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von Cannabinoiden führte.

       Cannabinoide – die Schützer unserer inneren Homöostase

      In uns drinnen ist also viel los. In jeder Zelle passieren in jedem Moment viele tausende Reaktionen. Das hört sich kompliziert an, aber jede Zelle und jedes Organ hat die Fähigkeit, das biochemische Gleichgewicht zu erhalten. Das nennen wir die Homöostase, aus dem altgriechischen »homoiostásis« für Gleichstand. Es geht dabei um die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichts durch einen internen regelnden Prozess, also eine Art Selbstregulation von Systemen. So haben wir zum Beispiel eine homöostatische Körpertemperatur, einen homöostatischen pH-Wert im Blut und so weiter. Und falls sich etwas ändert und die Werte aus dieser Balance springen, aktivieren sich mehrere Mechanismen, um alles wieder in Homöostase zu bringen.

      Aber wozu dienen diese Moleküle? Diese Frage war für die Wissenschaftler nicht leicht zu beantworten. Die meisten Forschungen ergaben, dass Cannabinoide auf beinahe alles in unserem Körper Einfluss haben. Weitere Forschungsergebnisse brachten schließlich zutage, dass Cannabinoide als grundlegende Signalmoleküle in unserem Körper dienen, denn die meisten Zelltypen haben Rezeptoren für Cannabinoide. Und wie lautet nun die Nachricht, die mittels dieser Moleküle an den Großteil der Zellen geschickt wird? Vereinfacht gesagt: »Nimm den Fuß vom Gas und schalte einen Gang runter!« Daraus folgt, dass der Nachweis von Cannabinoiden in einer Nervenzelle bedeutet, weniger Neurotransmitter auszuschütten, um das Gleichgewicht (Homöostase) wiederherzustellen.

      Natürlich ist aber die Situation im ganzen Körper viel komplexer. Wenn ein Signal oder eine Situation unsere zellulare Homöostase herausfordert, sind die Cannabinoide die ersten Moleküle, die produziert werden. Das bedeutet, dass sie eine Wächterrolle haben, sie senden also ein SOS-Signal. Und so werden Cannabinoide in nahezu allen für den Organismus gefährlichen Situationen ausgeschüttet: Wenn wir eine physische Verletzung einstecken müssen ebenso wie wenn wir ein intensives emotionales Erlebnis haben, aber auch wenn wir Mikroben aufnehmen, toxische Nahrungsmittel zu uns nehmen und in vielen anderen Situationen auch. Wann immer die Homöostase unseres Körpers angegriffen wird, produzieren wir Cannabinoide, die ein Signal an die betroffenen Zellen schicken und damit mehrere Mechanismen aktivieren, die alle dazu dienen, dass wir so bald wie möglich wieder in ein biochemisches Gleichgewicht kommen.

      Verschiedene Endocannabinoide können nicht nur an Cannabinoid-Rezeptoren binden, sondern auch an einen vermuteten CB3-Rezeptor, den GPR55-Rezeptor, sowie an weitere Rezeptoren. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Zellsignalisierungsrezeptor, dessen spezifische physiologische Rolle unklar ist, da Mäuse ohne diesen Rezeptor keine gesundheitlichen Probleme haben. GPR55 ist im Hoden, in der Milz und im Gehirn, insbesondere im Kleinhirn, weit verbreitet. Er wird im Magen-Darm-Trakt aktiviert und es hat sich gezeigt, dass damit die Funktion der Knochenzellen reguliert wird.

      Allen Cannabinoid-Rezeptoren ist gemeinsam, dass sie G-Protein-gekoppelte Transmembranrezeptoren (GPCR) sind. Das bedeutet, dass sich ein Teil des Rezeptors außerhalb der Zelle befindet und auf ein Cannabinoid vorbereitet ist, während der andere Teil des Rezeptors auf der Innenseite der Zelle sitzt und die Nachricht weiterleitet, ob sich Cannabinoide in der Nähe befinden.

      Wenn sich ein Cannabinoid an den Rezeptor bindet, reagiert die Zelle. Welche Reaktion es geben wird, hängt nun wiederum von vielen Faktoren ab, einschließlich des Zelltyps, der Chemie und Konzentration der Cannabinoide, der Anwesenheit anderer Moleküle und auch der Anzahl oder Dichte der Cannabinoid-Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Um die physiologische Rolle des Endocannabinoid-Systems zu verstehen, schauen wir, wo im Körper Cannabinoid-Rezeptoren sind, also welche Organe oder Gewebe die Nachricht aufnehmen können, die Cannabinoide senden.

      • Typ-1-Cannabinoid-Rezeptoren (CB1) befinden sich besonders im zentralen Nervensystem, an die sich THC und schwach auch CBD binden. Da sie während der Wirkung von Cannabis im Körper um den CB1-Rezeptor konkurrieren und CBD nicht psychoaktiv wirkt, federt CBD den psychedelischen Effekt des THC ab. Diese Rezeptoren beeinträchtigen somit das Schmerzempfinden und auch die Motorik, aber auch Emotionen, Erinnerung und Appetit. Weil CB1-Rezeptoren ihre Funktion im zentralen Nervensystem haben, wird laufend untersucht, wie Cannabinoide bei unterschiedlichen Nervenschädigungen und neurodegenerativen Krankheiten wie der Parkinson- und der Alzheimer Krankheit wirken.

