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dann schwang sie sich in den Sattel und trabte davon. Erst als der Abend dämmerte, kehrte Emily zum Stall zurück. Sie hatte Rubina ausgiebig Bewegung verschafft, die Umgebung erkundet und war in Gedanken immer wieder zu dem merkwürdigen Gebaren des Schmieds zurückgekehrt. Sein Verhalten und seine Worte deuteten ganz eindeutig darauf hin, dass er ihr Schwert kannte. Da war sie sich ganz sicher. Und sie musste unbedingt herausfinden, was er darüber wusste.

      Emily versorgte Rubina mit Hafer und Wasser und verließ den Stall. Sie ging um den Stall herum, um nachzusehen, ob der Schmied noch wach wäre, aber die Schmiede lag im Dunkeln und kein Licht schimmerte durch die geschlossenen Fensterläden. Sie seufzte. Also musste sie bis zum Morgen warten. Missmutig machte sie sich in ihre Kammer auf. Sie überlegte, ob sie noch einmal in die Gaststube hinunter gehen wollte, um etwas zu essen, aber die Aufregungen dieses Tages und der lange Ritt mit Rubina forderten ihren Tribut und am Tisch sitzend schlief sie ein.

      Nach einer unbequemen Nacht wachte Emily am frühen Morgen wie gerädert auf. Alles tat ihr weh. Sie reckte und streckte sich, bis sich ihre verspannten Muskeln ein wenig lockerten. Ihr Magen knurrte laut. Kein Wunder, da sie doch ihr Nachtmahl verschlafen hatte. Rasch wusch sie sich Gesicht und Hände mit dem kalten Wasser, das die Gastwirtin jeden Abend frisch auf eine kleine Kommode stellte. Dann ging sie hinunter in die Gaststube, um ein äußerst reichhaltiges Frühstück zu sich zu nehmen. Gesättigt und halbwegs wieder beweglich beschloss sie, ihr Schwert und ein paar Münzen aus ihrer Kammer zu holen und zum Schmied zu gehen und diesen ohne Umschweife nach dem Schwert zu fragen. Emily bedankte sich bei der Wirtin, die mit erstaunter Miene zugeschaut hatte, wie ihr junger Gast ihr üppiges Mahl vertilgte. So viel hatte sie Emily noch nie essen sehen. Deshalb winkte sie nun auch nur wortlos ab.

      Wenig später stand Emily vor der verschlossenen Schmiede. Auf ihr Klopfen reagierte niemand und doch meinte sie, ein leises Schlurfen hinter der Tür zu hören. Sie hämmerte mit der Faust kräftig gegen das Holz und endlich hörte sie, wie der Riegel zurückgeschoben wurde. Gavin riss die Tür mit einem heftigen Ruck auf und fuhr sie bösartig an: »Was willst du schon wieder?«

      »Ich möchte meine Schulden bei Euch bezahlen, Meister Schmied«, antwortete Emily, bemüht höflich zu klingen.

      »So. Na von mir aus.« Widerwillig trat er zur Seite und ließ Emily eintreten. »Macht zehn Kreutzer«, knurrte er.

      Emily kramte in ihrem Beutel nach den verlangten Münzen, bemerkte aber trotzdem den flackernden Blick des einen Auges, der auf ihr Schwert fiel. Sie ließ die Münzen in die ausgestreckte Hand des Schmieds fallen und sagte wie beiläufig: »Das ist ein schönes Schwert, nicht wahr?«

      »Hm«, brummte Gavin.

      »Mildred erzählte mir, Ihr hättet früher auch Waffen geschmiedet. Sagt, ist es wertvoll? Was meint Ihr?«

      »Die Alte tratscht zu viel.« Ohne auf Emilys Frage zu antworten, wollte er sich umdrehen, doch Emily hielt ihn zurück.

      »Bitte«, sagte sie flehend. »Ihr habt das Schwert erkannt und ich muss wissen, wo Ihr es gesehen habt. Bitte!«

      »Is nich wichtig.«

      »Für mich schon«, sie schluckte verzweifelt den Kloß hinunter, der sich in ihrem Hals gebildet hatte. »Denn seht, ich wurde von meinen leiblichen Eltern als Baby ausgesetzt und die Leute, die mich gefunden haben, erzählten mir, dass dieses Schwert neben mir gelegen hat. Ich will meine Eltern finden und das Schwert ist der Weg zu ihnen, das weiß ich. Ihr müsst mir einfach helfen.«

      Gavins Blick flackerte wieder zu dem Schwert und fiel dann auf Emilys verzweifelte Miene.

      »Wenn deine Eltern dich loswerden wollten, dann hatte das wohl einen guten Grund. Du solltest es dabei bewenden lassen … ich kann dir nich helfen. Geh wieder nach Hause.«

      Tränen traten Emily in die Augen. »Aber Ihr habt das Schwert schon mal gesehen!«, beharrte sie. Sagt mir doch wenigstens wo.«

      »Kann mich nich erinnern, dass ich das schon mal gesehen hätt.« Gavin wich Emilys Augen aus und drehte ihr, nachdem er noch einen kurzen Blick auf das Schwert geworfen hatte, endgültig den Rücken zu. »Jetzt geh endlich. Ich hab zu tun«, knurrte er und schlurfte davon.

