir müssen uns zum Kontrollzentrum durchkämpfen. Vielleicht hat die Gruppe es nie verlassen und sie sind jetzt dort gefangen.«

      Fritzsch wollte schon den Kopf schütteln, doch da blitzte etwas in seinen Augen auf.

      »Williams, Atemmasken!«, befahl er. Dann drehte er sich mit einem kritischen Gesichtsausdruck zu Shane herum. »Ich gehe, aber Sie bleiben hier.«

      »Versuchen Sie doch, mich aufzuhalten«, sagte Shane entschlossen. Er würde nicht tatenlos herumsitzen, während Estella möglicherweise in einem brennenden Gebäude eingeschlossen war.

      Als er die Entschlossenheit in den Augen seines Gegenübers sah, knickte Fritzsch ein. »Sie brauchen vernünftige Kleidung«, stellte er ohne weitere Umschweife fest.

      Williams kehrte in der Zwischenzeit mit zwei Atemgeräten und Brandschutzanzügen zurück.

      »Ich hoffe Sie wissen, worauf Sie sich da einlassen«, meinte Fritzsch.

      Drei Minuten später standen sie in voller Montur abwartend vor dem Stahlschott, das das Hotel von dem Forschungskomplex trennte. Sie mussten sichergehen, dass keine Flammenwand durch das Schott schlug, sobald es geöffnet wurde. Einer der Techniker gab Entwarnung.

      »Sie sind sich der Gefahr wirklich bewusst?«, fragte Fritzsch noch einmal und bedeutete dem Mann an der Türsteuerung, innezuhalten. Seine bedrohliche Stimmlage wurde durch die Atemmaske noch verstärkt.

      Shane nickte und formte mit Daumen und Zeigefinger ein O, wie er es beim Tauchunterricht gelernt hatte, worauf Williams den manuellen Mechanismus des Schotts aktivierte und sich dieses einen Spaltbreit öffnete.

      Warmer finsterer Rauch schlug ihnen entgegen. Bevor er es sich anders überlegen konnte, schlüpfte Shane durch die schmale Öffnung und folgte Fritzsch in den Gang. Hinter ihnen schloss sich knirschend das Schott.

      Kapitel 14

      Im Kontrollzentrum war es stockdunkel geworden. Alle Lichter einschließlich der Notbeleuchtung waren nach der Systemabschaltung durch den Trojaner II erloschen; nur der schwache stroboskopförmige Lichtkegel von Shadows Taschenlampe erhellte noch die unmittelbare Umgebung.

      Alles war nach Plan verlaufen, bis auf die Tatsache, dass er selbst eine Verletzung davongetragen hatte, die nicht beabsichtigt gewesen war. Nun saß auch er fest – was später immerhin jeglichen Verdacht von ihm ablenken würde.

      Eine der Stromleitungen im Inneren war geplatzt und hatte einen der Serverschränke zum Wanken gebracht, der unglücklicherweise direkt auf sein Bein gefallen war. Er konnte den glatten Knochenbruch förmlich spüren und ohne fremde Hilfe würde er es nicht unter dem Monstrum hervorschaffen; blieb nur abzuwarten und zu hoffen, dass keine weiteren Leitungen in Mitleidenschaft gezogen wurden, die ihm gefährlich werden könnten.

      Während er vor Schmerzen stöhnend am Boden saß, dachte er an seine Heimat. Nicht an die großen und von Abgasen verpesteten Städte Afrikas, in denen er sein Studium absolviert hatte, nein, die Wüste mit all ihrer natürlichen Faszination. Er stammte von den Beduinen ab, die schon seit Jahrtausenden von Ort zu Ort wanderten. Leider hatte er sich von seinem Stamm getrennt, seine Familie zurückgelassen, um die weite Welt außerhalb der Natur zur erkunden. Sein Vater hatte ihm diesen Schritt nie verziehen, und im Nachhinein schämte sich Shadow für seinen Entschluss. Was war nur aus ihm geworden? Anstatt an einer Universität zu lehren, sprengte er welche in die Luft.

      Er konnte sich nicht einmal mehr genau daran erinnern, wann er zum ersten Mal mit den Brüdern seiner Organisation in Kontakt gekommen war. Dabei markierte dieser Tag einen entscheidenden Wendepunkt in seinem Leben. Seitdem gab es für ihn kein Zurück mehr. Wer einmal dem Ruf des Dschihad folgte, war dazu verdammt, den Weg bis zum bitteren Ende zu gehen. Die Vergangenheit hörte auf zu existieren. Man ließ sein bisheriges Leben hinter sich, und jede Form der Reue, des Bedauern, war eine Todsünde. Allah und nur Allah alleine richtete über die Taten derer, die für ihn in den heiligen Krieg zogen. Shadow konnte sich dem nicht entziehen. Der Einfluss seiner Brüder reichte zu weit. Selbst wenn er sich dazu entschließen würde, den Schwur, den er vor genau acht Jahren in den Tiefen der pakistanischen Höhlen geleistet hatte, zu brechen, würden sie ihn jagen und zur Strecke bringen. Überall auf der Welt. Viele Male hatte er an diesem Punkt gestanden, die Zweifel in ihm die Oberhand gewinnen lassen, doch jedes Mal hatte schlussendlich sein Überlebenswille gesiegt. Er dachte daran, wie viel Macht und Einfluss die Terrororganisationen über die Jahre gewonnen hatten. Spätestens seit Nine-Eleven formierten sich die einzelnen Terrorzellen zu einem gigantischen weltweiten Netzwerk, dessen Ausmaße man erst begriff, wenn man sich mittendrin befand. Jede der scheinbar selbständigen Organisationen war

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