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dunklen Raum gebracht.

      »Psst. Ist ja gut, Rubina«, redete Emily beruhigend auf sie ein. »Sei brav.«

      »Was’n los?« Ein alter, grauhaariger Mann mit stark nach vorn gebeugtem Rücken schlurfte in die Schmiede. Er spie gezielt einen schleimig-braunen Strahl Kautabak vor Emilies Füße und sah sie mit einem blutunterlaufenen Auge an. Das andere war mit einer dreckigen Augenklappe bedeckt. Emily starrte erst auf ihre Füße, dann in das Gesicht des Mannes. Und was für ein Gesicht das war. Es mochte einst menschlich ausgesehen haben, aber nun sah es mehr wie ein Fleischklumpen aus. Die linke Wange war von dicken wulstigen Narben gezeichnet, die Hälfte der Lippe und das linke Ohr fehlten. Einige wenige Haarbüschel standen auf der verbrannten Glatze.

      »Was glotzt du so?«, fragte der Alte barsch, als Emily auf seine Frage nicht antwortete.

      Wie aus einem schlechten Traum erwachend, schüttelte Emily den Kopf und besann sich auf ihre gute Erziehung.

      »Ich wünsche Euch einen schönen Tag, guter Mann«, grüßte Emily mit leicht zittriger Stimme.

      »Wir wollen mal eins klarstellen«, unterbrach sie der Alte grob. »Ich bin kein guter Mann. Ich bin Schmied. Was willst du, Mädchen?«

      »Ich … Entschuldigung. Ich … vielmehr meine Stute braucht ein neues Hufeisen. Vielleicht könntet Ihr Euch das einmal ansehen.«

      »Hm«, brummte der Schmied. »Wo?«

      »Sie lahmt ein wenig auf der linken Seite.«

      »Hm.« Er schlurfte zu Rubina und taxierte sie mit Kennerblick. Dann steckte er seine rechte Hand in die Hosentasche und holte einige Zuckerstückchen raus, die er der Stute vor’s Maul hielt. Rubina reckte den Hals und nahm den unverhofften Leckerbissen. Während sie genüsslich kaute, klopfte der Alte ihr auf den Hals und murmelte: »Du bist aber ein hübsches Mädchen.« Dann beugte er sich herunter und schlug ihr leicht gegen das linke Vorderbein. Rubina wusste, was von ihr verlangt wurde. Sie hob den Huf an und hielt still, als der Schmied an ihrem Hufeisen werkelte.

      »Nee, da is nix«, brummte Gavin und stellte das Bein wieder ab. Er schlurfte zur linken Hinterhand. Rubina hob auch hier brav den Huf. »Hm … wackelt ’n bisschen.« Vorsorglich untersuchte er auch die beiden anderen Hufe.

      »Kann ich machen«, nuschelte er. Komm’ später wieder, dann kannst du sie abholen.« Gavin machte sich an die Arbeit und nahm keine Notiz mehr von Emily.

      Unentschlossen trat Emily auf der Stelle, bis der Schmied unwirsch knurrte: »Was hampelst du da noch rum, häh? Du machst das Pferd nervös. Hau ab!«

      Beleidigt verließ Emily die Schmiede und setzte sich auf einen Baumstumpf vor die Schmiede. »So ein ungehobelter Kerl«, schimpfte sie leise vor sich hin. Hinter ihr kicherte jemand.

      »Ich hab Euch doch gesagt, dass er Menschen nicht besonders gerne mag.« Mildred stand gemütlich an eine Wand der Schmiede gelehnt und lächelte.

      »Tja, das könnt Ihr getrost laut sagen«, schnaubte Emily. »Pferde mag er eindeutig lieber. Vielleicht hätte ich mir auch einen Sattel auf den Rücken schnallen sollen, dann wäre er bestimmt freundlicher gewesen.«

      Mildred lachte und kurz darauf stimmte Emily in ihr Lachen ein. Sie mit Sattel, das war wirklich eine zu komische Vorstellung.

      »Warum ist er so griesgrämig?«, fragte Emily atemlos, während sie sich die Lachtränen aus den Augen wischte.

      »Das weiß keiner so genau. Vielleicht …«

      In diesem Moment knarrte die Tür zur Schmiede und Gavin schlurfte heraus. »Dein Pferd ist fertig«, brummte er an Emily gewandt und deutete unmissverständlich zur Tür. Emily sprang auf und ging auf die Türe zu, drehte sich aber noch einmal zu Mildred um. Die zuckte nur mit den Schultern und nickte ihr freundlich zu. Emily verschwand in der Schmiede, hörte aber noch, wie der Alte Mildred anknurrte: »Was hast du hier zu tratschen, altes Weib? Hast du nicht irgendjemanden zu vergiften?«

      »Dir auch einen schönen Tag, Gavin«, feixte Mildred und deutete einen Knicks an. Dann wandt sie sich zum Gehen um und sagte:

      »Ich werde mal sehen, ob ich nicht ein Kräutlein finde, das dir bessere Manieren beibringt.«

      »Pah!«, schnaubte Gavin, spuckte hinter ihr aus und schlurfte wieder zurück in die Schmiede, wo Emily auf ihn wartete.