      • Typ-2-Cannabinoid-Rezeptoren (CB2) kommen im Immun-, im Verdauungs- oder dem Fortpflanzungssystem vor. Sie befinden sich aber auch in Knochen, Haut, Lunge, hormonalen Drüsen oder in den Augen. Man ging davon aus, dass Cannabis das Immunsystem negativ beeinflusst, doch die Annahme ist überholt und wissenschaftlich unbegründet. Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Cannabinoide den Körper dazu bringen, wieder in eine biochemische Homöostase zurückzukehren.

       Opioid- und Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn mit ihren Leganden: Endorphine (rot) und Anandamide (grün)

      Auch andere GPR-Rezeptoren antworten auf Cannabinoide wie GPR18 und GPR119. Interessanterweise reagieren einige Rezeptoren, die für andere Zellfunktionen verantwortlich sind, ebenso auf Cannabinoide wie einige Ionenkanäle, Transporter, Enzyme und Zellstrukturen.

      Cannabidiol bindet an Rezeptoren, die für die Schmerzregulierung verantwortlich sind.

      Ein Beispiel dafür ist die Thermo-TRP-Kanalfamilie, eine Familie von zellulären Ionenkanälen: TRP Vanilloid-1-und 2-Rezeptoren werden durch Capsaicin aus Chili bzw. CBD aus Hanf aktiviert. Sie sind dafür verantwortlich, den Körper mit Informationen über Temperaturänderungen in der Umwelt zu versorgen. Da wir wissen, dass die Regulierung der Körperkerntemperatur und die Reaktion auf Veränderungen der Außentemperatur unter der Kontrolle des Endocannabinoid-Systems steht, ist es unter diesem Gesichtspunkt nicht verwunderlich, dass die Familie der Thermo-TRP-Kanäle auf Cannabinoide reagiert. Der Hypothalamus, der die Körpertemperatur reguliert, hat auch viele Cannabinoid-Rezeptoren. So verursacht Anandamid Fieber, nachdem es an die CB1-Rezeptoren im Hypothalamus gebunden wurde.

      Ein weiteres Beispiel wären die Peroxisom-Proliferatoraktivierten Rezeptoren (PPAR), die bei der Entscheidung, welche Gene ruhiggestellt werden und was aktiviert wird, eine wichtige Rolle bei der Zelldifferenzierung und -entwicklung, dem Stoffwechsel (Kohlenhydrat, Lipid, Protein) und der Tumorgenese spielen. Unter Berücksichtigung der Rolle, die Endocannabinoide in diesen Prozessen spielen, kann ihre Aktivierung von PPAR einer der Wege sein, Zellen durch Cannabinoide tiefgreifend zu beeinflussen.

      Es ist auch bekannt, dass sich das pflanzliche Cannabidiol (CBD) an einen sehr interessanten Rezeptor, den Serotonin-1A-Rezeptor oder 5-HT1A-Rezeptor bindet. Diese Rezeptoren sind in unserem Gehirn sehr verbreitet und an der Neuromodulation – im Zusammenhang damit auch der Schmerzregulierung – beteiligt. Neben anderen Effekten, die vorrangig für Serotonin, das Glücksmolekül, bekannt sind, verursachen sie eine Senkung des Blutdrucks und der Herzfrequenz. Viele bekannte Medikamente gegen Angst und Depressionen wirken genau auf diese Rezeptoren.

      Neben allen Rezeptoren, an die Cannabinoide binden und die Funktion unserer Zellen und unseres Körpers verändern, können Cannabinoide auch völlig unabhängig von Rezeptoren arbeiten. Cannabinoide sind Lipide, das heißt, sie sind fettlöslich. Da auch die Außenseite der Zellen – die Membran – in erster Linie aus Fettsäuren besteht, können die Cannabinoide Rezeptoren umgehen, die Lipiddoppelschicht durchdringen und so in die Zelle gelangen. Bis zu einem gewissen Grad ist sogar die Antitumorwirkung von Cannabinoiden rezeptorunabhängig. Dazu ist die Bildung von Lipidflößen – stabileren Stellen der Membran – wichtig, wobei Ceramid, ein spezifisches Fett, dafür entscheidend zu sein scheint.

      Neuroprotektive Eigenschaften von Cannabinoiden (CBD und THC) sind rezeptorunabhängig, wie eine Studie bereits 1998 zeigte. Im Jahr 2000 fand man heraus, dass Δ9 (THC), Δ8-THC und Cannabidiol (CBD) als Antioxidantien wirken und die Zellen vor dem Absterben bereits in sehr niedrigen Konzentrationen

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