      Emily blieb allein in der staubigen Schmiede zurück. Was sollte sie nur tun? Ihr war klar, dass der Schmied gelogen hatte, aber sie konnte ihn ja nicht zwingen, ihr die Wahrheit zu sagen. Unzufrieden und enttäuscht verließ sie die dunkle Schmiede und trat hinaus ins helle Sonnenlicht.

      Ratlos stand sie da, als Mildred auf sie zutrat. »Konnte Gavin Euch helfen?«, fragte sie anteilnehmend.

      »Nein. Leider nicht«, antwortete Emily tonlos.

      Mildred zog eine Augenbraue hoch. »Ich war wirklich der Meinung gewesen, er hätte Euch helfen können. Es tut mir leid.«

      »Ihr könnt doch nichts dafür. Er wollte wohl nur einfach nicht.«

      »Wie meint Ihr das?«, fragte Mildred verwundert.

      »Na ja. Als er das Schwert gestern sah, hatte ich den Eindruck, dass er es erkannt habe. Er sagte so etwas wie, das es vor langer Zeit verschwunden sei. Doch heute will er sich nicht daran erinnern. Aber ich weiß, dass er lügt!« Trotzig schaute sie zurück auf die Tür zur Schmiede und wollte sich schon umwenden, als Mildred sie aufhielt.

      »Kommt mit. Wenn Gavin nicht reden will, hat es keinen Sinn ihn zu bedrängen. Gebt ihm ein wenig Zeit. Kommt schon«, drängte sie, als Emily sich nicht von der Stelle bewegte.

      »Ich mache Euch bei mir einen schönen Tee und wir überlegen gemeinsam, was zu tun ist.« Ihre blauen Augen strahlten heller, wie es Emily schien, als sie ihren Blick in ihre eigenen senkten. Eigentlich wollte sie jetzt keinen Tee trinken. Sie wollte in die Schmiede gehen und Gavin zur Rede stellen, doch dieser Gedanke verlor sich in den blauen Augen, die sie unverwandt anschauten. Dieses Blau erinnerte sie an etwas anderes, aber auch dieser Gedanke entglitt ihr und sie nickte langsam.

      »Ja. Ein Becher Tee wäre gut«, antwortete sie ruhig und setzte sich, von Mildred sanft an der Schulter geführt, in Bewegung. Erst in Mildreds Hütte angekommen, mit einem dampfend heißen Becher Kräutertee vor sich, wurde ihr Kopf wieder klar. Sie schaute sich in der Hütte um. In einer Ecke stand ein alter Ofen, auf dem ein Kessel stand, der fröhlich vor sich hinblubberte. Ein großes Regal, grob aus Holz gezimmert, lehnte an einer Wand. Teller, Becher und allerlei Tiegel standen darin und einige Vorräte lagerten dort. Um den Tisch, an dem sie saß, standen noch drei weitere Stühle und zwei Türen führten, wie Emily vermutete, in die Schlafstube und in eine Vorratskammer. An den Deckenbalken hingen viele verschiedene Sträuße von getrockneten Kräutern und verströmten einen angenehmen Duft. Alles machte einen sehr reinlichen und heimeligen Eindruck und Emily lehnte sich entspannt zurück. Ihr Schwert, das sie bisher in der Hand gehalten hatte, legte sie auf den Tisch und Mildred, die sich ebenfalls auf einen Stuhl gesetzt hatte, warf einen neugierigen Blick darauf. Ihr Blick wanderte über die seltsamen Symbole und blieb an dem Rubindrachen hängen.

      »Und Gavin behauptet wirklich, dass er es nicht kennt?«, fragte sie stirnrunzelnd. »Höchst bedauerlich, aber ich glaube, es stimmt.«

      »Wie meint Ihr das?«

      Emily sah die alte Frau fragend an. »Gestern hat er es aber doch erkannt, nur heute will er sich an nichts erinnern. Da stimmt doch was nicht.«

      »Gavin ist alt und manchmal ein bisschen verwirrt. Da müsst Ihr ihm sein Gebrabbel verzeihen.«

      Emily hatte den Eindruck, dass Mildred, seit sie das Schwert genauer betrachtet hatte, genauso die Unwahrheit sagte wie Gavin. Was war bloß mit diesem Schwert los? Vielleicht war es verflucht? Und vielleicht war sie, Emily, auch verflucht. Das zumindest würde erklären, warum sich die Leute in ihrem Dorf ihr gegenüber immer so ablehnend verhalten hatten.

      »Noch Tee?«

      Mildred hielt ihr die Kanne vor die Nase und unterbrach damit ihre finsteren Gedanken.

      »Nein, danke«, lehnte Emily ab. »Ich muss gehen«.

      Plötzlich fühlte sie sich in Mildreds Gesellschaft nicht mehr wohl und wollte

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