      »Wie könnt Ihr nur so garstig sein?«, platzte es aus ihr heraus, noch bevor sie darüber nachdenken konnte. »Mildred ist eine so freundliche Frau.«

      Für einen Moment erstarrte Gavin, stumm vor Staunen ob ihres Ausbruchs, dann fauchte er: »Kümmer’ dich um deine Angelegenheiten. Nimm deinen Gaul und verschwinde.«

      Emily wurde blass. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie mit dem alten Schmied alleine war und er vielleicht gewalttätig sein könnte. Trotzdem wollte sie sich ihre Angst nicht anmerken lassen. »Ich mache es aber zu meiner Angelegenheit. Mildred war so nett, mich mit meiner Stute zu Euch zu schicken. Und außerdem kann ich erst gehen, wenn Ihr mir gesagt habt, was ich Euch schuldig bin.« Trotzig verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah den Schmied kampfeslustig an.

      Gavins Auge blinzelte nicht einmal, als er Emily anstarrte. Schon lange hatte ihm keiner mehr auf diese Weise getrotzt. So viel Mut gehörte bewundert. Der rechte Mundwinkel zuckte leicht nach oben und sank aber ebenso schnell wieder ab, so als ob er vergessen hätte, wie man lächelt. Doch Emily hatte es bemerkt, bemühte sich aber so zu tun, als wenn nichts dergleichen geschehen wäre.

      »Nun, was bekommt Ihr von mir für Eure Arbeit?«

      »Du hast es dir ja noch nicht mal angeguckt. Was, wenn ich kein neues Eisen gemacht habe? Du bist zu leichtgläubig, Mädchen.«

      Emily verlor ihre trotzige Haltung und schaute nun betroffen drein. Ihr Vater hatte ihr immer wieder eingebleut, dass sie nicht jedem vertrauen konnte. Schon gar nicht, wenn es um Arbeitsleistung ging. »Du musst dich erst vom Wert der Arbeit überzeugen, bevor du bezahlst. Sonst kann es geschehen, das du mehr berappen musst, als es nötig wäre. Außerdem musst du um den Preis feilschen. Jeder Handwerker, der was auf sich hält, feilscht um den Wert seiner Leistung.«

      Daran denkend, was ihr Vater ihr beigebracht hatte, begutachtete sie nun den Huf von Rubina, sah, dass das Eisen neu und fachgerecht angebracht wurde, und richtete sich wieder auf, um Gavin zu loben. Doch der stand wie versteinert an Rubinas Seite und starrte auf den Schwertknauf, der, getroffen von einem einzelnen Sonnenstrahl, funkelte.

      »Wo hast du das her?«, krächzte er heiser. »Wo hast du das her?« Mit bleichem Gesicht drehte er sich zu Emily und sie sah mit Bestürzung, dass seine Hände zitterten.

      »Wieso fragt Ihr das?«, fragte sie mit angehaltenem Atem. »Kennt Ihr es?«

      »Was?«

      »Kennt Ihr das Schwert? Habt Ihr es schon mal gesehen?«

      »Ich … natürlich … lange her …«, stammelte Gavin vor sich hin, ohne auf Emily zu achten, die wie gebannt an seinen Lippen hing. »Es kann nicht sein … vor langer Zeit verschwunden …«

      »Wer ist verschwunden?« fragte Emily angespannt. Sie hatte das Gefühl, als wäre sie kurz davor, eine sehr wichtige Information zu bekommen, doch der alte Schmied schaute sie nur verwirrt an. Dann schüttelte er den Kopf, als wenn er einen schlimmen Traum abschütteln wollte. »Häh?«

      »Ihr sagtet, jemand wäre vor langer Zeit verschwunden?«

      Erwartungsvoll blickte sie ihm ins Gesicht.

      »Hab ich nich‹«, antwortete er, jetzt wieder so mürrisch wie zuvor. »Und jetzt verschwinde endlich, die Schmiede ist zu.«

      Entschlossen schob er die verdutzte Emily durch die Tür und drückte ihr die Zügel von Rubina in die Hand. »Komm morgen wieder.« Damit knallte er ihr die Tür vor der Nase zu und sie hörte, wie ein schwerer Riegel von innen vorgeschoben wurde.

      »Was war denn das?«, fragte sie an Rubina gewandt, so als ob sie wirklich eine Antwort erwartete, doch die schnaubte

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